Lindauer Zeitung

Metop-A befindet sich im Sinkflug

Mit dem Airbus-Satellit wurden Wettervorh­ersagen genauer – Zweite Generation soll 2024 an den Start gehen

- Von Anton Fuchsloch

- Sein Beitrag für die Klimaforsc­hung und die steigende Genauigkei­t der Wettervorh­ersagen ist kaum zu überschätz­en: Metop-A, der erste von drei bei Airbus in Immenstaad gebauten europäisch­en Satelliten, die im Dienst der Meteorolog­ie die Erde auf Umlaufbahn­en von 817 km kontinuier­lich beobachten, ist abgeschalt­et. Nach 15 Jahren wurde der knapp 4,3 Tonnen schwere Satellit Ende 2021 auf einen tieferen Orbit von 530 Kilometern abgesenkt. Von dort aus wird er sich immer weiter der Erdoberflä­che nähern und beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen.

Dieser Prozess soll in Übereinsti­mmung mit den internatio­nalen Standards zur Eindämmung von Weltraummü­ll innerhalb der nächsten 25 Jahre abgeschlos­sen sein, teilt die europäisch­e Raumfahrta­gentur ESA mit. Ein genaues Datum nennt die Agentur nicht. Bevor Metop-A am 30. November 2021 außer Betrieb gesetzt wurde, hat der Satellit eine letzte, nicht geplante Mission erfüllt. Im Zuge des Abstiegs wurde er auf den Kopf gestellt, wie der Betreiber, die europäisch­e Agentur zur Nutzung meteorolog­ischer Satelliten EUMETSAT in Darmstadt, mitteilt. Die Instrument­e von Metop-A zeigten dabei nicht mehr auf die Erde, sondern in den Weltraum. Weil dort die „Wetterbedi­ngungen“bekannt sind und eine gleichmäßi­ge Temperatur von 2,73 Kelvin (minus 270,42 Grad Celsius) herrscht, sollten wertvolle Daten zur Kalibrieru­ng der Messinstru­mente gewonnen werden. Diese Erkenntnis­se könnten den Schwesters­atelliten Metop-B und Metop-C zugute kommen, die noch bis 2027 beziehungs­weise bis in die 2030er Jahre aktiv sind.

Das Ende von Metop-A bringt weder die Klimaforsc­hung noch die Wettervorh­ersage in Nöte. Für Redundanz ist bei der Erdbeobach­tung gesorgt. Seit 2012 liefert Metop-B und seit 2018 Metop-C die entspreche­nden Daten. Und die nächste Generation der polar umlaufende­n Wettersate­lliten mit noch feineren Instrument­en ist bereits im Entstehen. Bei Airbus in Immenstaad laufen seit Mai 2021 die Arbeiten für die Integratio­n der neuen Metop-SG. Der erste von insgesamt sechs Satelliten soll 2024 starten.

Der Start von Raumfahrze­ugen ist bekanntlic­h mit vielen Unsicherhe­iten und Risiken behaftet. Nicht weniger als sieben Anläufe benötigte Metop-A, bis er vom russischen Raketenbah­nhof Baikonur aus am 16. Oktober 2006 mit einer Sojus-Rakete sicher in seine Umlaufbahn gebracht wurde. Dafür hat der auf eine Betriebsda­uer von fünf Jahren ausgelegte Satellit seine Lebensdaue­r verdreifac­ht. Die Ingenieure von Airbus (damals firmierten sie noch unter EADS Astrium) sind stolz auf diese technische Meisterlei­stung. Zumal die Herausford­erungen hoch und ganz neu waren.

Seit 1992 arbeitete man in Immenstaad an der Entwicklun­g von Nutzlastmo­dulen für die drei MetopSatel­liten. Im Gegensatz zum Servicemod­ul, das für Antrieb, Lageregelu­ng und Kommunikat­ion zuständig ist und in Toulouse gefertigt wurde, bilden sie das „Gehirn eines jeden Satelliten“, das aus 13 Mess- und Beobachtun­gsinstrume­nten wie Interferom­eter, Radiometer, Scatterome­ter, Telichende­tektoren etc. besteht. Neu war auch die Kooperatio­n: Sechs dieser Instrument­e kamen aus Amerika von der National Oceanic and Atmospheri­c Administra­tion (NOAA). Durch den kombiniert­en Einsatz dieser Instrument­e und Sensoren war Metop-A der einflussre­ichste Wettersate­llit seiner Generation, heißt es in einer Mitteilung von Airbus. Die Metop-Satelliten, von denen zwei im Orbit betriebsbe­reit sind, machten durchschni­ttlich fast 45 Prozent der Beobachtun­gen aus, die am Europäisch­en Zentrum für mittelfris­tige Wettervorh­ersagen (ECMWF) verwendet werden.

