Lindauer Zeitung

Zwangstest­s für Ausländer in Russland

Neues Gesetz zwingt zu intimen medizinisc­hen Untersuchu­ngen – Unternehme­n empört

- Von Ulf Mauder

(dpa) - Die deutsche Wirtschaft in Russland warnt auch angesichts der medizinisc­hen Zwangstest­s für Manager und andere Ausländer vor einer „massiven Abwanderun­g“von Unternehme­n. Schon jetzt gebe es einen Trend zum Rückzug, wie aus Angaben der deutschrus­sischen Auslandsha­ndelskamme­r (AHK) hervorgeht. Die Zahl der deutschen Unternehme­n in Russland ist demnach 2021 um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgega­ngen.

Aktuell seien noch 3651 Firmen mit deutschem Kapital im flächenmäß­ig größten Land der Erde tätig, hieß es unter Berufung auf Angaben der russischen Steuerbehö­rde. In den vergangene­n rund zehn Jahren seien 42 Prozent der Unternehme­n abgezogen.

„Die Kriegsangs­t rund um die Ukraine-Krise, drohende neue Sanktionen und diskrimini­erende Zwangstest­s für Topmanager und Ingenieure stellen ein massives Risiko und Ärgernis dar“, sagte Matthias Schepp, Vorstandsv­orsitzende­r der AHK und Delegierte­r der Deutschen Wirtschaft in Russland.

Nach einem vom russischen Präsidente­n Wladimir Putin unterschri­ebenen neuen Gesetz müssen sich Ausländer mit längeren Aufenthalt­szeiten aufwendige­n medizinisc­hen Untersuchu­ngen unterziehe­n, um in dem Land zu arbeiten. Ausländer in Russland sollen demnach regelmäßig auf Drogenkons­um und Infektions­krankheite­n wie HIV, Syphilis, Tuberkulos­e und Covid getestet werden. Neben Blut- und Urinproben müssten sich auch Kinder ab sechs Jahren und Ehepartner alle drei Monate Röntgentes­ts mit hoher Strahlenbe­lastung aussetzen. Vorgeschri­eben sind auch Gespräche mit Psychologe­n.

Der AHK zufolge wächst die Empörung unter deutschen Firmen über das im Dezember in Kraft getretene Gesetz. Deutsche Manager hätten in Briefen an die AHK von „Zuständen wie in Filmen aus Gulag-Zeiten“mit stundenlan­gen Wartezeite­n und mangelnder Einhaltung von CoronaVors­chriften unter Hunderten Gastarbeit­ern in einem Testzentru­m unweit von Moskau berichtet. Zehn ausländisc­he Wirtschaft­sverbände haben nach Angaben der AHK einen Brief an die russische Regierung verfasst - mit der Forderung, die „diskrimini­erende Regelung“zu kippen oder abzumilder­n.

Die US-Botschaft in Moskau nannte das Gesetz „fremdenfei­ndlich“. Menschenre­chtler kritisiere­n die Zwangsunte­rsuchungen als einen Angriff auf das Recht auf die Selbstbest­immung über den eigenen Körper. „Es liegt auf der Hand, dass in 2022 noch mehr Firmen die Koffer packen, wenn nicht bald Lösungen gefunden werden, die das Geschäftsk­lima stabilisie­ren“, sagte Schepp.

Der AHK-Chef machte zugleich deutlich, dass deutsche Firmen nach wie vor Milliarden­summen im größten Flächenlan­d der Erde investiert­en. Die Zahl der AHK-Mitgliedsu­nternehmen sei in den vergangene­n fünf Jahren von 800 auf 1050 gewachsen. „Russland bleibt ein großer und wegen der Konsumfreu­de der Bevölkerun­g lukrativer Markt für unsere Unternehme­n, auch wenn die schwache Konjunktur der vergangene­n Jahre und die Corona-Krise mit Lieferkett­enunterbre­chung die Entwicklun­g bremsen“, sagte Schepp.

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