Vom Ausgerotteten zum Landschaftsgestalter
In der Region sind immer wieder Fraßspuren des Bibers zu finden – Nicht überall sorgen sie für Freude
- Zwei harte Schneidezähne, die bis zu dreieinhalb Zentimeter lang sein können und nie aufhören zu wachsen: Dem Biber macht in Sachen bissfestem Zahnschmelz keiner so schnell etwas vor. War der Nager am Bodensee durch die Jagd auf ihn einst ausgerottet, so ist er seit 2010 wieder dabei, sich in der Region fleißig anzusiedeln. Nicht selten hinterlässt er dabei unverkennbare Spuren durch anund abgenagte Baumstämme. Was manche Spaziergänger verzückt, weil sie sich erhoffen, auch das scheue Tier einmal zu Gesicht zu bekommen, sorgt bei anderen, wie etwa Landwirten, deren Obstbäume der Nager nicht immer verschont, für Ärger.
Welche Vor- und Nachteile die Ansiedlung des Bibers mit sich bringt, weiß eine Frau im Bodenseekreis ganz besonders gut: Claudia Huesmann ist eine von zwei Biberschutzbeauftragten des Kreises im Landratsamt. „Der Biber verändert als Gestalter seines Lebensraumes Gewässer und Gewässerauen. Dies wirkt sich positiv auf die Gewässerstruktur und dadurch auch positiv auf die Gewässer als Lebensraum für Tiere und Pflanzen aus. Die Gewässer werden vielfältiger, es entsteht ein in der Regel stärkerer Wechsel zwischen beruhigten Bereichen und durchströmten Bereichen, es bilden sich Flachwasserzonen und vieles mehr“, erläutert die Expertin. Nicht selten entstünden außerdem temporäre oder dauerhaft überstaute Bereiche in der Gewässeraue. „Diese werden häufig von den Artengruppen der Amphibien und Libellen oder anderen wirbellosen Tieren rasch besiedelt. Die Biber leisten somit einen erheblichen positiven Beitrag für die Erhaltung und Stärkung der Biodiversität“, sagt Huesmann.
Zudem gibt sie ein Beispiel für Vorteile, bei denen der Biber direkt dem Klimawandel entgegenwirken kann: „Durch eine Abflussverzögerung, die durch Biberdämme verursacht wird, kann periodisches Austrocknen von Gewässern vermieden oder zumindest minimiert werden. Dieser Effekt gewinnt mit einer zunehmenden zu erwartenden Auswirkung durch den Klimawandel an Bedeutung, denn anhaltende Trockenphasen, wie es diese jüngst 2019 und 2020 gab, werden sich prognostisch mehren“. Die Minimierung des Austrocknens von Gewässern wirke sich auch positiv auf den Bodenwasserhaushalt angrenzender Flächen aus. „Dadurch profitieren beispielsweise Land- und Forstwirtschaft“, fügt die Biberbeauftragte an.
Doch in der Landwirtschaft gibt es eben auch Nachteile durch den fleißigen Nager, räumt Claudia Huesmann ein. Dies sei der Fall, „wenn Flächen überstaut werden oder vernässen und dadurch eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung nur noch eingeschränkt oder nach Grad der Vernässung nicht mehr möglich ist“. Im Rahmen des Bibermanagements gibt es dann Abhilfemaßnahmen, wie etwa der Einbau von Dammdrainagen, meint die Expertin. In Einzelfällen würden Tiere auch aus Bachabschnitten vergrämt. Da Biber nicht nur an Stämmen knabbern, sondern auch ganze Bäume fällen – zum Bau von Dämmen und Burgen, aber im Winter auch zur Nahrung – kommt es auch zu Konflikten mit Obstanlagenbesitzern, bestätigt Huesmann. Doch auch hier gibt es ihr zufolge Abhilfe: „Obstanlagen können durch Elektrozäune wirkungsvoll vor dem Annagen durch Biber geschützt werden. Einzelne Bäume – wie Streuobstbäume oder gewässerbegleitende alte Bäume – werden mit einer sogenannten Drahthose versehen und dadurch vor Verbiss geschützt“, schildert sie. Auch sei ein Schutzanstrich mit einer Baumpaste möglich. Das Schutzmaterial wird, so die Biberbeauftragte, vom Land-Baden-Württemberg kostenlos zur Verfügung gestellt. Länger anhaltende Probleme zwischen Mensch und Biber kann Claudia Huesmann im Bodenseekreis nicht beobachten. Sie bestätigt zwar, dass sich „aufgrund des stetigen Anwachsens der Population“zwar die Probleme in der Kulturlandschaft mit den Tieren mehren, sagt jedoch auch, dass im Rahmen des Bibermanagements „bislang immer zufriedenstellende Lösungen für alle Beteiligten gefunden“wurden.
Doch wie viele Biber gibt es eigentlich in der Region? Schätzungsweise gebe es zwischen 75 bis 100 Reviere im Bodenseekreis, sagt Huesmann.
Claudia Huesmann, Biberschutzbeauftrage
„Jährlich kommen zwei bis drei Jungbiber zur Welt, wobei nicht immer alle Jungtiere überleben. Folglich wächst die Biberpopulation stetig an. Jungbiber müssen den Familienverband und damit den elterlichen Bau nach zwei Jahren verlassen. Sie begeben sich dann auf die Wanderschaft auf der Suche nach neuen und unbesetzten Revieren. Dort gründen sie selbst eine Familie“, erläutert sie. Die Besiedelungsdichte sei durch das stark territoriale Verhalten begrenzt, fügt sie an. So komme es also „nicht zu einer unbegrenzten Vermehrung, sondern zu einer natürlichen Regulierung der Population“. Auch Diplom-Biologe Gerhard Kersting, Geschäftsführer des Naturschutzzentrums Eriskirch, findet mit seinem Team immer wieder Biberspuren im Eriskircher Ried. „Neue Fraßspuren gibt es aktuell Richtung Schussen, Altwasser und an der Panzerbrücke“, berichtet er. Wie viele Biber es genau im Ried gibt, weiß Kersting jedoch nicht. „Die Bestandserfassung ist schon deshalb schwierig, weil Biber nachtaktiv sind“, erklärt der Biologe. Nur indirekt sei das zu beobachten, und zwar nach der einfachen Regel: „Wenn viel von Bäumen abgebissen ist, spricht es dafür, dass es dort auch viele gibt“. Im Ried finden die Biber offenbar viel Grünzeug zum Fressen. „Abgenagte Bäume halten sich hier in Grenzen im Vergleich zu anderen Gebieten“, sagt Gerhard Kersting. „Wo der Spaß aufhört, das ist natürlich, wenn er an Obstbäume geht“, meint auch er. Gerade erst habe es so einen Fall im Kreis gegeben, bei dem ein Biber unter Zäunen durchgeschlüpft sei und 20 bis 30 Obstbäume gefällt habe – in solchen Fällen kommt dann das Bibermanagement des Kreises ins Spiel.
„Doch im Ried sind die Probleme, wie gesagt, moderat. Staudämme baut der Biber, der ja insgesamt schon landschaftsgestaltend unterwegs ist, hier nicht, da sowohl die Schussen als auch der Bodensee dafür zu groß sind“, sagt er. Und auch Kersting betont, was Claudia Huesmann ebenfalls sagt: „Als Biologe und als Naturschützer ist es schön zu sehen, dass es die Biber, die ausgerottet waren, nun wieder gibt und die Wiederansiedlungsprojekte erfolgreich waren.“Damit diese auch weiterhin erfolgreich bleiben, ist der Biber, wie Huesmann auch noch einmal hervorhebt, streng geschützt. Und das ist sogar per Paragraf 44 im Bundesnaturschutzgesetz verankert. „Ein eigenmächtiges ,Herumhantieren’ an Dämmen und Burgen ist nicht zulässig und eine Straftat“, sagt die Biberbeauftragte. Bei Problemen können sich Bürgerinnen und Bürger indes immer an das Bibermanagement im Landratsamt wenden.
Wer weitere Informationen rund um den Biber braucht oder tatsächlich ein Problem auf dem eigenen Grundstück mit den Nagern hat, kann sich im Landratsamt unter der Nummer 07541 / 204 32 01 melden oder auch auf der entsprechenden Homepage stöbern: www.bodenseekreis.de/ umwelt-landnutzung/ natur-landschaftsschutz/biber