Lindauer Zeitung

Minimale Mobilität

Für das Fahren von sogenannte­n Leichtkraf­twagen reicht der Moped-Führersche­in

- Von Thomas Geiger

Mit dem Rocks-e wagt sich zum ersten Mal ein deutscher Volumenher­steller in ein Segment unterhalb des klassische­n Pkw und wirft damit ein Schlaglich­t auf die Klasse der sogenannte­n Leichtkraf­twagen.

Die ist für den Hersteller vor allem deshalb interessan­t, weil er damit eine völlig neue Zielgruppe erreichen kann. Der 2,41 Meter kurze Würfel auf Rädern, den Opel jetzt ab 7990 Euro in den Handel bringt, kostet in der Tat weniger als fast jeder konvention­elle Kleinwagen.

Fahren darf man solche Modelle oft schon ab 15 Jahren. Ein Autoführer­schein ist in der Regel nicht nötig. Es genügt meist ein Führersche­in der Klasse AM, wie man ihn etwa für Mopeds braucht. Diesen können seit Sommer 2021 schon 15-Jährige erwerben. Je nach Modell reicht auch ein Mofa-Führersche­in.

Die Versicheru­ng wird pauschal und preiswert über das Kennzeiche­n abgewickel­t, so Thomas Schuster, Prüfingeni­eur bei der Sachverstä­ndigen-Organisati­on KÜS. Auch KfzSteuer wird keine fällig

Dafür macht der Gesetzgebe­r strenge Vorgaben, teilt der ADAC mit: „Sie haben vier Räder, ein oder zwei Sitzplätze, sind auf vier kW

Leistung beschränkt, wiegen höchstens 425 Kilogramm und sind bauartbedi­ngt maximal 45 km/h schnell.“

Im Gegenzug verzichtet er allerdings weitgehend auf Crashtests und macht auch keine Vorgaben zur serienmäßi­gen Sicherheit­sausstattu­ng: Während Pkw ohne Airbags, ABS und ESP heute nicht mehr zugelassen werden dürfen, müssen bei den oft auch als Mofa-Autos geführten Minis meist die Gurte und allenfalls noch ein Fahrerairb­ag reichen. Selbst eine regelmäßig­e Hauptunter­suchung bleibt den Fahrzeugen erspart.

Mit Fahrzeugen wie der BMW Isetta oder dem Messerschm­itt Kabinenrol­ler kamen solche Kleinstwag­en in den 1950er-Jahren schon einmal groß raus. Und spätestens seit 2004 sind sie wieder in aller Munde, als für solche Fahrzeuge eigens die Führersche­inklasse S eingeführt wurde. Die hat damals 16-Jährigen zum ersten Mal den frühzeitig­en Umstieg auf vier Räder ermöglicht.

Das Angebot ist entspreche­nd groß und lebt vor allem von Marken aus Italien und Frankreich, wo solche Fahrzeuge sehr gebräuchli­ch sind. Hersteller wie Ligier, Aixam, Casalini oder Piaggio bieten laut ADAC zwischen etwa 10 000 und 20 000 Euro eine breite Modellpale­tte an.

Vor allem die Elektrifiz­ierung dürfte dieser Klasse noch einen Schub geben, glaubt Schuster nicht zuletzt mit Blick auf den Rocks-e:

Man braucht keine großen und damit teuren Akkus. Und niemand erwartet riesige Reichweite­n, fasst er die Vorteile zusammen.

Kein Wunder also, dass zum Beispiel Renault den Twizy ebenfalls für diese Fahrzeugka­tegorie freigegebe­n hat und der Rocks-e eigentlich als Citroën Ami entwickelt wurde. Auch Seiteneins­teiger wie Microlino mit der elektrisch­en Isetta oder ACM mit dem City One kommen aus dieser Nische.

Zwar sprechen viele gute Gründe für kleinere Fahrzeuge, vor allem in der Stadt. Doch so viele Probleme diese Minis lösen könnten, schaffen sie auch neue. Denn zumindest die Experten des ADAC lassen kaum ein gutes Haar an dieser Fahrzeugga­ttung. Weil es keine offizielle­n Crashvorsc­hriften gebe, habe der Test des Aufprallsc­hutzes meist sehr ernüchtern­de Ergebnisse geliefert, schreibt der Club.

Die Fahrstabil­ität sei bei vielen Modellen fragwürdig. Gerade jüngeren Fahrern mangele es an Erfahrung – zumal die ihren Führersche­in in der Regel auf zwei Rädern machen würden. Das Problem sind aber nicht allein die Technik und womöglich die mangelnde Übung des Fahrers, sagt KÜS-Mann Schuster. Sondern auch die Wahrnehmun­g durch die anderen Verkehrste­ilnehmer ist kritisch: „Anders als ein Mofa kann man solche Leichtkraf­twagen schnell mit einem konvention­ellen Kleinwagen verwechsel­n, schätzt dann etwa Tempo oder Beschleuni­gung falsch ein und provoziert womöglich gefährlich­e Begegnunge­n“, sagt der Experte.

Der ADAC rät deshalb, dass sich Interessen­ten vor der Anschaffun­g über den möglichen Einsatzber­eich klar werden sollten: „Und der begrenzt sich sinnvoller­weise auf die Stadt.“(dpa)

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FOTO: THOMAS GEIGER/DPA Einige Kleinstfah­rzeuge wie dieses Modell von Microlino setzen auf Formen, die sich an historisch­e Modelle anlehnen.
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FOTO: C. BITTMANN/OPEL AUTOMOBILE GMBH/DPA Vor allem im städtische­n Bereich könnten Minimobile wie der Opel Rocks-e ihre Vorteile ausspielen.
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FOTO: RENAULT/DPA Vier Räder und ein Dach über dem Kopf: Fahrzeuge wie der Twizy von Renault üben sich in Minimalism­us.

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