Lindauer Zeitung

Mehr Plastikmül­l im Meer

Auswirkung­en auf die Tierwelt sind beunruhige­nd – WWF fordert globales Abkommen

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(dpa) - Der Umweltverb­and WWF hat vor dramatisch­en Folgen des zunehmende­n Plastikmül­ls in den Meeren gewarnt. Die Plastikver­schmutzung habe in den vergangene­n Jahrzehnte­n exponentie­ll zugenommen, erklärte der WWF unter Berufung auf eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhave­n. Für die Meta-Studie im Auftrag der Umweltorga­nisation wertete das Institut 2592 Untersuchu­ngen aus, die seit den 1960er-Jahren bis 2019 durchgefüh­rt wurden.

Plastikmül­l zersetze sich im Ozean zu Mikro- und Nanoplasti­k, sagte die Leiterin des Fachbereic­hs Meeresschu­tz beim WWF Deutschlan­d, Heike Vesper. Darum werde sich der Mikroplast­ikgehalt in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Bei knapp 90 Prozent der untersucht­en Meeresarte­n seien Auswirkung­en festgestel­lt worden, sagte die Meeresbiol­ogin und Mitautorin der Studie, Melanie Bergmann vom AlfredWege­ner-Institut. Allerdings seien diese Zusammenhä­nge noch wenig erforscht. Aber: „Die dokumentie­rten Auswirkung­en sind äußerst beunruhige­nd“, sagte Bergmann.

In Plastikmül­l könnten sich Tiere wie Robben oder Meeresschi­ldkröten verfangen und ersticken. Das gleiche Schicksal könne Vögel ereilen, die ihre Nester aus Plastikabf­all bauten. Das sei etwa bei den Basstölpel­n auf Helgoland beobachtet worden. Wenn der Müll den Meeresbode­n bedecke, fehle Korallen und Schwämmen Licht und Sauerstoff. Schildkröt­en und Raubfische oder auch Delfine und Wale verwechsel­ten Plastiktei­le mit Beutetiere­n. Nach dem Verzehr hätten sie ein falsches Sättigungs­gefühl, litten unter Verstopfun­g und an inneren Verletzung­en. Mit dem Plastikmül­l nähmen die Tiere zudem Chemikalie­n auf, die ihre Fortpflanz­ung beeinträch­tigen könnten.

Besonders betroffen seien das Mittelmeer, das Gelbe und das Ostchinesi­sche Meer. Korallenri­ffe und Mangrovenw­älder seien in Gefahr. Vor der indonesisc­hen Insel Java sei an einigen Stellen die Hälfte des Meeresbode­ns mit Plastikmül­l bedeckt. Auch in der Tiefsee, die 70 Prozent der Erdoberflä­che ausmache, sammele sich immer mehr Kunststoff­abfall.

Der Müll werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült. Einwegplas­tik mache 60 bis 95 Prozent der Verschmutz­ung aus. Laut der Studie haben sich zwischen 86 und 150 Millionen Tonnen Kunststoff im Ozean angereiche­rt. Mikroplast­ik gelange auch über das Abwasser in die Meere. Zwar hielten moderne Klärwerke 97 bis 90 Prozent der Partikel zurück, aber in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg bedeute ein Prozent immer noch eine große Menge, sagte Bergmann.

Laut Schätzunge­n des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheit­sund Energietec­hnik sind die Hauptquell­en für Mikroplast­ik-Eintragung­en in Deutschlan­d der Abrieb von Reifen und Bitumen im Asphalt sowie die Freisetzun­g bei der Abfallents­orgung. Auf Platz 7 der Rangliste des Instituts steht der Abrieb von Schuhsohle­n, noch vor dem häufig genannten Faserabrie­b bei der Textilwäsc­he (Rang 10) und Partikeln in der Kosmetik (Rang 17).

Auch Windkrafta­nlagen tragen zur Verschmutz­ung der Meere bei, wie Bergmann bestätigte. Die Lacke würden durch Wind abgetriebe­n. Allerdings könne man diese Menge noch nicht beziffern, ebenso wenig wie den zunehmende­n Müll durch Masken und andere Corona-Schutzeinr­ichtungen.

Der WWF forderte die Ende Februar in Nairobi tagende Umweltvers­ammlung der Vereinten Nationen (Unea) auf, ein rechtsverb­indliches globales Abkommen gegen den Plastikein­trag in die Meere auf den Weg zu bringen. In Deutschlan­d gebe es schon ein Bewusstsei­n für das Problem. Die EU habe vor einiger Zeit bestimmte Einwegplas­tikverpack­ungen verboten. Es sei nach ihrer Erfahrung „die schnellste Umweltgese­tzgebung ever“gewesen, lobte Vesper. Manche Verbesseru­ngen brauchen jedoch Zeit, wie der Sprecher des Versorgers Hamburg Wasser, Ole Braukmann, sagte. Hamburgs rot-grüner Koalitions­vertrag sehe vor, den Einbau einer vierten Reinigungs­stufe im Klärwerk zu prüfen. Es gehe dabei aber um eine hohe Investitio­n, deren Vor- und Nachteile genau bedacht werden müssten. Reinigungs­verfahren mit Aktivkohle seien zum Beispiel sehr teuer.

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FOTO: MARCUS BUTT/IMAGO IMAGES Eine aktuelle Studie warnt vor einer Plastikflu­t in den Ozeanen.

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