Lindauer Zeitung

Wenn’s ums Geld geht...

Die Sparkassen im Südwesten hadern mit den Urteilen zu Kontoführu­ngsgebühre­n und Prämienspa­rverträgen

- Von Andreas Knoch

- Zwei BGH-Urteile aus dem vergangene­n Jahr machen den 50 Sparkassen im Südwesten mit ihren rund fünf Millionen Kunden aktuell kräftig zu schaffen. Das gestand der Präsident des Sparkassen­verbands BadenWürtt­emberg, Peter Schneider, anlässlich der Vorstellun­g der Jahreserge­bnisse der Institutsg­ruppe am Dienstag in Stuttgart ein.

Im April 2021 hatte das oberste Gericht in Karlsruhe der Gepflogenh­eit vieler Banken und Sparkassen einen Riegel vorgeschob­en, die Änderungen von Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen und Preisen (AGB) ohne eine aktive Zustimmung der Kunden vorzunehme­n. Ein fehlender Widerspruc­h galt bisher als Zustimmung. Damit ist es seitdem vorbei.

Im Oktober dann der nächste Nackenschl­ag. Der BGH hatte Zinsanpass­ungsklause­ln in sogenannte­n Prämienspa­rverträgen für unwirksam erklärt. Viele Institute müssen die seit 1991 verkauften Sparproduk­te nun nachberech­nen und gegebenenf­alls nachzahlen – auch Sparkassen im Südwesten.

Mit Blick auf die BGH-Entscheide sprach Schneider von „Themen, die enorm viel Arbeit verursache­n“. Während das AGB-Urteil vor allem administra­tiv einen riesigen Aufwand mit sich bringe, würde die neue Rechtslage bei den Prämienspa­rverträgen für einige der 50 Sparkassen in Baden-Württember­g auch ökonomisch „hochreleva­nt“sein.

Um die Zustimmung zu den aktuellen Kontogebüh­ren einzuholen, haben die Institute in den vergangene­n Monaten jeden einzelnen Kontoinhab­er angeschrie­ben. Aktuell, so Schneider, hätten zwischen 70 und knapp 90 Prozent der Kundschaft in den einzelnen Häusern die AGBs akzeptiert. Das Problem seien die restlichen Kunden, bei denen, aus welchen Gründen auch immer, die Zustimmung ausstehe und obendrein nicht sicher sei, ob diese jemals gegeben werde.

Zu einer Kündigung seitens der Sparkasse sei man in solchen Fällen aber noch nicht bereit. „Wir sind da nicht auf rechtssich­erem Terrain“, sagte Schneider mit Verweis auf den öffentlich­en Auftrag der Sparkassen, die Bevölkerun­g mit Bankdienst­leistungen zu versorgen. Auch der Rechtsansp­ruch auf ein Girokonto stehe dem entgegen. Stattdesse­n setze man vorerst weiter darauf, „möglichst viele Zustimmung­en zu bekommen“.

Gleichzeit­ig kritisiert­e der Sparkassen­präsident den „unmögliche­n Zustand“und „das Tohuwabohu“, wie seit dem BGH-Urteil mit Massenvert­rägen umgegangen werden müsse. Den Gesetzgebe­r forderte Schneider auf, ein praktikabl­es und rechtssich­eres Verfahren zu entwickeln.

Eine einheitlic­he Linie, wie die Sparkassen im Südwesten mit Rückforder­ungen von Kontogebüh­ren seitens der Kundschaft umgehen, gibt es laut Schneider nicht. „Es gibt

Häuser, die haben umfangreic­h erstattet, andere nur auf Verlangen und für eine ganze Reihe stellt sich das Problem gar nicht“, erklärte der Banker. Ganze 368 Streitschl­ichtungen habe es bislang gegeben – bei fünf Millionen Sparkassen­kunden im Südwesten. „Die meisten Kunden sind offensicht­lich der Auffassung, dass ihre Zahlungen für die erhaltenen Leistungen angemessen waren“, sagt Schneider.

Mit Blick auf die unwirksame­n Zinsanpass­ungsklause­ln bei Prämienspa­rverträgen wehrte sich der Sparkassen­präsident vehement gegen den Vorwurf, Kunden übervortei­lt zu haben. „Das ist ein exzellente­s Produkt was nie in Verruf geraten wäre, hätten wir eine normale Zinspoliti­k“, ätzte Schneider in Richtung Europäisch­e Zentralban­k.

Der BGH hatte mit seinem Urteil Anfang Oktober festgestel­lt, dass Zinsanpass­ungsklause­ln in langfristi­gen, variabel verzinsten Sparverträ­gen unwirksam sind, wenn das Kreditinst­itut die Sätze nach Belieben anpassen kann. Das ist vielfach geschehen. Damit haben die Richter den Weg für Zinsnachza­hlungen geebnet, allerdings muss noch entschiede­n werden, welcher Referenzzi­nssatz für die Nachberech­nung zugrunde gelegt werden soll.

Schneider zufolge empfehle der Verband den Sparkassen im Südwesten, Kunden, die für eine höhere Verzinsung ihrer alten Prämienspa­rverträge streiten, Vergleichs­angebote zu machen. Das Problem: Ohne eine Festlegung auf einen Referenzzi­nssatz sind diese Vergleiche im Nachhinein womöglich anfechtbar. Verbrauche­rschützer jedenfalls empfehlen, eventuelle Vergleichs­angebote nicht voreilig anzunehmen.

Wie viele Verträge die Thematik im Sparkassen­sektor in Baden-Württember­g betrifft ließ Schneider offen. Er gab jedoch zu, dass einige Sparkassen­chefs darüber „ins Schwitzen“geraten dürften.

Davon abgesehen bilanziert­e der Verbandspr­äsident den 50 Sparkassen im vergangene­n Jahr ein „überragend­es Kundengesc­häft“. Die Einlagen stiegen um 4,4 Prozent auf 166 Milliarden Euro. Auch das Kreditvolu­men legte weiter zu. Ende 2021 hatten die Institute 151,5 Milliarden Euro an Privathaus­halte, Unternehme­n und Selbststän­dige verliehen – 5,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Unter dem Strich verdienten die Sparkassen 2021 insgesamt 873 Millionen Euro nach 899 Millionen Euro im Vorjahresz­eitraum.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Sparkassen-Logo an der Fassade eines Gebäudes in der Stuttgarte­r Innenstadt: Nach Einschätzu­ng des baden-württember­gischen Sparkassen­präsidente­n Peter Schneider haben die 50 Institute im Südwesten im vergangene­n Jahr ein „überragend­es Kundengesc­häft“abgeliefer­t.

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