Ampel streitet über den RKI-Chef
Koalition diskutiert über „Fehler“des Behördenchefs – Wieler will weitermachen
- Eines der bekanntesten Pandemie-Gesichter bekommt zunehmend Gegenwind: Insbesondere die Regierungspartei FDP kritisiert den Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. So hatte der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Wochenende gesagt, dass sich Wieler des „Vertrauens der FDP“nicht mehr sicher sein könne. Er verwies auf das Kommunikationsdebakel um die völlig überraschende Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate. Viele Bürger verloren quasi über Nacht ihr Recht, in Restaurants oder Fitnessstudios zu gehen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr fordert denn auch, dass künftig das Parlament und nicht das RKI über den Genesenenstatus entscheiden solle. Zudem, so Bijan Djir-Sarai, sei das kein Einzelfall gewesen. So war Wieler bereits kurz vor Weihnachten in die Kritik geraten, weil seine Behörde unmittelbar vor einem BundLänder-Gipfel für schärfere Maßnahmen warb, ohne dass dies mit dem Bundesgesundheitsministerium abgesprochen war – damals hatte das auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich scharf kritisiert. Für Schleswig-Holsteins FDP-Gesundheitsminister
Heiner Garg steht Wieler für eine desaströse Kommunikation in der Pandemie.
Kritik an Wieler kommt auch von seinem Vorgesetzten, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die unangekündigte Verkürzung des Genesenenstatus sei „nicht in Ordnung“gewesen und dürfe sich nicht wiederholen. Allerdings habe Wieler zwei Jahre lang gute Arbeit geleistet und genieße deshalb weiter sein Vertrauen. Der RKI-Chef bleibe daher im Amt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ließ ebenfalls über eine Sprecherin ausrichten, Wieler besitze sein „volles Vertrauen“. Auch der Vize-Chef der oppositionellen Unionsfraktion, Sepp Müller (CDU), findet zwar, dass sich die Kommunikation des RKI deutlich verbessern müsse. Allerdings sei Wieler „eine ausgewiesene wissenschaftliche Koryphäe, die wir von der Union respektieren und unterstützen“.
Die Grünen stützen Wieler ebenfalls, auch wenn die Gesundheitspolitikerin Paula Piechotta sagt, dieser habe „wie jeder Verantwortungsträger in dieser Pandemie auch, Fehler gemacht“. Das RKI sei trotzdem einer der Leistungsträger im deutschen Pandemie-Management. „Inhaltliche Kritik ist richtig, das wenig fundierte Abarbeiten an vermeintlichen Sündenböcken nicht“, sagte Paula Piechotta der „Schwäbischen Zeitung“.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki warf dem grünen Koalitionspartner angesichts dieser Haltung „Nibelungentreue“vor. Aus seiner Sicht trage Wieler die Verantwortung für Probleme in der Behörde. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bescheinigt der Ampel denn auch bei diesem Thema eine „wirre Debattenlage“.
Wieler zeigte sich zumindest nach außen ziemlich unbeeindruckt von der Kritik: „Wir machen seit Jahren Empfehlungen“, sagte der RKIChef, der am Dienstag 61 Jahre alt wird. „Die werden wir auch weiter machen.“Der Veterinär, der 1998 Professor und dann geschäftsführender Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen an der Freien Universität Berlin wurde, steht seit 2015 an der Spitze des Robert-Koch-Instituts. Er wurde auf Vorschlag des damaligen Gesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) ernannt.