AfD sortiert sich nach Meuthens Abgang neu
Bisherige Unterstützer des ausgetretenen Ex-Parteichefs suchen neue Leitfigur – Chrupalla will Vorsitzender bleiben
- Nach dem überraschenden Parteiaustritt des langjährigen Vorsitzenden Jörg Meuthen sammelt sich die AfD langsam. Tino Chrupalla, Co-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und seit dem Rückzug Meuthens jetzt vorübergehend alleiniger Parteichef, versucht im ZDF die Richtung vorzugeben: „Insgesamt, sag ich ganz ehrlich, hat Jörg Meuthen mit dem heutigen Tage die Spaltung der AfD beendet.“Er werde die Partei jetzt „zusammenführen und zusammenhalten“.
Der Parteieintritt der langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach in die AfD als direkte Reaktion auf Meuthens Austritt ist für Chrupalla ein erster kleiner Erfolg. Allerdings ist Steinbach seit fast vier Jahren die Vorsitzende der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Überraschend kommt ihre formale Mitgliedschaft in der AfD daher nicht.
Ob Chrupalla derjenige sein wird, der die Partei zusammenhält und -führt, ist keineswegs sicher. Und das nicht nur, weil die Frage im Raum steht, ob das überhaupt noch jemand leisten kann. Besonders relevant wird sie mit Blick auf das Vakuum, das Meuthen hinterlässt sowie das Lager der Partei, für das er stand. Joana Cotar, Mitglied im Bundesvorstand und vor Meuthens Austritt eine enge Verbündete, sagt im Gespräch: „Es muss uns gelingen, einen Konsens-Bundesvorstand zu finden, der sich weniger streitet.“Sie selbst möchte in diesem eine „führende Rolle übernehmen“.
Eine solche Führungsrolle sieht sie auch für Chrupalla, der bereits angekündigt hat, erneut als Parteichef kandidieren zu wollen. Allerdings wünscht sich Cotar, „dass er mehr auf die freiheitlich-konservativen in der Partei zugeht“. Gesetzt im neuen Bundesvorstand ist für die 48Jährige der frühere Generalleutnant Joachim Wundrak, mit dem sie sich als Spitzenkandidaten-Duo für die
Bundestagswahl beworben hatte, aber Chrupalla und Alice Weidel unterlag.
Ambitionen auf eine Führungsrolle könnte auch Rüdiger Lucassen hegen. Der ehemalige BundeswehrOberst hat kürzlich angekündigt, nicht erneut für den Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen kandidieren zu wollen. „Mit meinen frei werdenden Ressourcen werde ich mich verstärkt meiner politischen Arbeit in Berlin widmen“, schrieb er an die Mitglieder. Damit kann er seine Rolle als verteidigungspolitischer Sprecher meinen – oder zusätzlich eine Führungsposition in der Bundespartei.
„Wir müssen insgesamt strategiefähiger werden, Schwerpunktthemen besetzen und am Image arbeiten“, sagte Lucassen der „Schwäbischen Zeitung“. Die Doppelspitze beim Parteivorsitz sei dazu nicht mehr in der Lage. „Wir brauchen klare Verantwortung und eine straffe und schlagkräftige Struktur.“
Ein Solo-Parteichef findet lagerübergreifend zwar Sympathien, doch die Hürden für die erforderliche Satzungsänderung liegt mit ZweidrittelZustimmung auf einem Bundesparteitag hoch.