Tausende Kunden für Cannabis
Nach Legalisierung wäre Deutschland weltweit größter Markt
- Die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene soll kommen, darauf hat sich die Ampel-Regierung geeinigt. Jetzt haben sich die zuständigen Politiker von SPD, FDP und Grünen zum ersten Mal getroffen. Mit dabei war auch Kirsten KappertGonther (Grüne). Sie sagt der „Schwäbischen Zeitung“: „Die Legalisierung von Cannabis soll schnell auf den Weg gebracht werden, gerade weil die Umsetzung nicht von heute auf morgen funktioniert.“Überblick über einen neuen Markt.
Welches wirtschaftliche Potenzial steckt im Handel mit Hanf?
Der Ökonom Justus Haucap von der Universitätä Düsseldorf schätzt, dass in Deutschland künftig jährlich 400 Tonnen Cannabis für den Freizeitgebrauch konsumiert werden. Das entspräche einem Marktvolumen von vier bis fünf Milliarden Euro. Niklas Kouparanis, CEO der Bloomwell Group und Unternehmer für medizinisches Cannabis, betont, dass Deutschland mit der Legalisierung zum Freizeitgenuss der bevölkerungsreichste Binnenmarkt für Cannabis auf der Welt wäre – größer als die bisherigen Spitzenreiter Kanada und der US-Bundesstaat Kalifornien zusammen. Deutschland könne zum globalen Vorbild für eine geordnete Legalisierung werden.
Welche Risiken gilt es zu beachten, wenn man in den CannabisMarkt investieren will?
„Es wird zu Beginn einen sehr intensiven Wettbewerb geben“, prognostiziert Haucap. Gerade am Anfang sei es nicht leicht einzuschätzen, welcher Anbieter zu den Gewinnern gehören und wer aufgeben wird. Ein grundlegendes Problem für die Marktteilnehmer ist, dass der Anbau von Cannabis ziemlich einfach ist. „Jeder, der ein Gewächshaus hat, kann theoretisch Cannabis anpflanzen“, sagt der Ökonom. Langfristig seien deshalb wahrscheinlich keine hohen Renditen zu erwarten.
Wer darf legales Cannabis verkaufen?
Zur Debatte stehen Apotheken oder lizensierte Geschäfte. Der Apothekerverband ABDA sieht zwar einen heilberuflichen Zielkonflikt – es gibt zahlreiche Studien, die Gefahren eines regelmäßigen Cannabis-Konsum vor allem für Jugendliche belegen. Unter zwei Bedingungen kann sich der ABDA dennoch vorstellen, ins Geschäft einzusteigen: Jeder Apotheker müsse freiwillig entscheiden können, ob er mitmachen will. Außerdem solle es idealerweise neben den Apotheken dann auch keine anderen Vertriebswege geben.
Der ABDA-Sprecher Reiner Kern sagt: „Wenn es die Legalisierung gibt, ist ein Vertriebsweg sinnvoll, der die Qualität sichert, flächendeckend verfügbar ist und keinen ökonomischen Druck hat, möglichst viel Cannabis zu verkaufen.“Für den Ökonom Haucap dagegen wäre ein Monopol für die Apotheken eine Gefahr für die Legalisierung. Als Ergänzung zu lizensierten Geschäften, bei denen die Einhaltung der Lizenzbedingungen überprüft werden müsse, seien sie aber durchaus sinnvoll, gerade für die ländlichen Regionen.
Wie viel darf legales Cannabis kosten?
„Die Konkurrenz ist immer der Schwarzmarkt, der überall verfügbar ist“, sagt Haucap. Der legale Preis dürfe deshalb zumindest nicht weit über dem illegalen liegen. Der Ökonom schlägt vor, vier Euro Steuern pro Gramm zu erheben, wie es auch die Grünen in ihrem CannabisKontrollgesetz vorgeschlagen haben. Damit blieben für die Wertschöpfungskette – Anbau, Transport, Lagerung, Trocknung, Verpackung und Lizenzgebühren – sechs Euro bis zum aktuellen Schwarzmarktpreis. Reicht das? „Ja. Auch unter hohen Produktionsstandards kann man Cannabis anbauen, das konkurrenzfähig zum Schwarzmarkt ist“, sagt Kouparanis, warnt aber vor zu viel Bürokratie. Sämtliche Einschränkungen für die Produktion von Cannabis, auch die mit nachvollziehbaren Intentionen, schafften Nischen für das Fortbestehen des Schwarzmarkts. „Das muss uns zumindest bewusst sein.“
Wann kann die Legalisierung kommen?
Kouparanis hält Anfang 2024 für das früheste realistische Datum – schon wegen Zwängen des internationalen Rechts. Deutschland hat das UNEinheitsabkommen über die Betäubungsmittel aus dem Jahr 1961 unterschrieben, ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der Cannabis verbietet. Kanada und Uruguay ignorieren das Verbot einfach, doch das hält der Unternehmer hierzulande für äußerst unwahrscheinlich. Realistischer sei ein anderer Weg: austreten, die Legalisierung beschließen und danach unter Vorbehalt wieder eintreten. Die Krux dabei: Die Deadline für die Ankündigung des Austritts zum Folgejahr ist Juni. Zu knapp für eine Legalisierung ab 2023.
Kritiker sagen, der Hanfanbau für Cannabis zu Genusszwecken wäre eher etwas für Gärtner, die Erfahrungen mit Obst und Gemüse im Gewächshaus haben. Was entgegnen Sie dem?
Zunächst einmal sind Landwirtschaft und Gartenbau ja nichts Grundverschiedenes. Für einen Freilandanbau müsste man einigen Aufwand treiben, damit nichts geklaut wird und die Qualität stimmt. Wenn das nur in einem geschlossenen System gehen sollte, werden die Landwirte das sicherlich auch umsetzen können.
Wie groß ist denn das wirtschaftliche Potenzial durch die Legalisierung für die Bauern?
Das ist eine spannende Frage, wir trauen uns da keine Prognose zu. In den Medien werden Größenordnungen von 400 bis 500 Tonnen pro Jahr genannt. Das ist nicht viel. Wenn Sie einen Ertrag von 10 bis 15 Tonnen Pflanzenmasse pro Hektar annehmen, ist das schnell realisiert. Die verfügbare Anbaufläche in Deutschland sollte jedenfalls kein Problem sein.