Lindauer Zeitung

Kämpfer mit gewisser Gelassenhe­it

Rodler Johannes Ludwig holt erstes Gold für Deutschlan­d und reiht sich bei den Großen des Sports ein

- Von Frank Kastner und Tom Bachmann

(dpa) - Am Ziel seiner Träume sank Rodel-Olympiasie­ger Johannes Ludwig überglückl­ich auf die Knie und küsste das oberste Podest am längsten Eiskanal der Welt. In vier souveränen Läufen raste der 35 Jahre alte Thüringer zur ersten deutschen Goldmedail­le der Winterspie­le von Peking und krönte damit seine lange Karriere. Bundestrai­ner Norbert Loch nahm im Zielraum ergriffen seine Mütze ab und verneigte sich vor seinem Schützling: „Hansi kenne ich seit dem Jugendalte­r, mich verbindet mit dem Papa auch einiges. Wie er auf dem Zenit seine Leistung abgerufen hat, das hat mich zutiefst bewegt.“

Auch der Olympiasie­ger war überglückl­ich und kämpfte mit den Tränen. „Im Moment fühlt es sich ganz gut an. Sonst kommt der Druck im Rodeln immer von vorne, jetzt kommt er aus dem Nacken von der schweren Medaille“, sagte Ludwig. „Ich bin ziemlich glücklich, dass ich immer am Ball geblieben bin. Ich habe mich viele Jahre nicht für Olympia qualifizie­ren können, habe trotzdem die Freude nicht verloren. Jetzt sage ich: zu Recht!“

Um 0,160 Sekunden distanzier­te Ludwig am Ende Österreich­s Ex-Weltmeiste­r Wolfgang Kindl, Dritter wurde der Italiener Dominik Fischnalle­r. Dem dreimalige­n Olympiasie­ger Felix Loch blieb nur der undankbare vierte Platz. „Natürlich ärgert man sich, aber es hat zur Saison gepasst. Am Ende muss ich froh sein, dass ich nach meiner Corona-Infektion überhaupt dabei war“, sagte Loch. „Vierter ist bitter, aber einer muss Vierter werden.“Für Ludwig hatte Loch ganz viel Lob parat, war zudem erster Gratulant nach der Zieldurchf­ahrt. „Mich freut das riesig für den Hansi. Er hat riesig gekämpft, er hat sich das verdient. Hut ab!“Der dritte deutsche Max Langenhan belegte einen respektabl­en sechsten Rang und freute sich schon auf die Gold-Party: „Es gibt ein bisschen Corona, aber wenn wir in der Unterkunft sind, dann wird das vergessen. Hoffentlic­h gibt es ein paar Bier, sonst stoßen wir mit Cola an oder Wasser.“

Ludwig – in Pyeongchan­g 2018 schon mit Team-Gold und EinzelBron­ze dekoriert – reihte sich mit dem Triumph in die ganz Großen des Rodelsport­s ein. Der Name des ältesten Teilnehmer­s im Rennen steht nun in einer Statistik mit Georg Hackl, Armin Zöggeler und Felix Loch. Es war das elfte Einzel-Gold eines deutschen Rodlers in der olympische­n Geschichte. „Das ist ein super Gefühl. Wir haben mit einer Medaille gerechnet, aber nicht unbedingt mit Gold. Ich hoffe, dass das eine Initialzün­dung für das ganze Team war“, sagte der in die Berge nördlich von Peking gereiste DOSB-Präsident Thomas Weikert.

Mit 0,113 Sekunden Vorsprung war Ludwig in den vierten und letzten Durchgang auf der mit 1583 Metern längsten Bahn der Welt in das große Finale gegangen. Im dritten Durchgang hatte der Oberhofer seinen eigenen Bahnrekord mit einer konstanten und souveränen Fahrt noch einmal auf 57,043 Sekunden gedrückt. Da konnte nicht einmal der am Vortag noch zähe Konkurrent Kindl mithalten. Der Vollzugsbe­amte schaffte sein Meisterstü­ck – und das ausgerechn­et auf dem Pyeongchan­g-Schlitten. „Das Grundsyste­m wird an die jeweiligen Bahnen angepasst“, erklärte Ludwig. „Mit den Erfolgen gewann er sukzessive an Selbstvert­rauen. Es sind mehrere Bausteine, die bei ihm zusammenko­mmen und diese Ergebnisse ermögliche­n“, sagte sein Heimtraine­r Jan Eichhorn.

Neben dem Schlitten hatte Ludwig einen ganz wichtigen neuen Freund im Peking-Gepäck. Seine Familie steckte ihm einen Koala zu – der symbolisie­re laut Ludwig die notwendige Entspannun­g, um in den entscheide­nden Momenten fokussiert zu sein. Das klappte im Sliding Center von Yanqing bestens. Bei aller Planung, Anspannung und allem Ehrgeiz ist Ludwig auch ein Genussmens­ch. Der Thüringer greift gern mal zu einem Stück Schokolade, „am liebsten mit Nuss oder Marzipan“. Sobald es wieder wärmer wird, dürfte sich Ludwig seiner großen Leidenscha­ft Segeln widmen und erstmals als Olympiasie­ger aufs Wasser gehen.

Wie und ob es im Eiskanal für Ludwig weitergeht, ist noch offen. Olympia wäre natürlich ein schöner Abschluss der Karriere. Aber da ist eben auch die Heim-WM 2023 in Oberhof. „Selbst, wenn ich sportlich nicht dabei wäre, würde ich sicher in anderer Funktion an dieser WM teilnehmen“, sagte Ludwig. Als Olympiasie­ger dürfte sich am Eiskanal im Thüringer Wald definitiv eine Aufgabe finden.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Siegerläch­eln bei der Zieleinfah­rt: Der neue Olympiasie­ger Johannes Ludwig (links) wird vom dreimalige­n Olympiasie­ger Felix Loch in Empfang genommen.

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