Wenn’s ums Geld geht...
Die Sparkassen im Südwesten hadern mit den Urteilen zu Kontoführungsgebühren und Prämiensparverträgen
- Zwei BGH-Urteile aus dem vergangenen Jahr machen den 50 Sparkassen im Südwesten mit ihren rund fünf Millionen Kunden aktuell kräftig zu schaffen. Das gestand der Präsident des Sparkassenverbands BadenWürttemberg, Peter Schneider, anlässlich der Vorstellung der Jahresergebnisse der Institutsgruppe am Dienstag in Stuttgart ein.
Im April 2021 hatte das oberste Gericht in Karlsruhe der Gepflogenheit vieler Banken und Sparkassen einen Riegel vorgeschoben, die Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preisen (AGB) ohne eine aktive Zustimmung der Kunden vorzunehmen. Ein fehlender Widerspruch galt bisher als Zustimmung. Damit ist es seitdem vorbei.
Im Oktober dann der nächste Nackenschlag. Der BGH hatte Zinsanpassungsklauseln in sogenannten Prämiensparverträgen für unwirksam erklärt. Viele Institute müssen die seit 1991 verkauften Sparprodukte nun nachberechnen und gegebenenfalls nachzahlen – auch Sparkassen im Südwesten.
Mit Blick auf die BGH-Entscheide sprach Schneider von „Themen, die enorm viel Arbeit verursachen“. Während das AGB-Urteil vor allem administrativ einen riesigen Aufwand mit sich bringe, würde die neue Rechtslage bei den Prämiensparverträgen für einige der 50 Sparkassen in Baden-Württemberg auch ökonomisch „hochrelevant“sein.
Um die Zustimmung zu den aktuellen Kontogebühren einzuholen, haben die Institute in den vergangenen Monaten jeden einzelnen Kontoinhaber angeschrieben. Aktuell, so Schneider, hätten zwischen 70 und knapp 90 Prozent der Kundschaft in den einzelnen Häusern die AGBs akzeptiert. Das Problem seien die restlichen Kunden, bei denen, aus welchen Gründen auch immer, die Zustimmung ausstehe und obendrein nicht sicher sei, ob diese jemals gegeben werde.
Zu einer Kündigung seitens der Sparkasse sei man in solchen Fällen aber noch nicht bereit. „Wir sind da nicht auf rechtssicherem Terrain“, sagte Schneider mit Verweis auf den öffentlichen Auftrag der Sparkassen, die Bevölkerung mit Bankdienstleistungen zu versorgen. Auch der Rechtsanspruch auf ein Girokonto stehe dem entgegen. Stattdessen setze man vorerst weiter darauf, „möglichst viele Zustimmungen zu bekommen“.
Gleichzeitig kritisierte der Sparkassenpräsident den „unmöglichen Zustand“und „das Tohuwabohu“, wie seit dem BGH-Urteil mit Massenverträgen umgegangen werden müsse. Den Gesetzgeber forderte Schneider auf, ein praktikables und rechtssicheres Verfahren zu entwickeln.
Eine einheitliche Linie, wie die Sparkassen im Südwesten mit Rückforderungen von Kontogebühren seitens der Kundschaft umgehen, gibt es laut Schneider nicht. „Es gibt
Häuser, die haben umfangreich erstattet, andere nur auf Verlangen und für eine ganze Reihe stellt sich das Problem gar nicht“, erklärte der Banker. Ganze 368 Streitschlichtungen habe es bislang gegeben – bei fünf Millionen Sparkassenkunden im Südwesten. „Die meisten Kunden sind offensichtlich der Auffassung, dass ihre Zahlungen für die erhaltenen Leistungen angemessen waren“, sagt Schneider.
Mit Blick auf die unwirksamen Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen wehrte sich der Sparkassenpräsident vehement gegen den Vorwurf, Kunden übervorteilt zu haben. „Das ist ein exzellentes Produkt was nie in Verruf geraten wäre, hätten wir eine normale Zinspolitik“, ätzte Schneider in Richtung Europäische Zentralbank.
Der BGH hatte mit seinem Urteil Anfang Oktober festgestellt, dass Zinsanpassungsklauseln in langfristigen, variabel verzinsten Sparverträgen unwirksam sind, wenn das Kreditinstitut die Sätze nach Belieben anpassen kann. Das ist vielfach geschehen. Damit haben die Richter den Weg für Zinsnachzahlungen geebnet, allerdings muss noch entschieden werden, welcher Referenzzinssatz für die Nachberechnung zugrunde gelegt werden soll.
Schneider zufolge empfehle der Verband den Sparkassen im Südwesten, Kunden, die für eine höhere Verzinsung ihrer alten Prämiensparverträge streiten, Vergleichsangebote zu machen. Das Problem: Ohne eine Festlegung auf einen Referenzzinssatz sind diese Vergleiche im Nachhinein womöglich anfechtbar. Verbraucherschützer jedenfalls empfehlen, eventuelle Vergleichsangebote nicht voreilig anzunehmen.
Wie viele Verträge die Thematik im Sparkassensektor in Baden-Württemberg betrifft ließ Schneider offen. Er gab jedoch zu, dass einige Sparkassenchefs darüber „ins Schwitzen“geraten dürften.
Davon abgesehen bilanzierte der Verbandspräsident den 50 Sparkassen im vergangenen Jahr ein „überragendes Kundengeschäft“. Die Einlagen stiegen um 4,4 Prozent auf 166 Milliarden Euro. Auch das Kreditvolumen legte weiter zu. Ende 2021 hatten die Institute 151,5 Milliarden Euro an Privathaushalte, Unternehmen und Selbstständige verliehen – 5,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Unter dem Strich verdienten die Sparkassen 2021 insgesamt 873 Millionen Euro nach 899 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.