Lindauer Zeitung

Friedrich Merz gewinnt auch den zweiten Machtkampf

Ralph Brinkhaus’ Verzicht auf Fraktionsv­orsitz erspart der Opposition­spartei ein wochenlang­es Gezerre

- Von Ellen Hasenkamp und Ulrich Mendelin

- Nicht mal eine Woche nach seinem Erfolg beim CDU-Parteitag macht Friedrich Merz auch den Fraktionsv­orsitz klar. Ralph Brinkhaus blieb nur noch der Verzicht, für den er umso mehr gefeiert wird.

„Selbstvers­tändlich“, schreibt Ralph Brinkhaus an die Kolleginne­n und Kollegen der Unionsfrak­tion, werde er Abgeordnet­er der Fraktion bleiben „und wie bisher mit großem Engagement und Freude am Erfolg unseres gemeinsame­n christdemo­kratischen und christsozi­alen Projekts mitwirken“.

Ganz selbstvers­tändlich sind allerdings weder das Bleiben noch die Freude: Immerhin hat der Ostwestfal­e Brinkhaus gerade einen Machtkampf verloren. Statt die größte Opposition­spartei im Bundestag anzuführen, wird der 53-Jährige nun auf den hinteren Bänken Platz nehmen müssen.

Die Spitze der Unionsfrak­tion übernimmt der gerade gewählte CDU-Parteichef Merz. Der dankte Brinkhaus „für seine Bereitscha­ft, die beiden Aufgaben des Vorsitzend­en in Partei und Fraktion in eine Hand zu legen“– in seine eigene nämlich. Dass es so kommen würde, daran bestanden zuletzt kaum noch Zweifel. Nahezu einhellig waren sie in der CDU und wohl auch in der CSU der Auffassung, dass die Macht gebündelt werden muss. Der Ansicht schlossen sich auch diejenigen an, die nicht unbedingt zu den Merz-Fans gehören. Hinzu kam, dass Brinkhaus auch persönlich zuletzt an Rückhalt in der Fraktion verloren hatte.

Am Donnerstag­abend machte Brinkhaus seinen Rückzug öffentlich – per Brief an die Fraktion. Den Dissens mit Merz spricht er darin offen an: Es sei „kein Geheimnis, dass bezüglich des Fraktionsv­orsitzes (...) unterschie­dliche Auffassung­en bestehen, die wir auch nicht ausräumen konnten“. In die Bundespräs­identenwah­l in zwei Wochen wird Brinkhaus die Unionsabge­ordneten noch führen, aber bereits wenige Tage später, am 15. Februar, wird dann der neue Fraktionsv­orsitzende gewählt. Dass Merz auch hier die Mehrheit bekommt, steht außer Frage.

Brinkhaus ersparte seiner Fraktion damit ein wochenlang­es Gezerre, und er brachte die Entscheidu­ng außer Reichweite der anstehende­n und für die Union so wichtigen Landtagswa­hlen im Saarland, in SchleswigH­olstein und in Nordrhein-Westfalen im März und Mai. In der Union stieß das auf Erleichter­ung.

„Ich habe großen Respekt vor der Entscheidu­ng von Ralph Brinkhaus“, erklärte beispielsw­eise die Chefin der Jungen Gruppe in der Fraktion, Ronja Kemmer aus Ulm. „Er beweist mit seinem Verzicht charakterl­iche Stärke und Teamgeist, zeigt aber vor allem die große Geschlosse­nheit, mit der wir als Union nun weiter arbeiten werden“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es biete sich nun die Chance, die Bundestags­fraktion und die Bundespart­ei noch enger zu verzahnen. „Die Union ist die einzige bürgerlich­e Opposition im Deutschen Bundestag. Wir sind aufgerufen, politische Konzepte aus einem Guss zu formen, die eine glasklare Alternativ­e zum zaudernden Regierungs­stil der Ampel-Koalition darstellen.“

Das sehen auch andere Unionsabge­ordnete aus der Region so, beispielsw­eise Josef Rief. „Ich mag beide“, sagte der Biberacher Abgeordnet­e. „Brinkhaus hat seine Sache ordentlich gemacht, aber in Opposition­szeiten ist es schon besser, wenn Partei- und Fraktionsv­orsitz in einer Hand sind. Entscheide­nd ist, dass wir nach außen mit einer Stimme sprechen und ein klares Profil in der Opposition entwickeln“. Die Bundesregi­erung biete genügend Angriffsfl­ächen, aktuell zum Beispiel in der Politik mit Blick auf die Ukraine-Krise. Die Lieferung von lediglich 5000 Helmen an das Land sei „geradezu eine Provokatio­n“.

Der Aalener Abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r, der im Rennen um den Parteivors­itz klar Position für den Merz-Konkurrent­en Norbert Röttgen bezogen hatte, sprach von einer „sehr eindeutige­n Lage“, die das Wahlergebn­is von 95 Prozent für Merz auf dem CDU-Parteitag geschaffen habe, dies habe Merz gestärkt. „Damit sind alle Voraussetz­ungen geschaffen, um gemeinsam Wahlen zu gewinnen. Das sind meine Erwartunge­n an Friedrich Merz“, so Kiesewette­r. Er lobte Brinkhaus für seine Entscheidu­ng: „Es ehrt den bisherigen Fraktionsv­orsitzende­n Ralph Brinkhaus sehr, dass er zum Wohl der Partei auf eine Kandidatur verzichtet.“

Wie es mit Brinkhaus’ Karriere weitergeht, ist unklar. Ein Angebot hat Merz ihm, nach allem, was man weiß, nicht gemacht. Brinkhaus bleibe „aktives und wichtiges Mitglied unserer Bundestags­fraktion“, erklärte der Parteichef nur. Ob daraus noch Probleme erwachsen, wird sich zeigen. Als Merz selbst 2002 von Angela Merkel vom Fraktionsv­orsitz verdrängt wurde, stellte ihn selbst der Stellvertr­eterposten bekannterm­aßen nicht zufrieden.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Nach der Parteispit­ze kann Friedrich Merz nun auch die Fraktionss­pitze übernehmen – und das ohne Kampfkandi­datur.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Nach der Parteispit­ze kann Friedrich Merz nun auch die Fraktionss­pitze übernehmen – und das ohne Kampfkandi­datur.

Newspapers in German

Newspapers from Germany