Windkraft aus Balkonien
Kleine Windanlagen brauchen wenig Platz – Effizient sind sie aber nur an gewissen Standorten
- Sie haben ganz unterschiedliche Formen. Mal sehen sie aus wie Ventilatoren unter einem Schutzgitter, mal drehen sich schlank gewundene Metallblätter um eine Achse, mal durchschneiden kurze Rotorblätter die Luft. Diese kleinen Windkraftanlagen sind keine Erfindung der heutigen Zeit. Schon vor 800 Jahren nutzten Menschen die natürliche Energie des Windes. Nur trieben die Windräder keine Generatoren zur Stromerzeugung an, sondern Pumpen oder Mühlen.
Die Minikraftwerke passen vom Platzbedarf her auf einen Balkon. Das bringt manchen Verbraucher auf die Idee, damit einen Teil des eigenen Strombedarfs zu erzeugen. Doch so einfach ist die private Energiewende leider nicht. „Das ist Spielerei“, sagt Reinhard Lock, Energieeffizienzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, „viele verwechseln es mit kleinen Solaranlagen.“
Die Sonnenenergie lässt sich auch im kleinen Rahmen problemlos gewinnen. Es bedarf nur weniger Schritte, um den eigenen Strom zu erzeugen. Komplette Anlagen gibt es für wenige Hundert Euro. Sie müssen nur angemeldet werden. Außerdem darf der Stromzähler nicht rückwärts laufen können. Sonst braucht es nur ein sonniges Plätzchen und eine Steckdose, über die die Sonnenenergie ins häusliche Netz geleitet werden kann.
Für kleine Windanlagen sind sehr viel höhere bürokratische und technische Hürden zu überwinden. Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gibt es hier nicht. Möglicherweise entscheidet der Netzbetreiber, ob der Betrieb auf dem Dach oder Balkon erlaubt wird. Die Regelungen sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Schwerer wiegen technische Herausforderungen. Da ist zum Beispiel das Geräusch, das eine Anlage verursacht. Nachbarn soll der Betrieb nicht stören.
Aufwendiger und damit kostspieliger sind die notwendigen Schutzvorrichtungen gegen eine Überlastung der Anlagen. Während eine starke Sonneneinstrahlung keine Auswirkung auf die Funktion einer Solaranlage hat, ist zu viel Wind Gift für die Windanlage. Denn die Leistung des Windes nimmt mit wachsender Stärke übermässig zu. Bei einer doppelten Windstärke verachtfacht sich die Leistung. Ohne Schutzvorrichtungen können die Rotoren oder Generatoren dadurch kaputtgehen.
Und noch ein weiterer Faktor, der Wind selbst, spricht gegen eine Miniwindanlage direkt am Haus. „Die Windbedingungen sind oft zu schlecht“, warnt der Fachmann Patrick Jüttemann. Am Haus entstehen Verwirbelungen, gegen die auch hochwertige Windräder nicht helfen. Das Fazit des Experten ist daher eindeutig. „Die Miniwindanlage auf dem Balkon ist keine gute Lösung“, sagt er.
Wirtschaftlich sieht die Bilanz nach Berechnungen der Verbraucherzentrale nicht besser aus. Deren Musterrechnung für eine Rotorfläche von 0,8 Quadratmeter ergibt eine Stromerzeugung von 98 Kilowattstunden im Jahr. Die Ersparnis bei den Stromkosten beläuft sich beim Eigenverbrauch auf gerade einmal 29 Euro. Es braucht viele Jahre, bis sich die Anschaffung amortisiert hat.
Die Anschaffungspreise für die Turbinen liegen in einer gewaltigen Spannbreite zwischen einem geringen dreistelligen Betrag und mehreren Tausend Euro, je nach Leistung, Größe oder vermutlich auch Qualität.
„Mit Billigprodukten wirst du nicht weit kommen“, stellt Jüttemann fest. Unerprobte und qualitativ miserable Produkte werden ebenso angeboten wie in der Praxis bewährte Windkraftanlagen.
Die Bilanz kleiner Windanlagen sieht außerhalb der Stadt oder auf weitläufigen Grundstücken deutlich besser aus. So sind zum Beispiel Miniturbinen für Boote oder Campingmobile gute Helfer, die eine Batterie zum Betrieb der Freizeiteinrichtung gut füllen können. Auch in entlegenen Gebieten ohne Stromversorgung sind die Windräder für die Energieversorgung geeignet.
Wirtschaftliches Potenzial sieht Jüttemann in Deutschland vor allem bei gewerblichen, kommunalen oder industriellen Betreibern. Bei ihnen gebe es noch viele nutzbare Standorte. „Kleinwindanlagen können in Deutschland eine Stütze der Energiewende sein“, glaubt er deshalb.
Das internationale Potenzial für Kleinwindkraft hält er für riesig. Hier seien es vor allem die vielen Regionen und Standorte ohne Anschluss ans Stromnetz, die mit kleinen autarken Inselsystemen bestehend aus Photovoltaik, Kleinwindanlagen und Batterie betrieben werden können. Als Alternative zum teuren und schmutzigen Dieselgenerator. Allein mit Photovoltaik komme man in sonnenärmeren Regionen nicht weit, man brauche eine kleine Windanlage als zusätzlichen Stromerzeuger.