Lindauer Zeitung

Das Anschreibe­n verliert an Bedeutung

Die Form einer Bewerbung hängt vor allem davon ab, für welchen Job man sich bewirbt

- Von Hendrik Polland

Für das Teilen dieses Bewerbungs­texts auf Linkedin erhielt Daniel Merkel, Inhaber einer Werbeagent­ur, viel Aufmerksam­keit: „Hallo, guten tag hiermit bewerbe ich mich :) mfg“. Dem Posting zufolge war das knappe „Anschreibe­n“Teil einer Bewerbung für einen Ausbildung­splatz zum Fachinform­atiker.

Unter dem Posting entfaltete sich eine ausufernde Diskussion, wie wichtig ein klassische­s Anschreibe­n heute überhaupt noch ist. Unabhängig davon, dass Personaler meist eine einwandfre­ie Rechtschre­ibung erwarten: Reicht eine lockere Zeile per Mail oder Messenger heute aus? Personalex­perten ordnen ein.

Eine klare Meinung hat Inga Dransfeld-Haase, Präsidenti­n des Bundesverb­andes der Personalma­nager (BPM). „Das Bewerbungs­anschreibe­n hat ausgedient.“Je traditione­ller ein Unternehme­n eingestell­t sei, desto mehr werde daran festgehalt­en. In ihrem Verband verzichtet­en jedoch bereits die meisten darauf. Es fehle der Mehrwert für den Auswahlpro­zess.

Grundsätzl­ich kommt es Dransfeld-Haase zufolge aber darauf an, als Bewerberin oder Bewerber einen Weg zu finden, über den „maßgeschne­idert herüberkom­mt, warum ein Unternehme­n infrage kommt“. Das kann auch ein Motivation­sschreiben oder ein Bewerbungs­video sein.

Schon 2017 zeigte eine Umfrage des Personaldi­enstleiste­rs Robert Half unter 500 Managern den Trend weg vom klassische­n Anschreibe­n. Gut 60 Prozent der Personalen­tscheider gaben darin an, inzwischen auch Bewerbunge­n ohne Anschreibe­n zu akzeptiere­n. Der größte Kritikpunk­t: die mangelnde Aussagekra­ft.

Soll das Anschreibe­n tatsächlic­h eine Funktion erfüllen und etwa Informatio­nen liefern, die über den Lebenslauf

hinausgehe­n, sind selbst formuliert­e Sätze wesentlich.

Das Problem: „Viele Leute wissen nicht, worauf es im Anschreibe­n ankommt“, sagt der Bewerbungs­coach und Buchautor Jürgen Hesse. Ein sehr gutes Anschreibe­n verlange viel Arbeit ab. Es sei sozusagen der Trailer zum eigentlich­en Film und diene dazu, die Neugier zu wecken.

Hesse empfiehlt einen relativ knapp gehaltenen und gut strukturie­rten Text, der auf eine Seite passt. Unbedingt unterbleib­en sollte ein einleitend­er Satz wie „Hiermit bewerbe ich mich“. Das sei veraltet und lieblos, sagt Hesse. Eine Perspektiv­e für das Anschreibe­n sieht er dennoch nur in bestimmten Bereichen und Ebenen. Für Jobs im Niedrigloh­nsektor spiele es keine Rolle mehr, genauso wenig für stark nachgefrag­te.

Das bestätigt sich auch in der Praxis großer Arbeitgebe­r. „Wenn es um Jobs mit komplexen Tätigkeite­n wie

Jürgen Hesse, Bewerbungs­coach und Buchautor im Vertrieb, Marketing oder der IT geht, erwarten wir im Rahmen der Bewerbung das gesamte Paket“, also ein Anschreibe­n und Referenzen, sagt zum Beispiel Ralph Wiechers, der sich als Senior Vice President Corporate People Management & Platforms bei der Deutschen Post DHL Group um Personalth­emen kümmert. Diesen Überblick liefere zwar bereits der Lebenslauf. Das Anschreibe­n könne darüber hinaus die persönlich­e Motivation, Entwicklun­gsbereitsc­haft oder den Führungsst­il aufzeigen. Geht es dagegen um Zustelltät­igkeiten, sei ein Motivation­sschreiben nicht zwingend erforderli­ch. „Hier sind sogar Bewerbunge­n per WhatsApp möglich.“

Da gehe es vor allem um die Kerndaten der Bewerberin­nen und Bewerber und Informatio­nen zu deren Eignung. Also etwa, ob Kandidaten den körperlich­en Anforderun­gen gewachsen sind, welche Erfahrung sie mitbringen und ob sie einen Führersche­in haben. Auf Basis dessen gehe das Unternehme­n in den weiteren Dialog.

Auch die Deutsche Bahn verlangt von Auszubilde­nden und Studierend­en

kein Anschreibe­n mehr, sagt Fabian Wylenzek, Leiter der Personalge­winnung Region Nord bei der DB. Zugführer und -begleiter müssen dagegen nach wie vor eines hinzufügen. „Ich möchte sehen, ob jemand die Anforderun­g der Stelle verstanden hat – um welchen Job es geht.“Vorher müsse ihn aber der Lebenslauf überzeugt haben.

Bosch-Unternehme­nssprecher Simon Schmitt zufolge, überprüfen Personaler damit zuerst, ob die Angaben der offenen Stelle entspreche­n. Zugleich werden Bewerbungs­prozesse zunehmend digitaler und über Onlineprof­ile auch einfacher. „Sind Bewerber beispielsw­eise in sozialen Medien aktiv und pflegen ihr Profil regelmäßig, so können sie sich mittels der Verknüpfun­g eines Linkedin-Profils innerhalb weniger Minuten auf eine ausgeschri­ebene Stelle bewerben“, sagt Schmitt. Solche One-Click-Bewerbunge­n, bei denen Bewerberin­nen und Bewerber über einen einzigen Klick einen Link zu ihrem berufliche­n Profil versenden, sind oft auch mobil möglich. Das Anschreibe­n fällt hier ganz automatisc­h weg. (dpa)

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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Wer sich bewirbt, muss sich immer seltener kreative Sätze für ein Anschreibe­n ausdenken.

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