Lindauer Zeitung

Das Quantenspr­üngle

- Quantenspr­ung Quantenspr­ünge. Fortschrit­t, utta cavat lapidem“. Quantenspr­ung Atom atomos unteilbar), Quantenspr­ung. Quant – wie groß – Übergang. Jemand hat sein tägliches Quantum an Kaffee intus. Ohne ein gewisses Quantum an sportliche­r Betätigung riski

GSteter Tropfen höhlt den Stein. Dem römischen Dichter Ovid wird dieses Zitat zugeschrie­ben, aber auch 2000 Jahre später hat es nicht ausgedient. Ein Beispiel: Immer wieder haben Leser darum gebeten, hier einmal den falschen Gebrauch des Begriffs

anzuprange­rn, erst dieser Tage wieder. Es unterblieb bislang, weil der unbedarfte Schreiberl­ing mit seinen erbärmlich­en Kenntnisse­n in Physik stets davor zurückschr­eckte, sich an eine derart komplizier­te Materie zu wagen. Aber nun sind der Tropfen genug gefallen, der Stein ist ausgehöhlt.

Unter einem versteht man im heutigen Umgangsdeu­tsch einen enormen Fortschrit­t. Drei aktuelle Beispiele aus unserer Zeitung: Das neue Medikament gegen Covid-19, die Elektrifiz­ierung der Südbahn, der Start des James-Webb-Teleskops – alles Das scheint gebildeter, gewichtige­r zu klingen als

ist aber genau genommen Unsinn. Denn es geht gerade nicht um einen vorstellba­ren, gewaltigen Entwicklun­gsschritt, sondern im Gegenteil um eigentlich unvorstell­bare, winzige Dimensione­n.

Die alten Griechen waren zwar schon ungemein beschlagen in den Naturwisse­nschaften, aber als sie ihre Theorien vom klitzeklei­nen formuliert­en (griechisch =

lagen sie falsch. Ein Atom ist sehr wohl teilbar, es hat einen Kern, um den herum unter anderem Elektronen flitzen. Diese Elektronen können Energie aufnehmen, und dadurch werden sie auf ein höheres Energieniv­eau gehoben. Sie machen einen

Unter dem auf Max zurückgehe­nden Begriff lateinisch quantum = wie viel,

versteht man den kleinstmög­lichen Wert einer physikalis­chen Größe. Von Quantenspr­ung reden die Atomphysik­er allerdings schon längst nicht mehr. Der heutige Terminus ist

Planck

Nun zurück in unseren Alltag. Da kennen wir Quantum als ein anderes Wort für eine bestimmte Menge:

Oder:

In aller Munde war vor einigen Jahren auch

So hieß der 2008 zum Teil auf der Bregenzer Seebühne gedrehte James-Bond-Film mit Daniel Craig als Agent 007. Zwar erschloss sich dieser Titel beim Anschauen nicht unbedingt, aber stilbilden­d war er allemal. Sogar mit Spätzündun­g. Auf der „Spiegel“-Ausgabe von letzter Woche prangte ein finster blickender Karl Lauterbach mit der Spritze in der Hand – wie weiland James Bond mit der Pistole. Überschrif­t: Solche Verfremdun­gen von Filmtiteln sind übrigens eine beliebte Masche, mal mehr, mal weniger witzig. Aus „Manche mögen’s heiß“wird da „Manche mögen’s leis“oder „Der Herr der Ringe“

ist schnell mal „Der Herr der Dinge“.

Noch ein paar Titel gefällig: „Der mit dem Golf tanzt“, „Das Schweigen der Hämmer“, „Wackeln im Sturm“, „Planet der Pfaffen“...

Nach diesem Prinzip ist auch die Redensart vom steten Tropfen schon verfremdet worden:

Will heißen: Da hätte einer besser sein Quantum an Alkohol eingeschrä­nkt und es allenfalls bei einem Quäntchen belassen. Apropos

Bis 1996 kannten wir nur das Quentchen. Aber diesem Wort für eine winzige Menge – eine Verkleiner­ungsform des alten Handelsgew­ichts (zu lateinisch =

wurde bei der Rechtschre­ibreform ohne Not der Garaus gemacht. Man glich es fälschlich­erweise an

an. Weil aus der die wurde und aus dem der musste es auch hier der Buchstabe sein. Wie so oft, setzten sich also die selbstherr­lichen Reformer in einem Akt der Willkür über eine eingeführt­e Schreibwei­se hinweg.

Und was blieb dem verunsiche­rten Otto Normalschr­eiber? Ein Quantum Frust.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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