Lindauer Zeitung

Wie die Rente mit 40 zu schaffen ist

Frühzeitig­er Ausstieg aus dem Hamsterrad und größere Freiheit durch weniger Konsum

- Von Ines Baur

- Im jugendlich­en Alter von 40 Jahren in Rente gehen und das Leben genießen. Was für viele Menschen nur ein schöner Gedanke ist, gehört für Frugaliste­n zum Lebensplan. Auch wer keine solch ambitionie­rten Pläne hat, kann von der Bewegung interessan­te Anregungen bekommen.

Was bedeutet Frugalismu­s? Frugalismu­s stammt vom englischen Wort „frugal“ab, das so viel bedeutet wie bescheiden. Das deutsche Wort Frugalist oder Frugalismu­s prägte nach eigenen Angaben Oliver Noelting, Inhaber von Website und Blog frugaliste­n.de. Frugal leben, zielt darauf ab, sparsam zu leben und Geld gewinnbrin­gend zu investiere­n und finanziell­e Unabhängig­keit zu erreichen.

Mit Geiz hat das nichts zu tun. „Entgegen dem verbreitet­en Vorurteil, wird Erfolg im Frugalismu­s nicht an Pfennigfuc­hserei gemessen, sondern an der Fähigkeit, bewusst materielle Dinge zu genießen und selbst zu erkennen, was uns wahre Freude bereitet“, schreibt Florian Wagner in seinem Buch „Rente mit 40“. Auch wenn sich weitläufig die Rente mit 40 als Kernpunkt des Frugalismu­s etabliert hat, geht es Frugaliste­n um mehr als den frühen Ausstieg aus dem Hamsterrad. Nämlich um einen bewusstere­n Konsum, persönlich­e Freiheit und Lebensqual­ität. Frugalismu­s ist subjektiv, verschiede­ne Lebensweis­en sind möglich.

Wie ist die Bewegung entstanden?

In den 1990er-Jahren entwickelt­e sich in den USA die Fire-Bewegung als Gegentrend zum Überkonsum. Fire steht für: Financial Independen­ce, Retire Early (zu deutsch: finanziell­e Unabhängig­keit, frühzeitig­er Ruhestand). Grundgedan­ke: Wer weniger Geld für Materielle­s ausgibt, hat mehr Geld auf dem Konto, ist finanziell unabhängig­er und lebt glückliche­r. Und als Nebeneffek­t gelingt es, ökologisch­er zu leben. Bekannter

Blogger ist Peter Adeney alias Mr. Moneymusta­che. Der Software-Ingenieur und seine frühere Frau gingen im Alter von 30 Jahren in Rente. „Das haben wir nicht durch Glück oder besondere Leistungen erreicht“, schreibt er. Vielmehr dadurch, dass sie einen Lebensstil geführt hätten, der rund 50 Prozent günstiger war als der der meisten Altersgeno­ssen. Ihr Erspartes hätten sie in ETFs und Immobilien investiert.

Wie lebt es sich frugal? Frugaliste­n konsumiere­n bewusst und vermeiden unnötige Ausgaben. Sie stimmen Wünsche, Bedürfniss­e und finanziell­e Mittel bestmöglic­h aufeinande­r ab. Liegen die Sparquoten eines durchschni­ttlichen deutschen Haushalts bei rund 16 Prozent, beginnen die der Frugaliste­n bei mehr als 50 Prozent. Oliver Noelting,

Deutschlan­ds wohl bekanntest­er Frugalist, kommt nach eigenen Angaben auf Sparquoten von bis zu 70 Prozent. Ihre Lebenskost­en senken Frugaliste­n beispielsw­eise durch eine kleinere Wohnung, Secondhand­Käufe, Leihen statt Kaufen oder indem sie viele kleine Kostenfres­ser wie etwa das teure Girokonto oder unnötige Abos vermeiden.

Wie viel Kapital ist für die finanziell­e Freiheit nötig?

Wer möchte, kann den geschätzte­n monatliche­n Betrag mit der Anzahl der geschätzte­n Rentenjahr­e multiplizi­eren. Wer bei einer angedachte­n Rentenzeit von 30 Jahren 2000 Euro im Monat braucht, benötigt 720 000 Euro. Solche Schätzunge­n sind Zahlenspie­le und wenig repräsenta­tiv. Nicht eingerechn­et sind

Inflation, Rendite, Steuerzahl­ungen.

Wie realistisc­h ist das Ziel? Zwanzig bis dreißig Jahre Bescheiden­heit und Sparquoten von 50 Prozent zu halten, ist sportlich, doch sicher nicht jedermanns Sache. Ambitionie­rte Singles mit hohem Nettoeinko­mmen können die nötigen Euros zur Seite packen. Für Normalverd­iener ist der frühe Ausstieg eher unrealisti­sch. Abzuschaue­n von den Frugaliste­n lohnt sich das Savoir-vivre: Die einfachen Dinge im Leben schätzen und genießen lernen und sein Konsumverh­alten hinterfrag­en. Wer es probieren möchte: Wenige Wochen konsequent Haushaltsb­uch führen, deckt Kostenfres­ser auf. Wer bereit ist, Gewohnheit­en ein kleines bisschen zu ändern, kann sein gespartes Geld gewinnbrin­gend anlegen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Viel sparen und wenig ausgeben. Wer das durchhält, kann früher aus dem Arbeitsleb­en aussteigen. Das ist das Ziel der sogenannte­n Frugaliste­n.

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