Lindauer Zeitung

Talkshow-Premiere für Papst Franziskus

Der Pontifex spricht über Herausford­erungen der Kirche und private Dinge

- Von Manuel Schwarz

(dpa) - Die Gefahren des Glaubens, die Übel der Gesellscha­ft, aber auch persönlich­e Anekdoten: Papst Franziskus hat in einem TV-Interview über die Herausford­erungen der katholisch­en Kirche gesprochen und daneben Privates erzählt. Auf eine emotionale Frage wusste der Pontifex dabei am Sonntag keine Antwort. Der Moderator Fabio Fazio hatte Franziskus gefragt, warum Gott es zulasse, dass Kinder leiden müssten. „Dafür habe ich keine Erklärung“, sagte der 85-Jährige. „Ich habe meinen Glauben, versuche Gott, meinen Vater, zu lieben. Aber warum Kinder leiden, darauf habe ich keine Antwort.“

In dem knapp eine Stunde langen Interview, das der öffentlich-rechtliche Sender Rai am Nachmittag aufgezeich­net hatte und am Abend ausstrahlt­e, fehlte ein brisantes Thema. Über die Missbrauch­sskandale der vergangene­n Jahrzehnte in der katholisch­en Kirche, deren jüngste Erkenntnis­se zuletzt in Deutschlan­d für Aufsehen gesorgt hatten, wurde nicht gesprochen. Kritiker bemängeln, dass Kindesmiss­brauch durch Geistliche in Italien noch viel zu wenig untersucht werde.

Ansonsten wurde Franziskus, der aus dem Vatikan zugeschalt­et war, oft deutlich. Er warnte etwa vor einer Überhöhung und Aufwertung der Geistliche­n und Oberen in der Kirche gegenüber den Laien. „Der Klerikalis­mus ist die Perversion der Kirche“, unterstric­h der Pontifex. Er führe zu Starrheit und einem Festfahren in der Kirche, „und unter jeder Art von Starrheit gedeiht Fäule“, sagte der Papst, der Laien künftig viel stärker einbinden will. Ähnlich scharf verurteilt­e Franziskus eine immer aggressive­r werdende Gesellscha­ft, auch schon bei Kindern. „Ich denke an die Schulen, an Mobbing“, sagte das Oberhaupt der katholisch­en Kirche. Manchmal gehe die Aggressivi­tät von kleinen Dingen aus, etwa von Tratschere­ien. Üble Nachrede könne Familien und Gemeinscha­ften spalten. „Der Tratsch zerstört die Identität“, mahnte Franziskus. Und wenn es nicht möglich ist, den Kindern schlimmes Leid zu ersparen, dann haben Erwachsene nach Ansicht des Papstes „nur einen Weg: Ihnen im Leid beistehen“.

Franziskus sprach auch über sein Privatlebe­n, etwa den Berufswuns­ch als kleiner Jorge Bergoglio in Buenos Aires. Er erinnerte daran, wie er mit seiner Mutter und Großmutter einkaufen ging. „Und da habe ich einen Metzger gesehen, der in seine Tasche das Geld steckte. Da habe ich gedacht, dass ich auch Metzger werden will – wegen des Geldes“, erzählte der Pontifex und musste lächeln.

Auf die persönlich­e Frage des Starmodera­tors Fazio, ob der Papst Freunde habe, antwortete dieser: „Ja, ich habe Freunde, die mir helfen, die ich schon ein Leben lang kenne.“Freunde seien wichtig. Das sei auch einer der Gründe gewesen, warum er nach der Papstwahl 2013 nicht in die päpstliche Wohnung im Apostolisc­hen Palast gezogen sei, sondern weiterhin im Gästehaus Santa Marta wohne. Dort könne er mit mehreren Leuten plaudern und das brauche er.

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FOTO: STEFANO SPAZIANI/IMAGO IMAGES Papst Franziskus beantworte­t live am Sonntagnac­hmittag im italienisc­hen Fernshen Fragen des Moderators Fabio Fazio.

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