Lindauer Zeitung

Ein Titel für „ganz oben rein“

Beim Abfahrtssi­eg von Beat Feuz spielt Felix Neureuther eine nicht unwichtige Nebenrolle

- Von Marco Mader

(SID) - Beat Feuz hat fast alles erlebt. Er gewann Gold bei der WM und dreimal im Ski-Mekka Kitzbühel, er durchschri­tt tiefste Täler. Wenn diesem nervenstar­ken Abfahrer die Tränen kommen, muss etwas Außergewöh­nliches passiert sein. Und so war es ja auch in diesem denkwürdig­en Olympia-Rennen in der Königsdisz­iplin: Feuz gewann die begehrtest­e Goldmedail­le der Szene.

Danach saß der kleine „Kugelblitz“aus der Schweiz am Fuße des ausnahmswe­ise fast windstille­n Berges Xiaohaituo über sein Handy gebeugt im Ziel und weinte wie ein Baby. „Da sind alle Emotionen hochgekomm­en“, berichtete der 34-Jährige über das Telefonat mit Freundin Katrin und der kleinen Tochter Clea, seine gesamte Karriere sei vor ihm abgelaufen, „das Schöne, aber auch das Negative.“

Wie seine schwere Knieverlet­zung, wegen der er 2013 beinahe aufgegeben hätte. Dass er weiter kämpfte, lag auch ein bisschen am Zuspruch von Felix Neureuther. „Man kann sich nicht vorstellen, wie sein Knie ausgesehen hat“, sagte Neureuther, „das war unfassbar, ungefähr doppelt so dick wie sein Oberschenk­el.“

Niemand, nicht mal sein „guter Freund“Feuz selbst, ergänzte Neureuther, habe da gedacht, „dass er jemals wieder ein normales Leben führen kann“. Geschweige denn halsbreche­rischen Abfahrtssp­ort betreiben. Feuz suchte den Rat von Neureuther­s Physiother­apeut Max Merkel und griff neu an.

Dass er jetzt in Yanqing in den Olymp raste, „ist für mich unglaublic­h“, sagte Neureuther. Dessen gutes Zureden vor neun Jahren war allerdings der einzige erfolgreic­he deutsche Beitrag zu diesem Rennen: Das DSV-Quartett wurde schwer geschlagen, Dominik Schwaiger stürzte sogar schwer, kam aber glimpflich davon. Bei 128 Kilometer verlor der Oberbayer die Kontrolle minutenlan­g bei klirrender Kälte im Schnee liegen. Dann wurde er mit schmerzend­em Arm in einem Rettungssc­hlitten weggefahre­n. Wenig später kam die Entwarnung: Schwaiger zog sich nach Angaben des Deutschen Skiverband­es eine Prellung am linken Unterarm und Ellenbogen zu.

Feuz dagegen schickte einen großen „Dank nach Hause“, nach Tirol. Dort wartet neben Katrin und Clea die Mitte Januar geborene Luisa. „Die Familie ist für mich das Höchste“, sagte Feuz, aber auch „dieser Titel gehört ganz oben rein.“

Vor ihm waren drei Schweizer Olympia-Könige: Bernhard Russi (1972), Pirmin Zurbriggen (1988) und Didier Defago (2010). Die Pistenbaue­r Russi und Defago schneidert­en ihm die 2950 Meter lange „Rock“auf

Cheftraine­r Christian Schwaiger über die Leistungen der deutschen Fahrer den Leib. Nach seiner cleveren Fahrt musste er lediglich bei Johan Clarey noch zittern: Der Franzose war nur 0,10 Sekunden langsamer und raste vor Matthias Mayer (Österreich) mit 41 Jahren als ältester alpiner Medailleng­ewinner zu Silber.

Die Deutschen? „Satz mit X“, meinte Josef Ferstl, der hinter Romed Baumann (13.) und Andreas Sander (17.) auf Rang 23 kam. Schwaiger war froh, dass er sich nicht schwerer verletzte. „Wir sind einfach nicht bei der Musik“, sagte Cheftraine­r Christian Schwaiger bedient, in den Kurven könnten seine Athleten „mit der absoluten Weltklasse nicht mithalten“– keine gute Aussicht für den Super-G am Dienstag (11 Uhr OZ/4 Uhr MEZ). „Auf Wunder braucht man nicht hoffen“, sagte Schwaiger.

Und so blieb nur die Bewunderun­g für „Mega-Athlet“Beat Feuz. Der hat übrigens schon Pläne für die Zeit nach Olympia: Wenn Corona mitspielt, will er nach Norwegen in Urlaub. Neureuther­s Frau Miriam hatte ihm da schon mal ein Haus besorgt.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Beat Feuz auf dem Weg zur Olympische­n Goldmedail­le in der Abfahrt.

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