So äußern sich Pflege und Medizin zur Impfpflicht
Viele Details sind noch ungeklärt – Regionale Träger berichten über hohe Impfquote, fürchten aber teils Engpässe
- Die Corona-Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen gilt ab Mitte März. Eigentlich. Denn weiter sind viele Fragen bei der Umsetzung des neuen Gesetzes offen. So geht man etwa bei den Kliniken des Medizin-CampusBodensee davon aus, dass auch die 170 aktuell ungeimpften Mitarbeiter weiterhin ihren Job machen können.
Verschiedene Träger der Altenpflege und Behindertenhilfe im Bodenseekreis äußern, dass sie auf konkrete Handlungsempfehlungen des Sozialministeriums warten. Und auch Begriffe wie Impfquote seien nicht genau geklärt, sagt etwa Christoph Möhle von der Stiftung Liebenau: Es änderten „sich ja gerade die Statusdefinitionen je nach Impfstoff, Zahl der Impfungen und so weiter.“
Aber wer ist eigentlich zuständig, wenn es um die Umsetzung der neuen Regeln geht? „Die Einrichtungen sind hier selbst dafür verantwortlich, den Impfstatus bei ihren betreffenden Betriebsangehörigen abzufragen und zu dokumentieren“, sagt Robert Schwarz, Pressesprecher des Bodenseekreises.
Wenn aber in den relevanten Bereichen Personen ohne ausreichende formelle Immunisierung arbeiten würden, müsse dies dem Gesundheitsamt im Landratsamt gemeldet werden. Die Sektoren, für die das Gesetz zur Anwendung kommt, reichen von Krankenhäusern über Reha- oder Dialyseeinrichtungen sowie Arztpraxen und Rettungsdienste bis zu Pflegeheimen oder -diensten.
Betroffen sind laut Schwarz auch Mitarbeitende des Gesundheitsamts selbst, die im Rahmen einer medizinischen oder prophylaktischen Tätigkeit mit Kunden oder Patienten
Kontakt hätten: „Das betrifft beispielsweise den sozialmedizinischen Dienst, die Einschulungsuntersuchungen, die kinderzahnärztlichen Kontrolluntersuchungen, die Aidssowie Prostituierten-Beratung.“
Die neue Impfpflicht gilt auf jeden Fall auch für Hausarztpraxen. „Letztendlich wird das Ausmaß des Problems frühestens Mitte März sichtbar werden, wenn ungeimpfte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an das Gesundheitsamt gemeldet werden müssen“, sagt dazu Dr. Karl-Josef Rosenstock. Er ist niedergelassener Arzt in Tettnang, Kreisbeauftragter für den ärztlichen Notfalldienst und Pandemiebeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung.
Wie es mit der Impfquote derzeit bei den Angestellten der Hausärzte beziehungsweise bei den Ärzten im Kreis überhaupt aussieht, weiß Rosenstock nicht. Seit Einführung der Impfpflicht hat der Arzt in seiner Praxis nicht feststellen können, dass die Impfbereitschaft zugenommen hat.
„Einzelne Berichte von Kollegen und Kolleginnen aus anderen Praxen lassen darauf schließen, dass sich bisher ungeimpfte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen trotz Impfpflicht nicht impfen lassen“, sagt Rosenstock. Möglicherweise würden sich einzelne, die Vorbehalte gegen die mRNAImpfstoffe hätten, noch mit dem Impfstoff Novavax impfen lassen.
Novavax werde voraussichtlich in zwei bis drei Wochen an die Impfstützpunkte ausgeliefert. Was die Verfügbarkeit von medizinischem Personal angeht, hat Rosenstock durchaus Bedenken: „Es liegt bereits jetzt ein Fachkräftemangel vor, sehr viele Praxen suchen MFAs. Das Problem wird sich mit der Impfpflicht verschärfen.“
Die Impfquote bei den Mitarbeitern des Medizin-Campus Bodensee
Christoph Möhle, Stiftung Liebenau mit den beiden Krankenhäusern in Friedrichshafen und Tettnang liegt laut Susann Würzner, Leiterin der Abteilung Personal und Organisation, bei 90 Prozent. Unterschiede in den einzelnen Abteilungen gebe es dabei nicht, alle Bereiche seien gleichermaßen „betroffen“.
