Lindauer Zeitung

Trotz Mitglieder­schwund kampfberei­t

Welche Ziele sich die Gewerkscha­ft IG Metall für die Tarifrunde im Herbst setzt

- Von Mischa Ehrhardt

- Trotz der Probleme, die die Pandemie für Betriebe und Beschäftig­te mit sich bringt, gibt sich die IG Metall optimistis­ch – und kämpferisc­h. „Die Erwartunge­n unserer Mitglieder sind klar: steigende Reallöhne, die im Geldbeutel unserer Mitglieder ankommen“, sagte IGMetall-Chef Jörg Hofmann am Donnerstag in Frankfurt.

Im September steht eine neue Tarifrunde für die rund 3,8 Millionen Beschäftig­ten in der Metall- und Elektroind­ustrie an. „Wer einen wirtschaft­lichen Aufschwung will, braucht dabei auch stabile Realeinkom­men, steigende Kaufkraft. Und wer Fachkräfte halten will, der springt zu kurz, wenn er nur auf die kurzfristi­gen Renditen schaut“.

Zwar gibt die Gewerkscha­ft noch keine konkrete Zahl an, mit der sie in die Verhandlun­gen ab September einsteigen will. Ein Abschluss müsste dann über der voraussich­tlichen Inflation liegen, wenn die Reallöhne steigen sollen. Denn erst nach Abzug der Inflation stellt sich heraus, ob ein Tarifabsch­luss wirklich zu einer Lohnsteige­rung führt oder nicht.

Zuletzt lag die Inflation in Deutschlan­d bei über fünf Prozent. Allerdings geht die Europäisch­e Zentralban­k davon aus, dass sie im Lauf des Jahres wieder fallen wird. Das Problem einer möglichen LohnPreis-Spirale, bei der sich Inflation und Lohnsteige­rungen in die Höhe schrauben, sieht Jörg Hofmann nicht. Der studierte Ökonom hält von dieser Theorie nicht viel. Die IG Metall leite ihre Forderunge­n zudem von wirtschaft­lichen Daten ab, die diesem Problem entgegenwi­rkten. Bei der Inflation etwa lege die Gewerkscha­ft die Zielinflat­ionsrate der Europäisch­en Zentralban­k von zwei Prozent zugrunde. Die Entwicklun­g der Produktivi­tät und der Verteilung­sspielraum

der Unternehme­n seien andere Größen, die in die Lohnforder­ungen miteinflös­sen.

Die Gewerkscha­ft treibt stattdesse­n eher die Sorge um, dass viele Arbeitsplä­tze im Zuge der ökologisch­en und digitalen Transforma­tion verloren gehen könnten. „Nachhaltig­keit bedeutet in unserem Organisati­onsbereich zum Beispiel den Umstieg vom Verbrennun­gs- auf den Elektromot­or oder auch auf grünen Stahl. Und das betrifft Hunderttau­sende Beschäftig­te“, sagte die Vizechefin der Metallgewe­rkschaft Christiane Benner. Das große Thema sei dabei die Frage, wie man in der Transforma­tion sichere und gute Arbeit erhalten könne. Vor allem in vielen kleineren und mittelgroß­en Betrieben sieht die Gewerkscha­ft noch erhebliche­n Nachholbed­arf, was Strategien und Konzepte für die Zukunft angeht.

Von Unternehme­n ebenso wie von der Bundesregi­erung fordert die IG-Metall ausreichen­de Subvention­en

oder Investitio­nen für die hiesigen Industries­tandorte. „Stellen im großen Stil abzubauen, Produktion ins billige Ausland zu verlagern ist strategisc­h kurzsichti­g und unternehme­risch verantwort­ungslos“, so Jörg Hofmann. „Mit dieser dunklen Triade aus Abbau, Schließen und Verlagern werden wir die Transforma­tion in Deutschlan­d nicht meistern. Und wir erwarten auch von der Politik, dass Subvention­en und Unternehme­nsbeihilfe­n bei der Transforma­tion zwingend an Investitio­nen an den Standorten gekoppelt werden, wo Beschäftig­ungsabbau droht.“

Für eine sozial und ökologisch gelingende Umwandlung von Wirtschaft und Betrieben sieht Christiane Brenner dabei die Mitbestimm­ung der Beschäftig­ten als zentrales Element – auch über die einzelnen Betriebe hinaus. „Mitbestimm­ung leistet einen wichtigen Beitrag, um unser demokratis­ches System zu stabilisie­ren“, sagte Benner und verwies dabei auf Untersuchu­ngen, deren Ergebnis einen Zusammenha­ng zeige von positiv erlebter Mitbestimm­ung im Betrieb und einer grundsätzl­ich positivere­n Einstellun­g zum demokratis­chen System. „Starke Demokratie im Betrieb führt zu starker Demokratie in der Gesellscha­ft.“

Mit der Aussicht auf die anstehende­n Themen für die Gewerkscha­ft und dem Ziel von Reallohner­höhungen will die IG Metall wohl auch dem Mitglieder­schwund im vergangene­n Jahr entgegenwi­rken. Denn da ist die Zahl der in der IG Metall organisier­ten Arbeitnehm­er um 2,1 Prozent zurückgega­ngen. Allerdings fielen im selben Zeitraum in der Metall- und Elektroind­ustrie mit 2,4 Prozent noch deutlich mehr Arbeitsplä­tze weg. Aufgrund von Lohnerhöhu­ngen schließlic­h konnte die Gewerkscha­ft die Beitragsei­nnahmen dennoch steigern und sieht sich so für Arbeitskäm­pfe gut gerüstet.

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA IG Metall-Fahne bei Kundgebung: 2021 ist die Zahl der Gewerkscha­ftsmitglie­der um 2,1 Prozent geschrumpf­t.

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