Emma kämpft sich ins Leben zurück
Achtjährige ist nach drei Monaten im Koma erwacht
- Urlaub in Italien. Es sind schöne Tage. Genießen, Erholen, Abschalten. Die Laune könnte nicht besser sein. Schade nur, dass die Tage so schnell vorüberziehen. Aber nun geht es zurück ins Ostallgäu, nach Wald. Es ist Abend. In Höhe Padua gerät die Familie mit ihrem Wagen in einen Stau. Michael Maier schaltet die Warnblinkanlage an. Plötzlich: ein furchtbarer Knall. Ein tonnenschwerer SUV prallt gegen das Heck ihres Autos.
Der vierjährige Sebastian, der in wenigen Tagen Geburtstag feiern sollte, stirbt an der Unfallstelle. Seine Schwester Emma, sieben Jahre alt, wird schwerstverletzt. Es sind Bruchteile von Sekunden, die das Leben der Familie für immer verändern.
Emma wird in eine Klinik in Padua gebracht, später nach Kempten verlegt. Sie liegt im Koma. An ihrem achten Geburtstag liegt sie im Krankenhaus. Ende September wird sie in einer Spezialklinik für Komapatienten aufgenommen. Diese befindet sich in Vogtareuth, zwischen Rosenheim und Wasserburg am Inn gelegen, rund 170 Kilometer von Wald entfernt.
Täglich erhält das Mädchen dort ihre Therapien. „Je früher man damit anfängt, umso besser“, sagt Vater Michael Maier. Ihre Mutter Stephanie ist Tag und Nacht bei ihr. Ihre Arbeit als OP-Schwester im Klinikum Kempten ruht seitdem.
Michael Maier konnte die erste Zeit nach dem dramatischen Ereignis nicht arbeiten. Inzwischen fährt er wieder nach Sulzberg zum Rührwerk-Hersteller Suma, wo er als Industriemechaniker tätig ist. „Das lenkt ab“, sagt er. Auch, dass das ganze Dorf Anteil am Schicksal nehme, unterstütze sehr, sagt er. Die Trauer bleibt dennoch groß.
Jedes Wochenende fährt er nach Vogtareuth, mietet sich in einer Pension ein, besucht Tochter und Frau, die er während der Woche nur über das Handy sieht und spricht. Noch steht nicht fest, wie lange das Mädchen in der Klinik bleiben wird. Also heißt es, weiter zu pendeln. Zum Glück ermögliche ihm sein Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten, sagt er. Er ist dankbar dafür. Dankbar für so Vieles, was er und die Familie seit dem Unfall erfahren. Sei es das persönliche Wort oder auch die finanzielle Unterstützung allein schon für die Fahrt- und Übernachtungskosten. Eine Kollegin seiner Frau kümmere sich sehr intensiv darum, sie habe sich mit der Thematik vertraut gemacht und dadurch auch die Verbindung zum Allgäuer Hilfsfonds hergestellt. Er tritt dann ein, wenn nach schweren Schicksalsschlägen wie diesem eine Finanzierungslücke entsteht, weil etwa Versicherungen und Krankenkassen nicht die komplette Summe tragen. Auch der Sozialdienst des Krankenhauses in Vogtareuth unterstütze nach Kräften.
Denn Hilfe braucht Emma noch viel. Sie ist ein Pflegefall. Sie kann sich nicht bewegen, ihr Kopf muss im Rollstuhl gestützt werden. Deshalb wird nun für sie ein Spezialrollstuhl angefertigt, damit sie mit ihren Eltern für einen Spaziergang nach draußen kann und ihre Eltern mit ihr auch etwas mobiler sind. Diesen Rollstuhl wird sie auch brauchen, wenn sie nach Hause nach Wald zurückkehrt. Doch ihr Zimmer liegt im ersten Stockwerk. Der Einbau eines Treppenlifts ist angedacht.
„Wir sind noch völlig am Anfang unserer Überlegungen“, sagt Maier. Ein Experte soll deshalb feststellen, was mit geringem Aufwand machbar ist, wo vielleicht umgebaut werden muss. Die Kosten für die Maßnahmen lassen sich nicht abschätzen. Nur eines steht fest: Günstig wird es nicht. Das weiß jeder, der sein Haus oder seine Wohnung seniorengerecht verändern will. Oder wenn jemand, wie Familie Maier, ein Fahrzeug sucht, das sich rollstuhlgerecht umbauen lässt.
Michael Maier hatte mit einem Kleinbus geliebäugelt, aber den hat ihm jemand vor der Nase weggeschnappt. Der Markt an neuen und gebrauchten Autos ist im Moment fast wie leer gefegt, was Maiers Situation nicht einfacher macht. Wo es geht, will der Allgäuer Hilfsfonds unterstützen – sei es finanziell oder auch mit Rat und Tipps. Er hat auch ein Spendenkonto eingerichtet.
„Das Geld, das da hereinkommt, geht eins zu eins an die Familie“, versichert Schatzmeister Simon Gehring. „Uns ist wichtig, dass wir den Menschen schnell und unbürokratisch in dieser schweren Zeit helfen können.“Und noch etwas weiß er: „In einer solchen Situation wie dieser halten die Allgäuer zusammen.“
Auch das ist für Familie Maier ein Lichtblick. Noch größer ist allerdings die Freude darüber, dass Emma nach drei Monaten im Koma wieder erwacht ist. Ein Pflegefall wird sie vorerst bleiben. Keiner weiß, wie lange und welche Fortschritte sie machen wird. Michael und Stephanie Maier sind über kleinste Verbesserungen glücklich. „Emma reagiert schon auf unsere Ansprache. Sie schaut zu dem hin, der etwas zu ihr sagt“, schildert der Vater. Sie versuche, mit dem Kopf zu folgen. Leichteste Bewegungen seien erkennbar. Ihren Zustand fasst er so zusammen: „Emma kann noch nichts selbst machen. Aber wir merken, sie kämpft sich ins Leben zurück.“