„Wir haben einiges dafür getan“, sagt Würzner zu den Bemühungen des MCB, die Impfbereitschaft der Angestellten zu erhöhen. „Unter anderem wurden individuelle Beratungsgespräche mit Ärzten des MCB angeboten, die sehr gut angenommen wurden und den einen oder die andere dann doch dazu gebracht haben, sich impfen zu lassen.“
Letztlich blieben etwa 170 ungeimpfte Mitarbeitende in allen Bereichen. Würzner glaubt aber, dass diese „aller Wahrscheinlichkeit nach – jedenfalls lassen die neuerlichen politischen Entscheidungen diese Annahme zu – auch über den 15. März ihrer bisherigen Tätigkeit in unserem Klinikverbund nachgehen können.“Wenn nicht, bekommt man auch beim MCB ein Problem. „Wir bedauern das Ausscheiden jedes einzelnen Mitarbeitenden und vor allem von Fachpersonal“, sagt die Personalchefin. „Und natürlich bemühen wir uns intensiv um zeitnahe Nachbesetzungen.“
Die Stiftung Liebenau spricht bezüglich der Häuser der Pflege von etwa 83 Prozent geimpften Mitarbeitern und in den Häusern der Teilhabe, also der Behindertenhilfe, seien es rund 90 Prozent. Allerdings gebe es hier Schwankungen zwischen den Häusern. Wie Sprecher Christoph Möhle äußert, gibt es für Schwankungen wohl keine eindeutigen Kausalitäten.
In Gesprächen würden ungeimpfte Mitarbeitende individuelle Gründe nennen, seien es medizinische oder familiäre Faktoren oder aber auch persönliche Erfahrungen. Einzelne teilten mit der nahenden Frist am 15. März mit, dass sie sich jetzt doch noch für eine Impfung entschieden hätten. Möhle äußert: „Einige warten wohl noch auf den sogenannten Totimpfstoff von Novavax.“
Die Diskussion sorge für Unsicherheit und Unruhe in den Teams, äußert der Liebenau-Sprecher. Sie sei eines der beherrschenden Themen derzeit: „Bedauerlicherweise gibt es noch viele ungeklärte Fragen.“Alle Träger würden derzeit auf die Handlungsempfehlungen des Sozialministeriums warten. Kündigungen würden derweil vereinzelt angekündigt oder eingereicht.
Bezüglich möglicher Auswirkungen verweist Möhle auf Erfahrungen der Stiftung Liebenau an Einrichtungen in Südtirol, wo es die Impfpflicht bereits seit einem Jahr gibt. Von dort wisse man, „dass schlimmstenfalls Pflegeangebote eingeschränkt werden müssen – zumindest, wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen“. Derzeit würde intensiv um Freiwillige geworben, die die Teams auch entlasten könnten.
Die Diakonie Pfingstweid hat die Impfquote noch nicht erhoben, wird das aber im Lauf der zweiten Februarwoche tun. Dabei stellt Sprecherin Nora Gollob klar, dass die Organisation in diesem Zuge gegenüber der Heimaufsicht offenlegen wird, dass sie keine Lösung darin sieht, die ungeimpften Mitarbeiter heraus zu nehmen, „da wir sonst keinen Ersatz haben und die Versorgungssicherheit gefährdet ist“.
Die Diakonie Pfingstweid unterscheide nicht zwischen ungeimpften und geimpften Mitarbeitenden. „Wir erleben die ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nicht als problematisch, es wird sehr behutsam mit dem Thema umgegangen, als Beispiel seien die täglichen Testungen genannt“, äußert Gollob. Für den Fall einer Unterversorgung sei die Diakonie Pfingstweid bemüht, Notfallpläne zu erstellen.
Die Bruderhausdiakonie betreibt in der Region Bodensee/Oberschwaben vier stationäre Einrichtungen mit rund 200 Bewohnern und 300 Mitarbeitern – unter anderem das Gustav-Werner-Stift in Friedrichshafen. Schon seit den ersten Impfmöglichkeiten habe die Bruderhausdiakonie für diese Möglichkeit geworben, auch mit Zeitgutschriften. Sprecherin Sabine Steininger: „Die Impfquote liegt deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung.“
Eine Aussage darüber, ob die Impfquote noch steigt und wie ungeimpfte Mitarbeitende sich äußern, trifft Steininger nicht, äußert aber: „Einige Mitarbeiter/innen haben den Wunsch, die Impfpflicht auszuweiten.“Nach dem Stichtag im März gehe wie vom Gesetzgeber vorgesehen eine Information an die Gesundheitsämter. Gleichwohl sagt Steininger: „Als Arbeitgeber möchte die Bruderhausdiakonie keinen Mitarbeiter, keine Mitarbeiterin verlieren.“
Wie genau man letztlich mit denen umgeht, die im Gesundheitswesen die entsprechenden Nachweise nicht erbringen können, dafür würden gerade die Richtlinien in der Politik durch das zuständige Ministerium erarbeitet, sagt Schwarz. Im Detail könne man die Abläufe noch nicht beschreiben. Klar ist, dass das Gesundheitsamt letztlich über Ausnahmeregeln entscheiden muss. Wenn zum Beispiel der Betrieb eines Heimes und damit die Versorgung der Menschen gefährdet sei.