Lindauer Zeitung

Hitler-Video und rassistisc­he Witze geteilt

Ein 26-jähriger und ein 53-jähriger Oberallgäu­er haben verbotene Inhalte verschickt

- Von Kerstin Futschik

- Adolf Hitler bei einer Wahlrede – das zeigt das Video, das ein 26-jähriger Oberallgäu­er im Mai 2019 an eine Gruppe des OnlineNach­richtendie­nstes Whatsapp verschickt hat. Ebenfalls im Sommer 2019 leitete ein 53-jähriger Oberallgäu­er rassistisc­he Witze über Juden und Menschen mit dunkler Hautfarbe an einen Freund weiter. Dieser teilte eine der Nachrichte­n mit einer Gruppe. Beide Fälle landeten nun vor dem Amtsgerich­t Kempten.

Hitler-Videos oder Parolen der Nationalso­zialisten gelten als Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen. Sie zu verbreiten, ist strafbar. Wird damit gleichzeit­ig die Menschenwü­rde anderer angegriffe­n, liegt Volksverhe­tzung vor – ebenfalls eine Straftat.

Der 53-Jährige, der wegen beider Vergehen vor Gericht stand, räumte die Taten ein, ließ aber seinen Anwalt für sich sprechen. Dieser bestritt, dass eine Straftat vorliegt: „Die Staatsanwa­ltschaft sagt, dass erst ab einer Gruppe von mehr als fünf Personen ein Strafbefeh­l beantragt wird.“Der Angeklagte hatte die rassistisc­hen Witze nicht selbst an die Gruppe geschickt, sondern einem befreundet­en Kollegen.

Staatsanwa­lt und Verteidige­r diskutiert­en, inwieweit der Angeklagte die Verbreitun­g seiner Nachrichte­n in Kauf genommen hatte. Richterin Natascha Schmidt unterbrach daher die Verhandlun­g, um den Freund des Angeklagte­n als Zeugen zu vernehmen. Wann der Prozess weitergeht, steht noch nicht fest.

In beiden Fällen entdeckten Polizisten die Nachrichte­n, als sie im Rahmen anderer Verfahren Handys ausgewerte­t hatten. Laut Jahresberi­cht des Polizeiprä­sidiums Schwaben

Süd/West zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät im Jahr 2020 kämen derartige Delikte häufig auf diese Weise ans Licht.

Der überwiegen­de Teil dieser Straftaten spiele sich im Internet ab und habe in den vergangene­n Jahren massiv zugenommen, sagt Polizeispr­echer Holger Stabik. In den „Filterblas­en“im Internet bekämen die betreffend­en Personen keine Gegenrede und würden Dinge als normal empfinden, „bei denen längst rote Linien überschrit­ten sind.

Der 26-jährige Oberallgäu­er, der noch zu Hause lebt, bestritt jedoch die Tat. Er behauptete, sein Handy zu Weihnachte­n einem Familienmi­tglied überlassen und erst im darauffolg­enden Herbst zurückerha­lten zu haben. Außerdem gehöre er in keiner Weise einer rechtsradi­kalen Gruppierun­g an.

Die zuständige Polizeibea­mtin sagte aus, dass die Handynumme­r, mit der das Video verschickt wurde, eindeutig dem Angeklagte­n zugeordnet werden konnte. Daher wertete die Staatsanwä­ltin die Aussage des Angeklagte­n als Schutzbeha­uptung und forderte eine Geldstrafe

Zuordnung: Hakenkreuz­e und Hitler-Videos zu verbreiten, gehört – genau wie Volksverhe­tzung – zu den Propaganda­delikten, ein Bereich der politisch motivierte­n Kriminalit­ät.

Fälle: Laut Jahresberi­cht des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät wurden 2020 in dessen Bereich 163 Propaganda­delikte registrier­t – 2019 waren es noch 109. Ermittlung: Ein Großteil der Straftaten

in Höhe von 70 Tagessätze­n à 40 Euro.

Der Verteidige­r zeigte sich entrüstet: Wenn für eine Verurteilu­ng ausreiche, dass die Nummer auf seinen Mandanten zugelassen war, „machen wir unserem Rechtsstaa­t das Licht aus“. Richter Sebastian Kühn sprach den Mann schuldig und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätze­n à 50 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

Handy und SIM-Karte, an die die Nummer gebunden ist, seien nicht gleichzuse­tzen, sagte Kühn. Dass der Angeklagte beides weggegeben haben soll, sei seiner Ansicht nach unglaubhaf­t. Keine Rolle spiele hier, dass er keinen rechtsradi­kalen Gruppen angehöre. Die Erfahrung der Gerichte zeige, dass solche Inhalte oft nur versendet werden, weil die betreffend­en Personen das für lustig hielten.

Polizeispr­echer Holger Stabik bestätigt das: Derartige Inhalte würden oft unreflekti­ert weiterverb­reitet. „Die Sprache weist Verrohungs­tendenzen auf und verfällt mehr und mehr in Extreme“, beobachtet Stabik.

findet in Sozialen Netzwerken und Online-Nachrichte­ndiensten statt. Laut Polizeispr­echer Holger Stabik ist die Aufklärung­squote höher als etwa bei Sachbeschä­digungen mit Hakenkreuz-Schmierere­ien.

Gewalt: Der Anteil der Gewaltdeli­kte ist laut Stabik verhältnis­mäßig gering. Laut Jahresberi­cht wurden 2020 vier Fälle erfasst, 2019 waren es noch neun Fälle.

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