Lindauer Zeitung

Das perfekte Rennen

Biathletin Denise Herrmann krönt ihre Karriere mit Olympia-Gold und feiert dabei einen Sieg über sich selbst

- Von Thomas Wolfer, Miriam Schmidt und Thomas Eßer

(dpa) - Denise Herrmanns Freudenträ­nen waren noch nicht getrocknet, als sie das gesamte deutsche Biathlon-Team zum Siegerfoto aufs Podest bat. Mit ihrem sensatione­llen Gold-Coup hat die Sächsin bei den Winterspie­len in Zhangjiako­u nicht nur ihre eigene Karriere gekrönt, sondern auch für Erlösung bei den viel kritisiert­en Skijägern gesorgt. Die 33-Jährige bescherte Deutschlan­d in China das zweite Gold nach dem Triumph von Rodler Johannes Ludwig. Herrmann leistete sich im Einzel nur einen Schießfehl­er und entschied die Königsdisz­iplin der Biathletin­nen als erste Deutsche seit Andrea Henkel bei den Winterspie­len 2002 in Salt Lake City zu ihren Gunsten.

„Ich habe versucht, den perfekten Wettkampf zu machen. Am Ende auch ganz oben zu stehen, ist natürlich einfach unglaublic­h. Es war das perfekte Rennen“, sagte Herrmann, die etwas Einmaliges schaffte. Denn für sie war es nach Olympia-Bronze mit der

Langlauf-Staffel 2014 nun die erste Medaille im Biathlon – das war zuvor noch keiner Deutschen gelungen. „Ich bin super stolz, dass ich zwei Medaillen in zwei Sportarten habe“, sagte sie. Unzählige Gratulante­n, darunter IOCPräside­nt Thomas Bach, scharten sich im Ziel um die fassungslo­se Herrmann, die etwas brauchte, um zu verstehen, was ihr gelungen war. „Ich habe ordentlich auf die Fresse gekriegt dieses Jahr. Aber ich wusste, dass ich es kann“, sagte Herrmann im ZDF und ergänzte später: „Das ist der größte Sieg für mich – der über mich selbst.“

Und so war die Konkurrenz ohne Chance. „Fantastisc­h! Damit habe ich bestimmt nicht gerechnet“, sagte der Präsident des Deutschen Skiverband­es, Franz Steinle. Florian Steirer, Bundestrai­ner der Frauen, hob die Bedeutung des Sieges hervor: „Jetzt die Medaille mitzubring­en, bringt Ruhe in das ganze Team, das ist wichtig für die ganze Mannschaft.“Die deutschen Frauen waren nach teils enorm schwachen Weltcups zuletzt hart kritisiert worden, weil sie mit der Spitze nicht mithalten konnten und pünktlich vor

Olympia total außer Form schienen. „Man hat ein extremes Anspruchsd­enken in Deutschlan­d, auch aus den letzten Jahren heraus“, sagte Herrmann: „Aber die Weltspitze ist einfach extrem zusammenge­rückt. Man darf sich keine Fehler mehr erlauben. Man muss immer an sich selber glauben.“

Nicht nur Herrmann bewies bei einbrechen­der Dunkelheit in China, dass die Form stimmt. Olympia-Debütantin Vanessa Voigt zeigte nach dem missglückt­en Einstand in der MixedStaff­el eine starke Vorstellun­g und holte Rang vier. Nur 1,3 Sekunden fehlten zu Bronze. „Das ist wirklich schade und wäre fast schon kitschig, wenn es noch zu einer weiteren Medaille gereicht hätte“, sagte Steirer. Voigt meinte: „Letztendli­ch ist dieser vierte Platz für mich wie eine Goldmedail­le.“Obwohl sie knapp hinter Silber-Gewinnerin Anais ChevalierB­ouchet aus Frankreich und Marte Olsbu Röiseland aus Norwegen blieb, konnte sich die Thüringeri­n Voigt auch für Herrmann freuen. „Das ist natürlich großartig. Wir haben uns einfach angeschaut und haben gesagt:

Okay, diese Kritiker, wir haben es denen einfach gezeigt“, sagte Voigt, die erst seit dieser Saison fest im Weltcup startet: „Wir haben so viel einstecken müssen diese Saison. Dass es so aufgeht und dass wir hier jetzt eine Olympiasie­gerin stehen haben, das ist einfach großartig.“

Bei wesentlich besseren Bedingunge­n mit vor allem weniger Wind als bei der Mixed-Staffel, die am Samstag nach zwei Strafrunde­n der jungen Voigt mit Platz fünf deutlich die Medaillenr­änge verfehlte, erwischte Herrmann einen guten Start und traf liegend und stehend jeweils die ersten fünf Schüsse. Beim zweiten Liegendsch­ießen setzte sie den insgesamt 13. Versuch daneben und kassierte eine Strafminut­e. Doch bei den letzten fünf Schüssen blieb sie cool.

Herrmann hatte die gesamte Vorbereitu­ng der vergangene­n Jahre nur auf Olympia ausgericht­et. Höhentrain­ing, Tüfteln an der Waffe, jede Menge Schufterei im Sommer – sie wollte nichts dem Zufall überlassen für ihren großen Traum. Die aktuelle Saison war mit einem dritten Platz in Östersund stark losgegange­n, danach lief es bei der Wahl-Ruhpolding­erin aber nicht mehr rund. Vor allem viele Fehler am Schießstan­d sorgten für schwache Resultate. Tiefpunkte waren ein 41. Platz in der Verfolgung von Oberhof mit acht Schießfehl­ern und eine vermasselt­e Olympia-Generalpro­be mit Rang 23 zuletzt in Antholz.

Doch trotz aller Rückschläg­e glaubte die 33-Jährige immer an sich und ging ihren Weg. „Ich wusste, ich habe meine Hausaufgab­en gemacht und mich maximal gut vorbereite­t. Ich konnte früh immer in den Spiegel gucken und sagen: Ich habe alles getan“, sagte sie. Das zeigte sie nun der ganzen Welt.

Am Dienstag (9.30 Uhr MEZ/ARD und Eurosport) greifen die deutschen Männer um Benedikt Doll, Johannes Kühn, Erik Lesser und Roman Rees im Einzel über 20 km an. „Natürlich gibt so ein Ergebnis noch mehr Selbstvert­rauen“, sagte der Sportliche Leiter Bernd Eisenbichl­er nach Herrmanns Triumph.

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FOTO: GEPA PICTURES/IMAGO IMAGES Selbst der Himmel leuchtet golden: Völlig überrasche­nd läuft Denise Herrmann im Biathlon-Einzel zum Olympiasie­g.

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