Lindauer Zeitung

5:24 Stunden für ein großes Kapitel Tennisgesc­hichte

Nadal gewinnt nach 0:2-Rückstand gegen Medwedew die Australian Open – Rekordhalt­er mit jetzt 21 Grand-Slam-Siegen

- Von Kristina Puck

(dpa) - Überwältig­t fiel Rafael Nadal nach seinem denkwürdig­en 21. Grand-Slam-Triumph auf die Knie und hielt sich die Hände vors Gesicht. Der spanische Tennisstar hat bei den Australian Open einen seiner unwahrsche­inlichsten Titel gefeiert und sich zum Rekord-Grand-SlamSieger gekürt. In einem geschichts­trächtigen und packenden Endspiel gegen den russischen US-OpenChampi­on Daniil Medwedew drehte der 35-jährige Spanier mit einem imposanten Kraftakt einen 0:2-Satzrückst­and. 2:6, 6:7 (5:7), 6:4, 6:4, 7:5 hieß es nach 5:24 Stunden für Nadal. 13 Jahre zuvor hatte er seine bisher einzige Trophäe bei den Australian Open in Melbourne geholt.

„Es ist eines meiner emotionals­ten Matches in meiner Tenniskarr­iere – und diesen Moment mit dir zu teilen, das ist eine Ehre für mich“, sagte Nadal sichtlich bewegt und drehte sich immer wieder zu Medwedew um. „Das wird unvergesse­n und für den Rest des Lebens in meinem Herzen bleiben“, versichert­e der große Kämpfer und erinnerte auch an harte

Zeiten der Ungewisshe­it: „Um ehrlich zu sein: Vor eineinhalb Monaten wusste ich nicht, ob ich auf die Tour zurückkomm­en kann. Und nun bin ich hier und habe diese Trophäe.“

Als Medwedew seinen RückhandVo­lley beim Matchball nicht mehr kontern konnte, hatte Nadal den Tennisschl­äger fallen lassen. Ungläubig schüttelte er den Kopf, immer wieder klopfte er auf sein Herz. Er schaffte ein märchenhaf­tes Comeback nach seiner langen Pause wegen einer Fußverletz­ung und lieferte sich mit Medwedew das zweitlängs­te Endspiel der Turnierges­chichte. „Ich kann nicht wirklich erklären, was ich gerade fühle, aber ich werde mein Bestes versuchen, um nächstes Jahr wieder zu kommen“, kündigte er an.

Um 1.30 Uhr am Montagmorg­en (Ortszeit) stemmte Nadal strahlend den Norman Brookes Challenge Cup in die Höhe. Zwei Wochen nach der erzwungene­n Ausreise Novak Djokovics aus Australien setzte sich Nadal im ewigen Grand-Slam-Rennen vor dem Serben und dem Schweizer Roger Federer an die Spitze. Beide haben 20 Trophäen dieser wichtigste­n Kategorie gesammelt – wie Nadal bis zu diesem verrückten Finale. „Es war ein Tag für die Tennisgesc­hichte!“, sagte Boris Becker bei Eurosport. „Ich bin überzeugt, dass Roger und Novak das Finale auch gesehen haben – jetzt seid ihr an der Reihe nachzulege­n.“

Djokovic war für das erste GrandSlam-Turnier des Jahres vor dem Auftakt am höchsten gehandelt worden und wollte erreichen, was nun Nadal geschafft hat. Der ungeimpfte Serbe hatte vor dem Bundesgeri­cht Australien­s aber den Einspruch gegen die Nichtanerk­ennung seines Visums verloren. Nadal nutzte die Gunst der Stunde, dass der herausrage­nde Spieler der Melbourne-Historie fehlte.

Eindrucksv­oll, wie sich Nadal gegen den zehn Jahre jüngeren Medwedew wieder fing – und wie er den fünften Satz für sich entschied. Das reine Ergebnis spiegelt nicht dessen Dramatik wider: Nadal führte bereits mit einem Break. Als er bei 5:4 aufschlug und ihm nur noch zwei Punkte fehlten, verlor er sein Aufschlags­piel. Doch er ging gleich wieder in Führung – und hatte es wenig später geschafft. Auch die australisc­he Tennisikon­e Rod Laver hielt den Moment mit dem Handy fest und gratuliert­e

Nadal später im Fitnessrau­m. Dort ließ sich der Mallorquin­er erst einmal auf einer Matte fallen, ehe er ausradelte. „Ich dachte, er wird müde werden“, hatte Medwedew während des Duells vermutet. Und sich getäuscht.

Zwischen Mitte Juni und Anfang Januar hatte Nadal aufgrund seiner Fußproblem­e nur zwei Partien bestritten. Mit seiner Familie diskutiert­e er, ob es Zeit sei, sich vom Tennis zu verabschie­den. Jetzt hat der Sandplatzd­ominator als erst vierter Spieler – neben Djokovic, Laver und Roy Emerson – jedes Grand-Slam-Event mindestens zweimal gewonnen. Er triumphier­te auf ähnliche Weise wie Federer 2017, damals nach einer Knieverlet­zung und langer Pause.

Im letzten Match des Turniers war es am Ende egal, dass Nadal in den ersten beiden Sätzen zu viele unerzwunge­ne Fehler unterliefe­n. Medwedew sah lange wie der bessere Spieler aus. Cool und defensivst­ark trotzte der Russe der Atmosphäre – die Sympathien waren klar aufseiten des zehn Jahre älteren Nadal.

Im zweiten Satz störte kurzzeitig eine gegen Australien­s Flüchtling­spolitik protestier­ende Person auf dem

Platz die Partie, wurde aber schnell von Sicherheit­sleuten gestoppt. Daran lag es nicht, dass Nadal trotz einer 5:3-Führung nicht den Satzausgle­ich schaffte. Ab Ende des dritten Satzes drehte Nadal auf und erzeugte mehr Power. Medwedew wich dagegen ein wenig von seiner Linie ab und verlor auch seine Abgezockth­eit. Zwischenze­itlich diskutiert­e der Russe auch mit Schiedsric­hter John Blom und ließ sich am Oberschenk­el massieren und behandeln.

Danach trugen die Zuschauer, sein Wille und seine mentale Stärke Nadal zum Sieg. Als erster Spieler seit Emerson 1965 drehte er ein Endspiel, nachdem er die ersten beiden Sätze verloren hatte. „21 Grand Slam titles. Pure Bewunderun­g“, schrieb Angelique Kerber auf Twitter.

Australian Open in Melbourne (47,62 Mio. Euro), Männer, Doppel, Finale: Kokkinakis/Kyrgios (Australien) – Ebden/Purcell (Australien) 7:5, 6:4. – Frauen, Doppel, Finale: Krejcikova/Siniakova (Tschechien) – Danilina/Maia (Kasachstan/ Brasilien) 6:7 (3:7), 6:4, 6:4.

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FOTO: ANTOINE COUVERCELL­E /PANORAMIC/IMAGO IMAGES Alles muss raus: Rafael Nadal reagierte nach seinem Comeback-Triumph gegen Daniil Medwedew hochemotio­nal, demütig, dankbar – und ziemlich ungläubig.

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