„Den saubersten Diamanten bekommen Sie aus dem Labor.“
- So also sieht ein Diamant aus dem Reaktor aus: Um einen dunklen Kern formiert sich eine Kristallschicht, im Inneren ist das Quadrat glatt und glänzend, außen uneben und matt, alles in allem aber schon vorstellbar als edle Krönung auf einem Ring. „Wenn man einen Schmuckdiamanten daraus herstellen wollte, würde man die Ränder mit dem Laser entfernen und den inneren Bereich schleifen“, erklärt Peter Knittel. Der 34-Jährige ist jedoch kein Juwelier, der seinen Kunden funkelnde Kostbarkeiten auf einem Samtkissen präsentiert, sondern Chemiker am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik. Was genauso nüchtern klingt, wie das Betongebäude des Instituts in einem Freiburger Gewerbegebiet auch anmutet. Blanke Steinböden und kahle Gänge, dazu reichlich Fensterflächen, die den funktionalen Eindruck noch verstärken. Hier soll aber auch gar nicht geträumt, sondern geforscht werden. Wenn auch für die Herstellung eines Produktes, das wie kaum ein anderes die Fantasie der Menschen beflügelt.
Diamanten entstehen gewöhnlich unter Extrembedingungen im Erdinneren, unter gewaltigem
Druck und Temperaturen von mehr als 1000 Grad, über Zeiträume von Hunderten Millionen Jahren. Durch Vulkanausbrüche und Eruptionen werden die Steine an die Erdkruste gespült, wo sie seit Angedenken von den Menschen begierig eingesammelt werden.
Schon in der Antike galten sie als Zeichen von Reichtum und Macht. Maharadschas in Indien sollen sie bereits Jahrhunderte vor Christus als Talismane gehütet haben. Kleopatra, Königin von Ägypten, wird eine Neigung zu grünen Smaragden nachgesagt, was nicht minder für die Schauspielerin (und KleopatraDarstellerin) Elizabeth Taylor galt, die von ihrem Ehemann Richard Burton Edelsteine im Wert von insgesamt 45 Millionen Euro geschenkt bekam. Der Diamant als Symbol der Liebe und der Ewigkeit, soll das eine doch so lange dauern wie das andere. Burton und Taylor heirateten übrigens zweimal und ließen sich auch zweimal scheiden, doch das nur am Rande.
Mythos und Magie des Edelsteins sind bis heute ungebrochen und werden ständig genährt. Erst kürzlich wurde „The Enigma“, der größte geschliffene Diamant der Welt öffentlich ausgestellt,
555,55 Karat schwer, laut Experten vor 2,6 Milliarden Jahren durch den Einschlag eines Meteoriten oder Asteroiden auf der Erde entstanden. Schon im Mittelalter haben Träumer und Trickser versucht, diese Zeitspannen durch Alchemie zu verkürzen, was damals scheitern musste. Erst im 20. Jahrhundert gelang durch moderne Technik die Züchtung synthetischer Diamanten, die in der Industrie Verwendung finden, zum Schneiden, Bohren oder Schleifen, weil es keinen härteren Stoff gibt, keinen, der Wärme besser leitet.
Heutzutage wird die Methodik zur Diamantenherstellung immer präziser und ausgetüftelter, wobei in Deutschland der Süden als führend gilt. So konnten vor einigen Jahren Augsburger Forscher den größten Diamanten der Welt züchten, in Form einer Scheibe und den Ausmaßen eines Bierdeckels. Aber statt in Millionen Jahren in nur wenigen Tagen entstanden und mit der gleichen chemischen Zusammensetzung wie ein Exemplar aus dem Erdreich. Die Kollegen in
Freiburg stehen dieser
Fertigkeit in nichts nach.
Zur Anschauung führt „Alchemist“Peter
Knittel in den Keller des Fraunhofer-Instituts, wo in einem schmalen Raum drei Aluminiumkessel stehen, die passend zu ihrer Hinkelsteinform von den Forschern auf Asterix,
Obelix und Miraculix getauft wurden. Statt mit Zaubertrank wird ein Reaktor jedoch mit einem kleinen Diamanten bestückt, auf den bei hoher Temperatur und Einwirkung von Mikrowellenstrahlen ein Gemisch aus Methan und Wasserstoff fällt. Wodurch Schicht für Schicht ein lupenreines Exemplar entsteht. „Den saubersten Diamanten bekommen Sie aus dem Labor“, sagt Knittel. „Der natürliche Diamant dagegen ist immer unperfekt.“Weil über Millionen Jahre die Einschlüsse von Fremdstoffen und Gasen seine Makellosigkeit verhindern.
Erst die synthetische Reinheit ermöglicht jedoch, dass die Kristalle in Zukunft als Ausgangsmaterial für Quantensensoren oder Halbleiterelemente dienen, für die Kontrolle elektronischer Mikroschaltkreise oder die Analyse fehlerhafter Festplatten. Weil die extrem kleinen Diamanten auch bei hohen Temperaturen stabil und sensitiv bleiben. „Ein besseres Material gibt es nicht“, betont Knittel. Aber gilt das auch für die großen Klunker in einer Schmuckvitrine?
Das Fraunhofer-Institut hat in der Vergangenheit wiederholt Projekte für den Schmuckmarkt entwickelt, einst auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geschliffene und polierte Diamant-Kristalle überreicht. Vor allem Asien und Amerika gelten als Wachstumsmärkte, genaue Angaben gibt es aber nicht, der Handel mit Diamanten war schon immer schwer zu durchschauen, zudem umstritten, umkämpft und auch abenteuerlich.
Mögen Edelsteine zwar seit Beginn der Zivilisation Begehren wecken, nimmt der moderne Handel seinen Anfang 1866, als auf den Feldern der Brüder De Beers in Südafrika Diamanten gefunden wurden. Von Glücksrittern und Schürfern überrannt, aber am Diamantenfieber nicht interessiert, verkauften die frommen Brüder Farm und Land. Ihr Name jedoch blieb, weil Cecil Rhodes (nach ihm wurde Rhodesien, heute Simbabwe, benannt) in das Geschäft einstieg und federführend die De Beers Consolidated Mines Limited gründete. 100 Jahre lang sollte De Beers ein Monopol auf den weltweiten Diamantenhandel halten.
In den 1940er-Jahren kreierte das Unternehmen den Slogan „A Diamond is forever“, um für Verlobungsringe mit Diamanten zu werben, mit bis heute durchschlagender Wirkung, seit geraumer Zeit auch hierzulande. Und wenn Marilyn Monroe „Diamonds Are A Girl’s Best Friend“sang oder Shirley
Peter Knittel, Fraunhofer-Institut
Bassey stimmgewaltig und durchaus überzeugend intonierte „Diamonds Are Forever“, profitierte von dem Werbeeffekt ausschließlich De Beers, das dank des Monopols auch jederzeit das Angebot künstlich verknappen und die Preise anheben konnte. De Beers gilt noch immer als der größte Produzent und Händler von Diamanten, das Monopol allerdings ist gebrochen.
Dadurch können die Preise von Rohdiamanten unter Druck geraten, im Schnitt geben die Menschen für ein Karat zwischen 4000 und 6000 Dollar aus, bei extrem hoher Qualität auch mehr als 16 000 Dollar. Künstlich hergestellte Steine dagegen gibt es inzwischen sogar schon für rund 800 Dollar das Karat. Aber nicht nur wegen der Preise ist der Ravensburger Diamantenhändler und geprüfte Gutachter Michael Mohn (fancydiamond) überzeugt: „Die synthetischen Diamanten werden den Markt erobern.“Weil das Marketing der großen Unternehmen dem Verbraucher die vermeintlichen Vorteile verkaufe; nachhaltig, umweltfreundlich, ethisch und konfliktfrei. Womit die Nachteile natürlicher Steine auf der Hand liegen.
Um Diamanten dem Boden zu entreißen, gräbt der Mensch gewaltige Löcher, die vom All aus zu erkennen sind, die in Ausmaß und Anmutung an Science-FictionFilme erinnern, in denen Raumschiffe die Erde bombardieren. Hunderte Millionen Liter Wasser jährlich verbraucht der Raubbau, Hunderte Millionen Tonnen Erde müssen abgetragen werden, um das wertvolle Gut zu bergen. Von Menschen, die zumindest an manchen Orten wie Ameisen und von Schlamm bedeckt dem Traum nach Reichtum hinterherjagen, wovon Fotos und Filmaufnahmen zeugen. Ende der 1990er-Jahre kam zudem die Diskussion auf über „Blutdiamanten“aus afrikanischen Minen. Diamanten, die in Verbindung stehen mit Kinderarbeit, Schmuggel und der Finanzierung blutiger Bürgerkriege. Auch De Beers sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, sich nur wenig
um Herkunft und Historie der
Ware zu scheren. Der öffentliche Druck führte schließlich zum Kimberley-Prozess, wodurch sich Minenkonzerne und Staaten verpflichteten, keine geschmuggelten Diamanten in Umlauf zu bringen.
Klimawandel und Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und moralisch korrektes Verhalten beeinflussen heute in vielen Fällen die Kaufentscheidung, warum also nicht bei einem Edelstein. Diamantengutachter Mohn warnt jedoch davor, jeder vermeintlich guten Tat auch Glauben zu schenken. „Schon die CO2-Bilanz eines natürlichen Diamanten ist um mehr als 60 Prozent besser im Vergleich zu einem synthetischen Diamanten gleicher Größe“, betont er, verbraucht Letzterer beim Wachstum im Reaktor doch reichlich Energie.
Auch Dieter Hahn, Chef der ältesten Diamantenschleiferei Deutschlands (Ph. Hahn Söhne) aus Idar-Oberstein kann der Künstlichkeit nur wenig abgewinnen. „Ein synthetischer Diamant hat einen Preis, aber keinen Wert“, sagt der 81-Jährige am Telefon. „Einen natürlichen Diamanten können Sie immer wieder veräußern“, fährt er fort. „Aber versuchen Sie mal einen synthetischen zu verkaufen.“
Peter Knittel können die Turbulenzen auf dem Schmuckmarkt nicht tangieren, im FraunhoferInstitut zeigt er einen Computerchip auf Diamantbasis. Auch eine Form der Wertigkeit, zukunftsträchtig und beliebig reproduzierbar. Aber genau wegen dieser Gleichförmigkeit teilt der Chemiker mit so vielen Menschen die Faszination für natürliche Diamanten. „Man hat dabei diese Einzigartigkeit“, sagt Knittel. Einzigartig, weil wie ein Fingerabdruck der Natur, über Millionen Jahre und in glühender Hitze im Erdinneren geformt, später kunstvoll geschliffen und gestaltet. Oft hört der 34Jährige scherzhaft von Bekannten und Freunden, die über seinen Arbeitsplatz wissen, „ihr müsst ja sagenhaft reich sein“. Oder: „Bring mir doch mal einen Diamanten mit.“Seiner Frau hat er tatsächlich mal einen mitgebracht, aber nicht aus dem Keller und von Obelix. Weil für den Ehering, und deshalb unperfekt und für die Ewigkeit.