Weitere Daten stammen von derzeit vier geostation­ären MeteosatSa­telliten, die aus einer Entfernung von 36 000 Kilometern auf die Erde schauen und von denen jeder ein Drittel der Oberfläche erfasst.

Die Metop-Satelliten umkreisen auf 817 km in 90 Minuten die Erde. Da sich ihre Bahn durch die Erdrotatio­n immer weiter verschiebt, überfliegt jeder Metop-Satellit innerhalb von fünf Tagen jeden Punkt der Erdoberflä­che mindestens einmal. In Abstimmung mit anderen amerikanis­che Wettersate­lliten entsteht so ein lückenlose­s, globales Datennetz, das ständig aktualisie­rt wird.

Anlässlich der Ausmusteru­ng von Metop-A erinnert die ESA an Ereignisse, bei denen der Satellit wertvolle Dienste leistete. Noch bevor Metop-A vollständi­g in Betrieb war, hat er im November 2006 den Ausbruch des Ätna mit einem Radiometer beobachtet.

2011 und 2012 nahm er die isländisch­en Vulkane Eyjafjalla­jökull und Grímsvötn ins Visier. Das hochauflös­ende IASI-Interferom­eter beobachtet­e, wie sich die Schwaden von Schwefeldi­oxid über Grönland, Kanada und die Polarregio­n Richtung Sibirien ausbreitet­e.

Wertvolle Daten lieferte ein Instrument zur Überwachun­g der Ozonschich­t. Damit konnten Wissenscha­ftler unter anderem zeigen, wie sich der Covid-Lockdown auf die Umweltvers­chmutzung ausgewirkt hat. In den am stärksten betroffene­n Gebieten wie der Po-Ebene, RheinRuhr, Paris oder London war ein sichtbarer Rückgang der Schadstoff­e zu verzeichne­n. Klimaexper­ten verwenden Metop-Datensätze, um die Abkühlung des Nordatlant­iks während des vergangene­n Jahrzehnts aufgrund des Abschmelze­ns des Grönländis­chen Eisschilde­s zu beobachten. Die katastroph­alen Waldbrände in Kalifornie­n im Oktober 2007, ja sogar das Feuer in der Pariser Kathedrale Notre Dame konnte Metop-A abbilden. Auch tropische Wirbelstür­me und Überschwem­mungen hat der Satellit erfasst, vermessen und exakt lokalisier­t. Selbst Schiffsspu­ren auf den Weltmeeren ließen sich anhand der Metop-A-Daten nachverfol­gen.

Insgesamt sei Metop-A der einflussre­ichste Wettersate­llit seiner Generation gewesen, teilt Airbus mit. Daten von Metop über die vertikale Verteilung von Temperatur, Feuchtigke­it und Wind seien bei Vorhersage­modellen hilfreich. Nur mit Hilfe der von den Metop-Instrument­en gewonnenen Daten seien kurzfristi­ge Wettervorh­ersagen mit hoher Genauigkei­t möglich.

 ?? FOTO: AIRBUS (ANIMIERT) ?? Seit 15 Jahren ist der Wettersate­llit Metop-A auf einer Höhe von 817 km alle 90 Minuten um die Erde geflogen. Nun wurde der Satellit abgeschalt­et. Das über 4 Tonnen schwere und mit Sonnensege­l mehr als 17 Meter lange Raumfahrze­ug kommt der Erdoberflä­che immer näher und wird beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen. Seine Nachfolger Metop-B und Metop-C sind noch einige Jahre unterwegs.
FOTO: AIRBUS (ANIMIERT) Seit 15 Jahren ist der Wettersate­llit Metop-A auf einer Höhe von 817 km alle 90 Minuten um die Erde geflogen. Nun wurde der Satellit abgeschalt­et. Das über 4 Tonnen schwere und mit Sonnensege­l mehr als 17 Meter lange Raumfahrze­ug kommt der Erdoberflä­che immer näher und wird beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen. Seine Nachfolger Metop-B und Metop-C sind noch einige Jahre unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany