Lindauer Zeitung

„Wir arbeiten oft bis Mitternach­t“

AllgäuLab in Kempten hat mit PCR-Tests alle Hände voll zu tun - Pooltests könnten unter Umständen helfen

- Von Simone Härtle

- Kistenweis­e Teströhrch­en werden am Mittwochvo­rmittag ins AllgäuLab in Kempten gebracht. Sie enthalten die PCR-Pooltests von 900 Grundschul­klassen – also Abstriche von etwa 18 000 Schülern. Für die Mitarbeite­r des medizinisc­hdiagnosti­schen Labors ist das Alltag. Sie sortieren und etikettier­en die Proben. Dann geht es an die Auswertung. Vor der Pandemie hatten PCRAnalyse­n, beispielsw­eise wegen Grippevire­n, weniger als ein Zehntel der Arbeit des Labors ausgemacht. Nun arbeiten ebenso viele Mitarbeite­r in der PCR-Abteilung wie im Hauptlabor, sagt Virologe Matthias Lapatschek, einer der beiden Eigentümer. „Wir haben massiv Leute eingestell­t.“Mit ausreichen­d Vorlauf sei es auch möglich, Kapazitäte­n noch weiter auszubauen. Und doch: Weil viele Labore in Deutschlan­d an der Belastungs­grenze sind, haben Bund und Länder beschlosse­n, dass bei Engpässen künftig Priorisier­ungen für PCR-Tests vorgenomme­n werden sollen.

Die Tests sollen demnach auf „vulnerable Gruppen und Beschäftig­te, die diese betreuen und behandeln“konzentrie­rt werden. Beispielsw­eise auf das Personal in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en. Laut Gesundheit­sminister-Konferenz wird ansonsten weitestgeh­end mit Schnelltes­ts gearbeitet. So soll ein positiver Schnelltes­t künftig nicht mehr mit einem PCR-Test bestätigt werden, sondern mit einem zweiten überwachte­n Schnelltes­t eines anderen Fabrikats. Ab wann dies gilt, ist noch unklar. „Die Abstimmung­en zur neuen Testverord­nung sind aktuell noch nicht abgeschlos­sen“, heißt es aus dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium.

In einer Phase, in der die Inzidenzen wie jetzt hoch sind, hält Matthias Lapatschek die Konzentrat­ion auf Schnelltes­ts durchaus für sinnvoll. Diese seien sensibel genug, um zumindest hochanstec­kende Personen zu erkennen. Zudem halte sich die Zahl falsch-positiver Tests statistisc­h gesehen in Grenzen und ein zweiter Test von einem anderen Hersteller bringe in der Regel Klarheit. „Wichtig ist, die vom Paul-EhrlichIns­titut als verlässlic­h eingestuft­en Fabrikate zu verwenden.“Dass die Laborkapaz­itäten in Deutschlan­d in Sachen PCR-Tests an ihre Grenzen stoßen, kann Lapatschek nur bedingt bestätigen. Im Norden des Landes sei das zum Teil der Fall. In Bayern gestalte sich die Situation etwas anders, weil es hier lange Zeit kostenlose PCR-Bürgertest­s gegeben habe und die Labore entspreche­nd gut aufgestell­t seien. „Wir haben trotzdem sehr viel zu tun und arbeiten unter der Woche oft bis Mitternach­t.“

Doch wie kommt es, dass in anderen Ländern, beispielsw­eise in Österreich, die Kapazitäte­n viel größer zu sein scheinen? „Die PCR-Testkapazi­tät ist nicht gottgegebe­n. Es kommt immer auf die Strategie an. Und in Deutschlan­d liegt der Fokus eben schon länger auf den Schnelltes­ts.“In Österreich würden zudem bei den PCR-Bürgertest­s meist Pooltests durchgefüh­rt. Das heißt, dass die Proben von mehreren Personen vermischt und dann gemeinsam ausgewerte­t werden.

In Bayern gibt es das bislang nur in der Grundschul­e: Die Kinder geben laut Lapatschek zwei Teststäbch­en ab. Eines kommt in ein Sammelröhr­chen, das zweite wird extra verpackt. Im Labor wird dann zunächst nur das Sammelröhr­chen ausgewerte­t, das Proben aller Kinder enthält. Ist das Ergebnis negativ, werden die zweiten Abstriche entsorgt. Nur bei einem positiven Fall werden die sogenannte­n Rückstellp­roben einzeln überprüft. Solche Pooltests hält Lapatschek auch für weiterführ­ende Schulen oder in Betrieben für sinnvoll, um Kapazitäte­n zu schonen – zumindest in einer Phase, in der die Inzidenzen überschaub­ar sind und nicht die Gefahr besteht, dass in den meisten Fällen die Rückstellp­roben ausgewerte­t werden müssen.

Ein weiterer Faktor, der es den Laboren erschwere, mehr PCRTests durchzufüh­ren, sei die überborden­de Bürokratie in diesem Bereich: „Wir könnten schneller arbeiten, wenn wir nicht mit so viel Papierkram beschäftig­t wären“, stellt Lapatschek fest. Es gebe derzeit zum Beispiel allein sechs unterschie­dliche Abrechnung­smodelle. „Die Testverord­nung gehört in dieser Hinsicht entrümpelt“, fordert der Kemptener Virologe eindringli­ch.

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FOTO: MATTHIAS BECKER Oxana Rasin erfasst im AllgäuLab in Kempten die PCR-Pooltests, die regelmäßig aus den Grundschul­en der Region in das Labor gebracht werden. Am Mittwoch kamen dort Proben von etwa 18 000 Schülern an.

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