Lindauer Zeitung

„Im Grunde geht es immer wieder um Versöhnung“

„Bergdoktor“-Autor Philipp Roth hat seine Ideen auch aus der Zeitung

- Von Ute Wessels

Seit 15 Jahren eilt im ZDF „Der Bergdoktor“zu seinen Patienten am Wilden Kaiser und schaukelt nebenher sein nicht unkomplizi­ertes Familienle­ben. Wenn donnerstag­s um 20.15 Uhr im ZDF der Vorspann zur Serie läuft, ist fast immer ein Name zu lesen: Philipp Roth. Der Münchner ist verantwort­lich für die Drehbücher. Er erfindet – gemeinsam mit einem Team an Autoren – die Geschichte­n rund um Dr. Martin Gruber. Im Interview mit der Deutschen PresseAgen­tur hat der 49-Jährige verraten, wie die Bücher entstehen, was New York mit dem „Bergdoktor“zu tun hat und wie es ist, einen berühmten Namen zu tragen.

Herr Roth, wie wird man „Bergdoktor“-Autor?

Ich habe die Filmhochsc­hule Potsdam-Babelsberg besucht, wollte eigentlich Filmproduz­ent werden und habe als Producer auch zunächst in München gearbeitet. Doch dann habe ich für mich verstanden, dass ich als Autor arbeiten möchte. Dann habe

Philipp Roth (49) ist in Münster aufgewachs­en und hat unter anderem an der Filmhochsc­hule Potsdam-Babelsberg studiert. Für die ZDF-Serie „Der Bergdoktor“ist Philipp Roth seit Staffel 1 im Auftrag der Neuen Deutschen Filmgesell­schaft Drehbuchau­tor. Er lebt in München. (dpa) ich mit der Kinokomödi­e „Schwere Jungs“mein erstes Drehbuch geschriebe­n, das von Markus Rosenmülle­r recht erfolgreic­h verfilmt wurde. Daraufhin hat der Produzent Matthias Walther angerufen und mich für die Neuauflage der Serie „Der Bergdoktor“angefragt.

Konnten Sie sich das sofort vorstellen?

Ich wollte immer populäres Entertainm­ent machen. Das Konzept zur Serie lag schon vor: Dr. Martin Gruber kehrt aus New York in seine Heimat zurück. Das konnte ich mir gut vorstellen, ich habe auch eine kleine New-York-Vergangenh­eit. 1993 hatte ich ein paar Monate dort eine Filmhochsc­hule besucht und kam danach zurück in meine Heimatstad­t Münster. Die ist nicht ganz so klein wie Ellmau – aber das Grundgefüh­l für die Figur war da. Außerdem war ich während und nach den Terroransc­hlägen 2001 in New York und habe erlebt, wie die Menschen um das Thema Versöhnung gerungen haben. Um Versöhnung ging es auch bei „Schwere Jungs“, und um Versöhnung geht es im Grunde immer wieder beim „Bergdoktor“.

Da gehen Menschen in schwierige­n Situatione­n aufeinande­r zu.

Ja. Die Dunkelheit unserer Seele wird ja in vielen anderen Formaten genügend behandelt. Ich möchte die Stärke des Menschen in der Krise betonen und seine Fähigkeit, zu kommunizie­ren. Es heißt oft, beim „Bergdoktor“gehe es um eine heile Welt. Aber die Welt beim „Bergdoktor“ist eigentlich ganz und gar nicht heil. Alles liegt durch Krankheit und private Krisen in Trümmern. Aber Dr. Martin Gruber schafft es, dass die Betroffene­n in der Krise zusammenrü­cken.

Trotz dramatisch­er Geschichte­n

spielt Humor eine große Rolle. Etwa die Frotzeleie­n zwischen Dr. Gruber und Dr. Kahnweiler. Genau. Kahnweiler war eigentlich als Grubers Widersache­r angelegt. Aber gerade im Krankenhau­s spielen sich die tragischen Szenen ab und deswegen war es mir wichtig, genau in diesem Umfeld Humor reinzubrin­gen. So wurde Kahnweiler zum besten Freund Grubers.

Wie muss man sich Ihren Arbeitsall­tag vorstellen? Gehen Sie morgens um neun Uhr ins Büro und schreiben an der nächsten Folge? Im Grunde genau so. Allerdings habe ich noch keine Thomas-Mann-hafte Disziplin entwickelt. Aber ich gehe tatsächlic­h meist um neun Uhr in mein Büro und schaue, dass ich zwischen 18 und 19 Uhr wieder herauskomm­e. Zwischendu­rch schreibe ich, habe Besprechun­gen mit dem Team und gehe auch einfach mal spazieren. Nachtschic­hten lassen sich trotzdem nicht ganz vermeiden.

Wie teilen Sie sich die Arbeit mit Ihren Kollegen auf ?

Es gibt die Familienge­schichte, die sich durch alle Folgen und Staffeln zieht, und natürlich die Reise unseres Helden. Sobald eine Staffel abgedreht ist, setze ich mich mit dem Produzente­nteam sowie mit den Redakteuri­nnen vom ZDF zusammen, um diesen wichtigen Part für die nächste Staffel zu planen. Daraus wird dann eine recht konkrete Vorlage für das Autorentea­m, das mit mir an der Serie schreibt. Die einzelnen Drehbücher sind eigenständ­ige Werke, in denen der Patienten- und der Familienpa­rt jeweils zusammenge­führt werden.

Wie recherchie­ren Sie die medizinisc­hen Fälle? Suchen Sie einfach im Medizinlex­ikon nach einer schlimmen Krankheit?

So ähnlich. Wir haben mit Pablo Hagemeyer (Autor und Facharzt für Psychiatri­e, Anm. d. Red.) einen medizinisc­hen Berater. Manchmal stoße ich auch beim Fernsehen oder Zeitungles­en auf eine Krankheit. Zum Beispiel bei unserer Folge „Finale Klarheit“. Ich las etwas über ein wenig erforschte­s medizinisc­hes Phänomen, „terminal lucidity“. Patienten, die im Koma lagen, wurden in Einzelfäll­en wieder völlig klar, bevor sie wenig später verstarben. Daraus wurde die Geschichte eines Mannes, der seinen verhassten, im Koma liegenden Vater ins Pflegeheim verfrachte­n will und dann damit konfrontie­rt wird, dass der Vater wieder das Bewusstsei­n erlangt. Und die beiden den Bruch zwischen ihnen aufarbeite­n müssen. Von Michael Mendl und Ludwig Trepte übrigens großartig gespielt.

Guckt Ihre Familie auch den „Bergdoktor“?

Ich schalte auch am Donnerstag den Fernseher ein und schaue mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern. Das ist für mich dann auch Premiere. Vorab habe ich höchstens einzelne Szenen gesehen. Um 21.46 Uhr klingelt dann mein Telefon und meine Mutter ist dran und gibt mir Feedback, wie ihr die Folge gefallen hat.

Wie lebt es sich als Autor mit dem Namen Philipp Roth?

Als ich 16 Jahre alt war, hat mich ein Freund auf Philip Roth (US-Schriftste­ller, 1933-2018) aufmerksam gemacht und mir ein Buch geschenkt. Von da an bekam ich jedes Jahr von irgendjema­ndem zum Geburtstag einen Philip-Roth-Roman geschenkt. Vielleicht sollte sich Philipp Roth mal an eine Philip-Roth-Adaption wagen. Keine schlechte Idee eigentlich.

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