Balance zwischen Partei und Amt
Nach Jubel und Konfetti war den Grünen am Wochenende nicht zumute. Schnörkellos verabschiedeten sie ihre beiden Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck am Freitag. Schnörkellos empfingen sie die beiden Neuen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, am Samstag im Amt. Tulpen, Dankesreden und allerlei Umarmungen, das war’s. Das war Corona geschuldet, klar. Doch nicht nur deswegen fiel die Feier knapp aus.
Für Baerbock und Habeck liegt der Fokus schon längst woanders. Während die Chefdiplomatin Deutschlands in den vergangenen Wochen mit den außenpolitischen Brandherden dieser Welt beschäftigt war, erklärte der Klimaschutz- und Wirtschaftsminister den Bürgern, worauf sie sich energietechnisch werden einstellen müssen. Die Grünen sind voll aufs Regieren gepolt. Das Machtzentrum der Partei hat sich ins Kabinett verschoben.
Das war bereits in der ersten Regierungsbeteiligung unter SPDKanzler Gerhard Schröder so. Damals verlor die Partei an Relevanz, die Parteivorsitzenden führten ein Schattendasein. Aus diesen Fehlern wollen Lang und Nouripour lernen und es anders machen. Regieren ist besser als nicht regieren: Das wird wohl auch so ziemlich jedes Parteimitglied so sehen. Doch zu welchem Preis?
Mit dieser Frage werden Lang und Nouripour oft konfrontiert werden. Umso wichtiger ist es, dass sie die richtige Balance aus Eigenständigkeit und Loyalität gegenüber der Regierung finden. Sie werden der Basis möglicherweise nicht nur schmerzhafte Kompromisse erklären müssen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass das basisdemokratische Profil der Partei nicht leidet. Sie werden eigene Akzente setzen, die Minister aber auch glänzen lassen müssen.
Die wichtigste Aufgabe aber ist der Machterhalt. In vier Jahren soll das mit der Kanzlerschaft klappen. Darauf werden die Chefs die Partei vorbereiten müssen. Die Grünen sind keine Programmpartei mehr. Auch das machte der Parteitag deutlich. Die Grünen sind Regierungspartei – und sie wollen es bleiben.