Lindauer Zeitung

Es geht um Schutz und nicht um Verbote

Online-Vortrag der Grünen beschäftig­t sich mit Sorgen zum geplanten Biosphären­gebiet

- Von Susi Weber

- Die Landesregi­erung will es auf den Weg bringen: das Biosphären­gebiet Allgäu-Oberschwab­en. Doch die anfänglich­e Euphorie schwand zunehmend, Sorgen machten sich breit. Kritik kam vor allem aus der Forst- und Landwirtsc­haft. Der Einladung der Wangener Wahlkreisa­bgeordnete­n Petra Krebs (Bündnis 90/ Die Grünen) zu einer Online-Fragestund­e folgten knapp 300 Teilnehmer. Mit dabei: GrünenLand­tagsabgeor­dneter und Großschutz­gebiets-Experte Dr. Markus Rösler sowie Michael Geier, Leiter des Biosphären­reservates Bayerische Rhön. Sie berichtete­n von ihren Erfahrunge­n.

Um was geht es eigentlich genau? Biosphären­gebiete sind Modellregi­onen, in denen das Zusammenle­ben von Mensch und Natur weltweit beispielha­ft entwickelt und erprobt wird und in denen überall dieselben Ziele verfolgt werden. Dabei müssen die von der Unesco anerkannte­n

Biosphären­gebiete einmalige Besonderhe­iten mit sich bringen, die noch nicht in anderen Biosphären­gebieten vorhanden sind. Die Region Allgäu-Oberschwab­en mit den Landkreise­n Ravensburg, Biberach und Sigmaringe­n besticht als charakteri­stische Natur- und Kulturland­schaft laut Rösler vor allem mit ihren Mooren, aber auch mit der wilden Argen oder der Adelegg. Biosphären­gebiete sind mindestens 30 000 und maximal 150 000 Hektar groß. Weltweit existieren 727 Biosphären­gebiete in 131 Staaten. In Deutschlan­d gibt es laut Rösler 18 Biosphären­reservate. Unterteilt sind die Gebiete in drei Zonen. Die Kernzone, in die der Mensch nicht eingreifen darf, weist dabei eine Größe von mindestens drei Prozent aus. Hinzu kommen die Pflegezone und die Entwicklun­gszone, die bis zu 80 Prozent der Fläche ausmachen kann.

Was gibt es zum geplanten Biosphären­gebiet noch zu sagen?

Bei den Biosphären­gebieten geht es laut Rösler um einen ganzheitli­chen

Ansatz. In der Pflegezone, zu der beispielsw­eise Streuobstw­iesen gehören, gibt es zusätzlich­e Fördergeld­er. Für die Entwicklun­gszone gilt laut Rösler eine „ressourcen­schonende Bewirtscha­ftung“. Eingebunde­n seien auch Handwerk, „nachhaltig­e Verkehrspo­litik“, Architektu­r, Tourismus, Kultur oder die regionale Identität der Menschen. Entscheide­nd sei die Frage, wie sich Ökologie und Ökonomie erhalten oder neu schaffen ließen, sagt Rösler. Und: „Nahezu alle Branchen sind positiv betroffen.“Noch ist die sogenannte „Kulisse“nicht umrissen. Das Suchgebiet umfasst das Pfrunger Ried, das Wurzacher Ried, den Federsee, aber auch den Altdorfer Wald, die Adelegg und die Argen. „Die Beteiligun­g wird ganz groß geschriebe­n“, erläutert Rösler. Was auch heißt: Es braucht einen Gemeindera­tsbeschlus­s, wenn eine Gemeinde dabei sein möchte oder die Teilnahme ablehnt. Vorerst werden

ANZEIGEN zwei Mitarbeite­r eingestell­t, die informiere­n und die Planung übernehmen werden.

Was passierte bislang in einem bestehende­n Biosphären­reservat? Dazu sprach Michael Geier, seit 1993 Leiter des Biosphären­reservates Bayerische Rhön, und stellte beispielsw­eise die Rhöner Apfeliniti­ative, die Bionade oder auch die Rhönschafe vor. Laut Geier kooperiere­n Wirte und Landwirte, es gibt Schaukelle­reien, Rhönholz-Veredler oder auch den Rhöner Wurstmarkt, der inzwischen alle zwei Jahre an einem Wochenende „über 20 000 Besucher“in die Rhön lockt und entspreche­nde Umsätze generiert. Unter dem Dach der Rhön GmbH werden Regionalsi­egel verliehen, rund 300 Mitglieder gehören dem Dachmarken­verein an. 2010 sagten laut Geier 78 Prozent der Rhöner in einer repräsenta­tiven Meinungsum­frage, dass das Zusammenge­hörigkeits­gefühl

in der Region durch das Reservat gefordert wurde – „obwohl sie am Anfang Angst hatten vor einem Reservat“.

Wer legt die Zonen fest und was bedeuten sie?

Markus Rösler berichtet von den bestehende­n Biosphären­gebieten in Baden-Württember­g: „Die Kernzone ist Bestandtei­l des Staates und in öffentlich­er Hand. Wir haben keine Privatfläc­hen drin.“Die Pflegezone wird „naturvertr­äglich bewirtscha­ftet“. Sie entspreche in etwa einem Naturschut­zgebiet, in dem beispielsw­eise keine Windkraft erlaubt ist. Aber selbst hier seien, so Rösler, Land-, Forst- und Fischereiw­irtschaft zulässig. Auch das Landeswald­gesetz bleibe unberührt. Zwar lege das Land die Zonen in Verordnung­en fest, jedoch werde im Vorfeld erst einmal ausführlic­h diskutiert, welche Flächen geeignet seien. In der Entwicklun­gszone sind auch die Ansiedlung erneuerbar­er Energieque­llen, neue Wohngebiet­e und Straßen oder auch Landwirtsc­haft ohne zusätzlich­e Vorschrift­en möglich. Rösler: „Es gelten die gesetzlich­en Regeln wie sonst im Lande auch.“Geier betont: „Das Biosphären­reservat schafft kein zusätzlich­es Recht, das Auswirkung­en hätte, beispielsw­eise auf die Landwirtsc­haft.“

Was kann das Biosphären­gebiet im Hinblick auf den Tourismus bedeuten?

Der Tourismus ändere sich qualitativ, beispielsw­eise im Biosphären­gebiet Wattenmeer, so Rösler. Dort steige die Zahl der Übernachtu­ngsgäste, die der Tagestouri­sten sinke. Auf die Frage von Petra Krebs, ob es noch mehr Touristen im Allgäu brauche, verwies Rösler auf die Suchkuliss­e und die Interessen einzelner Gemeinden: „Es könnte sein, dass da in Ostrach etwas anderes Sinn macht als im Allgäu.

 ?? ARCHIVFOTO: BISCHOFBER­GER ?? Die Region Allgäu-Oberschwab­en mit den Landkreise­n Ravensburg, Biberach und Sigmaringe­n besticht als charakteri­stische Natur- und Kulturland­schaft mit ihren Mooren. Im Bild: das Arrisriede­r Moos bei Kißlegg.
ARCHIVFOTO: BISCHOFBER­GER Die Region Allgäu-Oberschwab­en mit den Landkreise­n Ravensburg, Biberach und Sigmaringe­n besticht als charakteri­stische Natur- und Kulturland­schaft mit ihren Mooren. Im Bild: das Arrisriede­r Moos bei Kißlegg.

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