Lehrlinge verzweifelt gesucht
Bei einem neuen Projekt im Südwesten helfen nun Scouts dabei, mehr Ausbildungsplätze zu besetzen
(sz/dpa) - In der Küche, an der Rezeption, im Service – überall im Mercure Hotel Stuttgart Airport Messe sollten eigentlich junge Leute stehen. Wunsch und Wirklichkeit klaffen im Fall von Hoteldirektor Gürkan Gür aber weit auseinander. Es fehlen Auszubildende, und zwar einige. Gür würde gerne zehn bis 15 Menschen im kommenden August oder September eine Ausbildung anbieten. Doch davon ist er noch weit entfernt.
Helfen soll ihm Muhammet Karatas von der IHK Stuttgart – er berät Unternehmen kostenlos und wirbt dafür, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Denn seit diesem Jahr ist Karatas ein sogenannter Ausbildungsscout. Obwohl der Stuttgarter Hoteldirektor Gür schon viele Stellen ausgeschrieben hat, versucht Karatas die Stellen attraktiver zu machen – mit Werbung auf Social Media, modernen Stellenanzeigen oder Besuchen bei einer Ausbildungsmesse.
Karatas’ Ziel ist es, bis Jahresende mindestens 200 Betriebe zu erreichen. „Durch Corona bilden viele Unternehmen weniger oder auch gar nicht mehr aus“, sagt er. Grund dafür seien unter anderem Existenzängste der Unternehmer. „Viele fragen sich auch, was mit den Azubis passiert, wenn es ein Betrieb nicht durch die Pandemie schafft“, sagt Karatas.
Seinen Job als Ausbildungsscout hat in diesem Jahr das baden-württembergische Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen, das mit den Ausbildungsscouts den Fachkräftemangel eindämmen will. Rund 262 000 Euro kosten die Scouts das Ministerium mit fünf Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen bei verschiedenen Trägern. „Der Anteil der Ausbildungsbetriebe ist im vergangenen Jahr gesunken und die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen zurückgegangen“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums der „Schwäbischen Zeitung“. Dem will das Ministerium mit den Ausbildungsscouts etwas entgegensetzen, weil in diesem Jahr wieder mit mehr jungen Menschen gerechnet wird, die eine Ausbildungsstelle suchen. Denn in den vergangenen zwei Jahren haben sich viele nach dem Schulabschluss zurückgehalten.
Azubi-Scouts wie Muhammet Karatas stellen Kontakt zu potenziellen Ausbildungsbetrieben her. Das Ziel: Die Ausbildungsscouts sollen jährlich mehr als 1200 Unternehmen erreichen, die entweder gar nicht, nicht mehr oder weniger als in den Vorjahren ausbilden – und bestenfalls für neue Ausbildungsstellen gewinnen. „Das Wirtschaftsministerium will einem rückläufigen Ausbildungsengagement begegnen. Die berufliche Ausbildung soll als wichtiger Baustein für die Fachkräftesicherung gestärkt werden“, sagt die Sprecherin.
Die Förderung der Ausbildungsscouts erfolgte im Rahmen eines Programms, das sich an Kammern, Wirtschaftsverbände, Innungen und Kreishandwerkerschaften als Projektträger in ganz Baden-Württemberg richtete. „Aus den Regionen Bodensee-Oberschwaben, Ulm und Alb-Donau hat das Wirtschaftsministerium keinen Antrag erhalten“, sagt die Sprecherin.
Die IHK Ulm, die für die Stadt Ulm, den Kreis Biberach und den Alb-Donau-Kreis zuständig ist, hat sich ganz bewusst gegen eine Bewerbung für das Förderprogramm entschieden. „Wir haben das intern diskutiert und uns aus organisatorischen Gründen dagegen entschieden“, sagt Frank Stumm, Abteilungsleiter Ausbildung bei der IHK Ulm. Zum einen sei das Förderprogramm zunächst auf ein Jahr begrenzt. „Das ist sehr kurz, um wirklich schon Verbindungen zu Betrieben aufzubauen“, sagt Stumm. Zum anderen ist er davon überzeugt, dass seine Ausbildungsberater bei der IHK Ulm, die Arbeit der neu geschaffenen Scouts schon abdecken. „Unsere Ausbildungsberater sind ständig in Kontakt mit den Ausbildungsbetrieben“, sagt Stumm. „Wir haben einen Bewerbermangel, nicht die Stellen sind das Hauptproblem.“Natürlich sei es toll, wenn mehr Betriebe Ausbildungen anbieten würden und es mehr Angebot gäbe. „Aber gerade sind die Stellen wirklich sehr schwer zu besetzten“, sagt Stumm. Die Ausbildungsstellen seien zwar von über 4000 im Jahr 2019 auf 3850 in diesem Jahr gesunken, aber die Zahl der Bewerber im Gebiet der IHK Ulm ist genauso zurückgegangen. 2019 hatten sich noch 2740 Menschen für eine Ausbildung beworben, zwei Jahre später nur noch 2230, erklärt Stumm. „Wir haben also einen deutlichen Überhang an Angeboten.“Der Mangel an Bewerbern sei gerade für kleine und mittelständische Betriebe schwer zu verkraften und „zieht sich über fast alle Berufsbereiche“, sagt er.
Die Gründe für den Rückgang – sowohl an Bewerbern als auch an Ausbildungsplätzen – sieht Frank Stumm vor allem in der Pandemie. „Berufsberatung war in Präsenz kaum möglich. Außerdem wissen viele Jugendlichen und Eltern nicht, wie eine Ausbildung in Corona-Zeiten ablaufen soll“, erklärt Stumm. Viele wären unsicher, welcher Beruf der richtige ist.
Daher sei es wichtig, dass man die berufliche Ausbildung wieder attraktiver macht. „Die Politik sollte mehr Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung herstellen“, sagt Frank Stumm. Für die IHK Ulm steht aber die Berufsorientierung im Vordergrund. Beratungsangebote an Schulen, auf Messen oder beim Elternabend – das soll bald wieder persönlich möglich sein. „Wir haben in den vergangenen Jahren auf virtuelle Angebote umgeschwenkt, aber man kann nicht alle so erreichen wie in Präsenzform“, erklärt Stumm.
Letztlich seien auch die Betriebe gefragt, ihre Ausbildungsplätze so attraktiv wie möglich zu gestalten, erklärt Frank Stumm. Genau dabei soll Ausbildungsscout Muhammet Karatas in den kommenden Monaten helfen. Bei vielen Betrieben will er auch das Image aufbessern. „Viele junge Leute kennen nicht die Chancen, die eine Ausbildung bietet“, sagt er. Mithilfe der Scouts sollen diese Chancen besser sichtbar gemacht werden.