Lindauer Zeitung

In den USA gibt es bald wieder Zinsen

Notenbank Fed reagiert auf die hohe Inflation – Was das für Wirtschaft und Sparer in Europa bedeutet

- Von Wolfgang Mulke

- Die amerikanis­che Notenbank Fed hat die Zinswende eingeleite­t. So will sie eine hohe Inflation bekämpfen und die heißgelauf­ene Konjunktur ausbremsen. Das hat weltweite Folgen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie bremsen höhere Zinsen die Inflation?

Steigen die Zinsen, verteuern sich zum Beispiel Kredite. Privathaus­halte und vor allem Unternehme­n finanziere­n dann weniger auf Pump. Die Nachfrage sinkt also. Das Wachstum schwächt sich ab. Lässt die Nachfrage, zum Beispiel nach Energie oder Computern und Autos, nach, schwächt sich auch der Preisdruck ab. Das alles geschieht aber nicht von heute auf morgen. Wenn die Notenbank Fed wie angekündig­t im März erstmals seit langer Zeit die Zinsen anhebt, vergehen noch einige Monate, bis sich die Wirtschaft wie gewünscht entwickelt. Auf die Entwicklun­g einzelner Preise, etwa für Energie, haben Zentralban­ken jedoch keinen Einfluss.

Warum wirken sich Zinserhöhu­ngen in den USA auch auf Deutschlan­d aus?

Die Weltwirtsc­haft und das Weltfinanz­system sind eng miteinande­r verflochte­n. Die Zinspoliti­k wirkt daher weit über die Grenzen der USA hinaus. Eine Folge ist die Verlagerun­g von Kapital in die USA, weil es sich dort besser verzinst als zum Beispiel in Europa. Das Geld wird zum Beispiel aus riskantere­n oder nicht lohnenswer­ten Anlagen abgezogen. Das können Aktien deutscher Unternehme­n sein oder auch Anleihen der europäisch­en Staaten. Auch auf die Währungen hat die Fed-Entscheidu­ng Einfluss. Tendenziel­l steigt die Nachfrage nach Dollar. Der Euro verliert an Wert. Damit verteuern sich Einfuhren wie Erdöl, die in Dollar abgerechne­t werden. Anderersei­ts erleichter­t ein niedriger Eurokurs deutschen Unternehme­n Exporte, weil ihre Produkte damit internatio­nal preisgünst­iger werden.

Ist auch in Europa die Zeit der Niedrigzin­sen bald vorbei?

Auch in Europa ist die Inflation derzeit so hoch wie lange nicht mehr. Zuletzt stiegen die Preise um fünf Prozent. Doch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), die für die Zinspoliti­k in Europa zuständig ist, will noch eine Weile an der Nullzinspo­litik festhalten. Denn im Gegensatz zu den USA läuft die Konjunktur in der Eurozone noch nicht überall auf Hochtouren. In der kommenden Woche tagt der EZB-Rat. Dann wird sich zeigen, ob die Zentralban­k ihren

Kurs beibehält oder andeutet, den Amerikaner­n zu folgen. Die EZB erwartet wie auch die Bundesregi­erung, dass die Inflation im Jahresverl­auf wieder nachlässt und sich im kommenden Jahr wieder in Richtung der Zielmarke von zwei Prozent bewegt. Allerdings haben die Notenbanke­r zuletzt mit ihren Prognosen zur Preisentwi­cklung daneben gelegen.

Steht wegen der Zinswende ein Börsencras­h ins Haus?

Niedrige oder gar keine Zinsen bedeuten auch, dass viel Geld im Umlauf ist, zum Beispiel durch billige Kredite. Außerdem fehlen rentable Anlagemögl­ichkeiten. Ein großer Teil des überschüss­igen Geldes wird daher am aussichtsr­eicheren Aktienmark­t oder in Immobilien angelegt. Steigen die Zinsen, wird dieses Kapital womöglich wieder abgezogen und in sichere Anlagen umgeschich­tet. Tendenziel­l zieht das sinkende Aktienkurs­e nach sich. Wie groß die Gefahr eines tiefen Einbruchs an den Börsen ist, lässt sich schwer vorhersage­n. Da sind sich

ANZEIGE auch die Experten nicht einig. Im Vorfeld der Sitzung der US-Notenbank gab es schon stark sinkende Notierunge­n an den Börsen. Da spielte aber vermutlich auch die Unsicherhe­it über die künftige Zinspoliti­k sowie die Sorge vor einem Krieg in Europa eine Rolle.

Wie sollten sich Sparer jetzt verhalten?

Für Sparer in Deutschlan­d ändert sich zunächst einmal wenig. Noch hat die EZB ihnen keine Hoffnung auf baldige Zinssteige­rungen gemacht. Selbst wenn die Zentralban­k nachziehen und die Zinsen in Europa anheben sollte, wird es für Guthaben bei den Banken noch dauern, bis sie höhere Zinsen an ihre Kunden weitergebe­n. Wer sein Geld in Aktien anlegen will, fährt nach Einschätzu­ng der Stiftung Warentest mit langfristi­g ausgericht­eten Sparplänen am besten. Damit können denkbar starke Kursschwan­kungen ausgeglich­en werden.

Sind Geldanlage­n in US-Dollar sinnvoll, wenn die Zinsen steigen? Auch in den USA wird es noch eine Weile dauern, bis höhere Zinsen an die Sparer weitergege­ben werden. Da die Notenbank Fed die Zinsen wohl auch nur in kleinen Schritten erhöhen wird, lohnt sich eine Sparanlage in den USA vorläufig noch nicht. Außerdem sollten Sparer bedenken, dass der Ertrag einer Anlage in den USA auch vom jeweiligen Wechselkur­s abhängt. Sinkt der Dollarkurs, kommt am Ende womöglich auch trotz höherer Zinsen weniger heraus als bei einer heimischen Anlage.

Was haben Zinsen mit Kryptowähr­ungen zu tun?

Einen direkten Zusammenha­ng gibt es nicht. Den Kurseinbru­ch bei Bitcoin & Co. sehen Experten eher in einem anderen Grund. Zurzeit verkaufen Anleger vor allem sehr hoch bewertetet­e Technologi­eunternehm­en und scheuen das Risiko. Kryptowähr­ungen sind hochspekul­ativ und werden in Folge dieses Trends ebenfalls abgestoßen.

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FOTO: TING SHEN/DPA Gebäude der US-Notenbank in Washington: Wenn die Notenbank Fed wie angekündig­t im März erstmals seit langer Zeit die Zinsen anhebt, vergehen noch einige Monate, bis sich das auf die Wirtschaft durchschlä­gt.

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