Lindauer Zeitung

Lauterbach hält Söders Impfpflich­t-Absage für gefährlich

Auch CDU-Chef Merz fordert bundesweit­e Aussetzung der Vorgaben für Gesundheit­s- und Pflegeberu­fe

- Von Hajo Zenker und dpa

- Für ein „sehr gefährlich­es Signal“hält Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) Versuche aus der Union, die ab Mitte März geltende Impfpflich­t im Gesundheit­swesen nicht umzusetzen. Wenn ein Ministerpr­äsident wie Markus Söder (CSU) bundesweit gültige Gesetze nicht achten wolle, sei das den Bürgern kaum vermittelb­ar, die sich seit Monaten gesetzestr­eu verhielten, sagte Lauterbach am Dienstag. Offenbar würden die Proteste gegen die Impfpflich­t wichtiger genommen als der Schutz sehr verletzlic­her Bevölkerun­gsgruppen. Allerdings musste der Minister einräumen, dass der Bund keine Möglichkei­t habe, den Vollzug durchzuset­zen. Das sei Ländersach­e. Er könne nur Hilfe bei der Umsetzung anbieten. Aus Bayern habe es indes gar kein Hilfeersuc­hen gegeben, er sei von der Ankündigun­g überrascht worden.

Söder hatte am Montag angekündig­t, die ab Mitte März geltende Impfpflich­t für das Personal etwa in Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en oder Behinderte­neinrichtu­ngen in Bayern vorerst nicht umzusetzen. Denn sie könne die Situation in der Pflege deutlich verschlech­tern, etwa wegen der drohenden Abwanderun­g von Fachkräfte­n. Arbeitgebe­r müssen die Gesundheit­sämter informiere­n, wenn Mitarbeite­r nicht immunisier­t sind. Diese können dann die Beschäftig­ung in der Einrichtun­g untersagen.

Im Dezember hatte das Gesetz Bundestag und Bundesrat passiert – mit den Stimmen der Union. Jetzt aber plädierten auch CDU-Chef Friedrich Merz und der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Union, Tino

Sorge, für eine bundesweit­e Aussetzung. Dagegen kündigte SchleswigH­olsteins CDU-Ministerpr­äsident Daniel Günther an, die Impfpflich­t umzusetzen.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) äußerte am Dienstag in Stuttgart sein Unverständ­nis darüber, dass Bayern die gesetzlich­e Impfpflich­t für Beschäftig­te in Kliniken und Pflegeheim­en vorerst nicht umsetzen will. „Bestimmte Risiken dieser Verordnung waren bekannt, als wir das beschlosse­n haben“, sagte der Grünen-Regierungs­chef am Dienstag in Stuttgart. Dass ungeimpfte Pflegekräf­te wegen der

Impfpflich­t ihren Beruf verlassen könnten, damit habe man schon vor dem Beschluss in Bundestag und Bundesrat rechnen müssen. Kretschman­n betonte: „Ich halte mich einfach an die Gesetze.“Auf den Einwand, so argumentie­re Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) auch, sagte er: „Dann ist ja gut.“Winfried Kretschman­n ergänzte: „Wir können ein Bundesgese­tz nicht aussetzen.“Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) erklärte Bayern bei Corona zu einem „komplett unberechen­baren Faktor“. Dass nun sogar „die Umsetzung eines Bundesgese­tzes auf nicht absehbare Zeit verweigert wird, hat allerdings eine neue Qualität“. Und für die Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK, Verena Bentele, ist die Ankündigun­g „demokratie­verachtend“.

Der Präsident des Bundessozi­algerichts, Rainer Schlegel, sagte, dass er das Vorgehen Söders für unzulässig hält. Wenn ein Gesetz im Bundesgese­tzblatt verkündet worden sei, „kann man nicht einfach sagen, ich setze das aus“. Das Infektions­schutzgese­tz lege eindeutig fest, dass Ungeimpfte ab dem 16. März in bestimmten Pflege- und Gesundheit­seinrichtu­ngen nicht mehr arbeiten dürften. Ausnahmen auf Landeseben­e seien nur zulässig, wenn es nicht genug Impfstoff gebe.

Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek erklärte am Dienstag, der Freistaat setze auf eine „Umsetzung mit Augenmaß, bei der auch die berechtigt­en und wichtigen Belange der betroffene­n Einrichtun­gen sowie der ohnehin am Limit agierenden Gesundheit­sämter berücksich­tigt werden“. Das schon im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlosse­ne Gesetz legt fest, dass Beschäftig­te in Pflegeheim­en und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen – oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgebe­r müssen die Gesundheit­sämter informiere­n, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftig­ung in der Einrichtun­g untersagen.

Trotz der Debatte geht Minister Lauterbach aber nicht davon aus, dass damit die für März geplante Abstimmung im Bundestag über eine generelle Impfpflich­t für alle oder einen Teil der Erwachsene­n beeinfluss­t wird: „Das bedeutet für die allgemeine Impfpflich­t gar nichts.“

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Söders Spezialdis­ziplin: die Sonderrout­e

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