Häfler März-Messen „stark gefährdet“
Messedienstleister verzeichnen nach Äußerungen von Winfried Kretschmann Absagen
- Absagen hagelt es im Südwesten im Veranstaltungssektor und mit Blick auf die Teilnahme an Messen. Das nahm mit der Aussage des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann am 1. Februar zu, dass er er vor Ostern keine Exit-Strategie bei der derzeitigen Lage sehe. Dass mittlerweile über Lockerungen gesprochen wird, ändert nichts daran.
Die Messe Friedrichshafen hält im Moment die Ankündigung von Messen wie etwa der Aqua Fisch (4. bis 6. März) oder der IBO (16. bis 20. März) aufrecht. Allerdings vermeldet sie auch, dass die „Messedurchführung aus aktuellem Anlass stark gefährdet“ist. Tagestickets sind nicht erhältlich, ebenso entfällt die Anmeldung für Aussteller.
Wie viele bereits angemeldete Aussteller schon abgesagt haben, sagt Klaus Wellmann nicht. Er ist Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen. Aber er bestätigt auf Nachfrage grundsätzlich, dass es zu Absagen gekommen ist. Da kämen teils erhebliche Vorlaufkosten ins Spiel.
Das kollidiert bei Ausstellern laut Wellmann mit den derzeit geringen Planungsvorläufen: „Sie ziehen damit in Zweifel, ob sie in die anstehende Veranstaltung investieren sollen.“Der Messechef ergänzt: „Speziell geschürt wurden diese Bedenken auch durch eine in den Augen vieler Menschen willkürliche Verlängerung von Maßnahmen, die sich nicht an den vorher aufgestellten Stufenplan gehalten haben.“
Zu Kretschmanns Worten äußert sich Wellmann dahingehend, dass diese den Rückschluss zuließen, „dass sich Baden-Württemberg noch nicht darauf einstellen soll, dass bald alles grenzenlos und ohne FFP2Maske ermöglicht wird.“Aber es könne auch eine Einstimmung auf weitere Regeln sein, die bislang noch nicht spezifiziert seien. Davon gehe er derzeit aus. Das könnte laut Wellmann auch heißen: „Wirtschaftliches Aufleben in geordneten Bahnen.“
Er weist darauf hin, dass es „auch für die Messebranche wieder eine Durchführungsperspektive geben muss.“Die Erfahrung des letzten Jahres formuliert Wellmann so: „Messen sind an keinem Messeplatz in Deutschland als Pandemietreiber aufgefallen.“
Planbarkeit und Vorlaufzeit sind die Probleme, mit denen Messebauer wie Thomas Mayer und Bernd Weippert zu kämpfen haben. Sie sind die beiden Inhaber von Exakt Messebau in Tettnang und betreuen zahlreiche
Kunden weltweit. Doch wo ein voller Posteingang vor Corona für Freude gesorgt hat, mögen die beiden in den letzten Tagen gar nicht mehr hineinschauen. Denn dort trudelt eine Absage nach der anderen ein.
Das Jahr 2020 war für sie eine Katastrophe. Die Idee, Tiny-Häuser zu verkaufen, scheiterte trotz Interesse an fehlenden Bauplätzen in der Region. 2021 kam zumindest eine schwarze Null raus. Mit viel Energie liefen die Vorbereitungen aufs Frühjahr. Bis Kretschmann sich äußerte. Bernd Weippert sagt: „Die Mitarbeiter sind höchst verunsichert, ob es jetzt zum Beispiel Kündigungen geben wird.“Die kämen nicht, sagt Bernd Weippert, auch dank der verlängerten Kurzarbeitergeldregelung. Die Mannschaft funktioniere noch, das sei wichtig. Eine „Pandemüdigkeit“indes beschreibt Thomas Mayer. Es würden Visionen fehlen und eine Perspektive für die Messe- und die Veranstaltungsbranche. Da habe etwas Licht am Ende des Tunnels gefunkelt, aber mit den Äußerungen sei es dann wieder dunkel geworden.
Natürlich: Im letzten Jahr haben die beiden und ihr Team in den Monaten mit erlaubten Messen zumindest den finanziellen Ausgleich geschafft – aber auch nur, sagen beide, weil sie fast ohne große Pause durchgearbeitet haben. Was im letzten Jahr gelaufen sei, deute sich wieder an, wenn Messen verschoben würden.
Die Terminkollisionen würden dann aber auch dazu führen, dass sie langjährigen Kunden absagen müssten.
Veranstaltungstechniker Stefan Grimm hat zwischenzeitlich ebenfalls seinen Humor verloren. Normalerweise ist der Meckenbeurer Optimist. Ende Januar schreibt er noch optimistisch bei Facebook: „Wir nutzen die Zwangspause für unsere Neuausrichtung im Bereich Tonmischpulte.“
Am Dienstag, 1. Februar, reißt ihm nach den Äußerungen Kretschmanns die Hutschnur. Er schreibt am Abend bei Facebook, dass er fassungslos sei. „Die haben überhaupt keine Ahnung, was sie bei der Veranstaltungsund Messebranche anrichten“, steht da. Und: „Die Branche hat alles dafür getan, dass es endlich weitergeht, die meisten sind geimpft und geboostert, was sollen wir noch dafür tun?“Er weist auch darauf hin, dass nur wenige Bundesländer das Messeverbot haben.
Gegen Ende der Woche ist er wieder sichtlich ruhiger. „In dieser Pandemie gibt es einfach ein Problem mit der Kommunikation“, sagt er im Gespräch. Das mache auch emotional was mit einem. Gerade wenn man mit Leidenschaft dabei sei. Ein Mitarbeiter habe auch schon gefragt: „Werden wir langsam zum Saisonbetrieb?“Die Perspektive sei mit Blick auf die Zeit ab Mai gut. Aber Grimm fürchtet den Herbst 2022: „Kommt da wieder der Winterschlaf?“, fragt er. Er wünscht sich Planbarkeit, Perspektive und dass er sein Schicksal wieder selbst in der Hand hat: „Mir wäre es lieber, ich bräuchte kein Überbrückungsgeld.“Das alles treffe viele: die Messegesellschaft selbst, Dienstleister wie ihn, aber auch das Hotelgewerbe, Taxiunternehmen und mehr.
Bei der Messe Friedrichshafen wartet man die Entwicklung ab, auch wenn Wellmann sagt: „Das Risiko, dass die Veranstaltungen im März nicht durchgeführt werden, ist leider sehr hoch.“Bisher hatte sich die Messe für alle in Frage kommenden staatlichen Unterstützungsprogramme beworfen. Aktuell gelte allerdings: „Die Möglichkeiten des derzeit im Raum stehenden Schutzschirms des Bundes für Messen können wir aktuell noch nicht abschätzen, haben die betroffenen Veranstaltungen jedoch dort angemeldet.“
Die Unterstützung müsse über die reinen Messegesellschaften hinausgehen, sagt KlausWellmann. Der Verband der deutschen Messewirtschaft (AUMA) fordert, dass die Politik in den Sonderfonds auch Aussteller mit ihren Vorlaufkosten und insbesondere die vielen Dienstleister mit aufnimmt. Wellmann: „Das können wir nicht nur nachvollziehen, sondern auch absolut unterstützen.“