Lindauer Zeitung

Sparkassen am Pranger

Verbrauche­rschützer werfen Instituten falsche Zinsberech­nungen bei Prämienspa­rverträgen vor

- Von Wolfgang Mulke

- Im Fach Zinsberech­nungen heißt es „ungenügend“, im Fach Fairness „mangelhaft“. So sieht das Zeugnis der Sächsische­n Verbrauche­rzentrale, des Verbrauche­rportals Finanztip und der Organisati­on Finanzwend­e für die Sparkassen in Deutschlan­d aus. Symbolisch übergaben sie dem Deutschen Sparkassen­und Giroverban­d nun die schlechten Noten. Grund ist ein anhaltende­r Streit zwischen den Instituten und Kunden über die Zinsberech­nung bei Prämienspa­rverträgen. „Etliche Sparkassen haben versucht, ihre Kunden über den Tisch zu ziehen“, wirft Finanztip-Chefredakt­eur Hermann Tenhagen den Instituten vor.

Nach Einschätzu­ng der Verbrauche­rschützer haben die Sparkassen bei Hunderttau­senden Prämienspa­rverträgen über viele Jahre zu wenig Zinsen berechnet. In vielen Fällen geht es um beträchtli­che Beträge im vierstelli­gen Bereich. In einem Extremfall erstritt eine Kundin nach Angaben der sächsische­n Verbrauche­rzentrale sogar 96 000 Euro. Die Sparkassen säßen trotz eines Urteils des Bundesgeri­chtshofes zugunsten der Sparer das Problem einfach aus. „Sie setzen darauf, dass die Kunden mit ihren Ansprüchen wegsterben“, sagt Tenhagen.

Wie viele Betroffene es gibt, ist nicht bekannt. Die Bundesfina­nzaufsicht (Bafin) ging von einer Million Kunden aus. Eine Verfügung der Bafin an die Sparkassen, die Betroffene­n über die Sachlage zu informiere­n, wird nach Angaben der Verbrauche­rschützer nicht befolgt. Darüber

müssen wohl erst Gerichte entscheide­n. An Arbeit für die Justiz mangelt es in dieser Sache nicht. Allein die Verbrauche­rzentrale Sachsen hat schon acht Musterfest­stellungsk­lagen mit rund 5000 Klägern eingereich­t. Weitere sechs Massenklag­en liegen in anderen Regionen an. Im Kern geht es um die Frage, ob die Berechnung der Verzinsung angemessen ist. Eine wichtige Entscheidu­ng könnte im Mai fallen, wenn über eine Klage gegen die Sparkasse in Leipzig verhandelt wird.

Mit ihrer Kampagne wollen die Verbrauche­rschützer betroffene Kunden nun besser über ihre Rechte und die Chancen auf die Durchsetzu­ng ihrer Ansprüche informiere­n. Die Zeit drängt. Nach drei Jahren verjähren etwaige Ansprüche. Wurden Verträge zum Beispiel Ende 2018 gekündigt, gehen noch bestehende Ansprüche daraus Endes dieses Jahres verloren. Finanzwend­e-Sprecher Julian Merzbacher fordert von den Sparkassen nun, auf eine Verjährung zu verzichten und Abschlagsz­ahlungen für eine zu erwartende Nachverzin­sung zu leisten.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverban­d (DSGV) verweist auf noch ausstehend­e Urteile über den maßgeblich­en Zinssatz, an dem sich die Berechnung der Zinsen für die Kunden orientiere­n soll. Der Verband sieht keine finanziell­en Nachteile für die Sparer. „Die Gesamtverz­insung einschließ­lich Prämie lag beim Prämienspa­ren erheblich über dem Marktnivea­u“, teilt der SDGV auf Anfrage mit. Die Verzinsung sei je nach Marktentwi­cklung angepasst worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany