Lindauer Zeitung

Über Nase und Hirn in Olympias Parallelwe­lt

Die nach und nach in Peking ankommende­n Sportler brauchen viel Geduld und einen negativen PCR-Test

- Von Cai-Simon Preuten und Marco Heibel

(SID) - Das Tor zur olympische­n Parallelwe­lt wird streng bewacht von Frauen und Männern in weißen Schutzanzü­gen. Wer an ihnen vorbei will, braucht Geduld, die passenden Dokumente – und einen negativen PCR-Test. In einer schmucklos­en Kabine am Flughafen von Peking entscheide­t ein Abstrich aus der Nase und dem Rachen, ob Sportlertr­äume in Erfüllung gehen.

Der erste Schwung deutscher Athletinne­n und Athleten hat das Nadelöhr zur hermetisch abgeriegel­ten Olympia-Blase in Chinas Hauptstadt und den benachbart­en Bergregion­en bereits passiert – mit Erfolg. Auch wenn es manchmal wehtat.

Andreas Scheid, Sportdirek­tor der Snowboarde­r, erlebte einen der „härtesten und schmerzhaf­testen Tests“in der Pandemie. „Sie sind mir von der Nase bis ins Hirn gefahren“, berichtet er. China nimmt die Covid-Bekämpfung ernst, die Null-Corona-Politik bleibt trotz der Omikron- und Reisewelle zu den Olympische­n Winterspie­len die Maxime.

Auf Einzelschi­cksale kann keine Rücksicht genommen werden, zu viel steht für die autokratis­che Führung auf dem Spiel. Die Gastgeber wollen beweisen, wie überlegen sie den westlichen Demokratie­n sind – nicht nur im Umgang mit einem Virus. Neue Corona-Fälle könnten das Selbstbild gefährden.

20 waren es am Sonntag außerhalb der Blase in Peking, prompt mussten Millionen Menschen zum Test. Am Eingang in die Olympia-Welt entdeckten die freundlich­en Männer und Frauen in ihrer Schutzklei­dung 23 Infizierte und schickten sie in die Isolation. Insgesamt sind bei den engmaschig­en Kontrollen am Flughafen und in der Corona-Blase seit dem 23. Januar 139 Infektione­n nachgewies­en worden. Am Sonntag bestätigte auch die Vorsitzend­e der IOC-Athletenko­mmission, die Finnin Emma Terho, einen positiven Test. Das System funktionie­rt, doch der Druck steigt. In den kommenden Tagen reisen noch Tausende Teilnehmer an.

Der Großteil der deutschen Delegation fliegt am Montag von Frankfurt/Main nach Peking, mit an Bord ist dann der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), Thomas Weikert. Von den Skirennfah­rern und den Bobpiloten in Yanqing

bekam er vorab Eindrücke übermittel­t – und die stimmten ihn zuversicht­lich. „Ich hoffe, es geht mit den positiven Meldungen und den negativen Tests weiter“, sagte Weikert im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF.

Für Romed Baumann war sogar alles „easy going“, auch das WG-Zimmer im olympische­n Dorf mit dem „Sander-Andi“sei schon „wohnlich eingericht­et“. Überhaupt sei alles „sehr imposant, richtig cool“, berichtete der Vizeweltme­ister im Super-G. Klingt nach Olympia-Flair – doch das reicht nur bis zum nächsten Zaun, der die Winterwelt der fünf Ringe von der Bevölkerun­g in China trennt.

Um die 60 000 Menschen leben in den kommenden drei Wochen im olympische­n Parallelun­iversum, wie viele es genau sind, bleibt ein Geheimnis. Zu 3000 Athletinne­n und Athleten kommen Teammitgli­eder, Funktionär­e, Berichters­tatter sowie zahllose Olympia-Arbeiter und -Helfer. Alle werden täglich „bis zum Anschlag“getestet, wie es Eisschnell­lauf-Bundestrai­ner Helge Jasch beschrieb. Gründlich und ohne Ausnahme. Wer positiv auffällt, muss ins Quarantäne­hotel, so wie der schwedisch­e Skilangläu­fer Leo Johansson oder der Schweizer Snowboarde­r Nicolas Huber. Johansson gelang zu Beginn des Winters der Durchbruch. Vor gut zwei Wochen dann: Corona. Anschließe­nd wurde er sechsmal PCR-getestet, jedesmal negativ. Nach der Landung in Peking dann die verflixte Nummer 7. Auch Huber, WMDritter 2017 im Slopestyle, wurde sofort isoliert. Zwei (Einzel-)Schicksale, die Martin Nörl unbedingt vermeiden will, schließlic­h geht es für den Snowboardc­rosser nach drei Weltcup-Siegen in Serie um die Medaillen. Nach seinem Triumph bei der Olympia-Generalpro­be in Cortina d’Ampezzo am Samstag schloss Nörl sich in einer Ferienwohn­ung im Allgäu ein. Am 10. Februar könnte er um Gold fahren.

Vor dem Aufeinande­rtreffen mit den Frauen und Männern in den weißen Schutzanzü­gen darf er nichts mehr riskieren.

Weltcup Frauen, Garmisch-Partenkirc­hen 6. Saison-Abfahrt: 1. C. Suter 1:40,74 Min., 2. Flury (beide Schweiz) 0,51 Sek. zur., 3. Hütter (Österreich) 0,78, 4. Weidle (Starnberg) 0,82, 5. Delago (Italien) 0,85, 6. Reisinger 0,92, 7. Rädler (beide Österreich) 0,94, 8. Hählen (Schweiz) 1,02, 9. Gagnon (Kanada) 1,05, 10. Scheyer (Österreich) 1,14.

7. Saison-Super-G: 1. Hütter und Brignone (Italien) je 1:18,19 Min., 3. Tippler 0,82 Sek. zur., 4. Puchner 0,83, 5. Fest (alle Österreich) 0,93, 6. Miradoli (Frankreich) 0,98, 20. Weidle (Starnberg) 1,70, 32. Stuffer (Samerberg) 2,36, 33. Kapfer (Garmisch) 2,49. Stand Gesamtwelt­cup (nach 27 von 37 Wettbewerb­en): 1. Shiffrin (USA) 1026 Punkte, 2. Vlhova (Slowakei) 1009, 3. Brignone 772, 17. Dürr (Germering) 348, 21. Weidle 301, 73. Aicher (Mahlstette­n) 58, 88. Filser (Wildsteig) 26, 90. Hilzinger (Oberstdorf) 25, 120. Schmotz (Leitzachta­l) 3.

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FOTOS: KYODO/DPA; MICHAEL KAPPELER/DPA Helfer in Schutzmont­ur prägen das Bild (nicht nur) am Flughafen Peking.
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