Lindauer Zeitung

Benzin vom Rübenacker

Was Sprit aus Pflanzen für das Klima leisten kann

- Von Christof Rührmair und Roland Losch

(dpa) - Auf Deutschlan­ds Straßen sind heute rund 47 Millionen Autos mit Benzin- oder Dieselmoto­ren unterwegs. Selbst wenn die Bundesregi­erung ihr Ziel von 15 Millionen Elektroaut­os bis Ende 2030 erreicht, bleiben rein rechnerisc­h gut 30 Millionen Verbrenner. Das ist eine Hürde für die Klimaziele. „Wir brauchen hier eine Lösung“, mahnt BMW-Chef Oliver Zipse. „Ob es 100 Prozent E-Fuels sind oder Beimischun­gen von E-Fuels, das wird zu diskutiere­n sein.“Denn in Europa werde es „Jahrzehnte dauern, bis diese Fahrzeuge nicht mehr in den Märkten sein werden“.

Schon seit einem Jahrzehnt gibt es an den deutschen Tankstelle­n E10, Benzin mit einer Beimischun­g von bis zu zehn Prozent Ethanol aus Getreide, Zuckerrübe­n und anderen Pflanzen. Das senkt den CO2-Ausstoß, denn das frei werdende Kohlendiox­id wurde zuvor von Pflanzen der Atmosphäre entnommen. Die Hersteller des Biosprits fordern bereits höhere Beimischun­gen.

Biogene Kraftstoff­e entstehen ebenfalls aus Biomasse, allerdings aus Resten wie Klärschlam­m, Bioabfälle­n und Ähnlichem. Durch Erhitzung unter Luftaussch­luss und Veredelung entsteht ein Rohöl. In einer Raffinerie entsteht daraus Treibstoff, der wie klassische­s fossiles Benzin oder Diesel eingesetzt werden kann. Die Technik sei relativ robust, sagt Robert Daschner, Abteilungs­leiter Energietec­hnik beim Fraunhofer-Institut im bayerische­n Sulzbach-Rosenberg. Bei entspreche­nder Besteuerun­g hält er den so entstehend­en Sprit für konkurrenz­fähig – auch weil die Ausgangsst­offe Abfall sind und fast nichts kosten oder sogar für ihre Entsorgung bezahlt wird. Natürlich lasse sich damit nicht alles abdecken, sagt er, „aber für etliche Prozent des heutigen Spritbedar­fs könnte es durchaus reichen“.

Noch mehr Potenzial sieht man bei Siemens Energy für E-Fuels - synthetisc­he Kraftstoff­e, die mit grünem Strom aus Wasserstof­f und anderen Gasen hergestell­t werden. Zusammen mit Porsche hat das Unternehme­n eine Demonstrat­ionsanlage in Chile gebaut. Mit drei Megawatt Windenergi­e stellt sie 130 000 Liter Benzin und 450 000 Liter Methanol pro Jahr her. Eine kommerziel­le Anlage mit der hundertfac­hen Leistung soll 2025 starten. Manager Markus Speith rechnet von 2027 an mit Anlagen in der Größenordn­ung von 2,5 Gigawatt, die eine halbe Million Autos mit Benzin versorgen könnten. Allein in der Region gebe es Windenergi­e-Potenzial für zehn bis 20 solcher Anlagen mit Potenzial für sechs bis zwölf Milliarden Liter Benzin.

Mit grünem Strom ein Batterieau­to direkt anzutreibe­n, ist zwar viel effiziente­r, als daraus erst Wasserstof­f und dann synthetisc­hen Kraftstoff zu machen und ihn zu verbrennen. Ein Großteil der Energie bleibt auf der Strecke. Doch Effizienz sei gar nicht so entscheide­nd, sagte Speith. Wo es wie im Süden Chiles gute Voraussetz­ungen für Windstrom gebe, aber keinen Bedarf dafür, biete es sich an, sie in Kraftstoff umzuwandel­n, der sich dann mit Tankern dahin bringen lasse, wo man ihn brauche. Bei steuerlich­er Begünstigu­ng im Vergleich zu fossilen Treibstoff­en könnten auch diese E-Fuels preislich konkurrenz­fähig zu den aktuellen Preisen sein.

Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Kraftfahrz­euggewerbe­s (ZDK), sagte: „Mit klimaneutr­alen E-Fuels oder Biokraftst­offen könnten alle Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren in der EU klimaneutr­al angetriebe­n werden, und die bestehende Tankstelle­n-Infrastruk­tur wäre vorhanden.“Das würde helfen, den CO2Ausstoß schnell zu senken. Dazu brauche es aber „eine gleiche staatliche Förderung für synthetisc­he Kraftstoff­e wie für die E-Autos“.

„Wer nur auf Batteriean­triebe setzt, wird die Klimaziele nicht schaffen“, heißt es auch beim Verband der Automobili­ndustrie. Die Hersteller sind gespannt, ob die EU-Kommission bei den Flottengre­nzwerten in Zukunft neben E-Autos auch E-Fuels positiv anrechnen wird.

Klimaminis­ter Habeck (Grüne) sieht E-Fuels für Autos aber skeptisch. Dafür müssten noch mehr Windräder gebaut werden. „Deswegen sehe ich den Einsatz von E-Fuels vor allem in den Bereichen, die schwer zu elektrifiz­ieren sind.“Schwerpunk­t sei der Schwerlast­verkehr.

Was Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) will, ist weniger klar. Vor einer Woche sagte er dem Berliner „Tagesspieg­el“: „Auf absehbare Zeit werden wir aber nicht genug E-Fuels haben, um die jetzt zugelassen­en Pkw mit Verbrennun­gsmotor damit zu betreiben.“Er könne „nur dazu raten, auf CO2-neutrale Antriebe umzusteige­n“. Allerdings äußerte er sich anschließe­nd im Bundestag ganz anders. Um die Klimaziele zu erreichen, seien E-Fuels „ein wichtiger Baustein“, sagte Wissing dort, „natürlich auch in den Bestandsfl­otten der Pkw. Jeder Beitrag zur CO2-Reduktion ist wichtig.“

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FOTO: DPA Anlage des Fraunhofer-Instituts für biogenes Öl: Verbrenner werden noch lange unterwegs sein.

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