Falsche Polizisten vom Bodensee in München vor Gericht
Trio war Teil einer international agierenden Bande – Ihre Beute betrug rund 315 000 Euro
– Womöglich wären Doris B. der Ärger und die Ängste erspart geblieben, trüge sie einen anderen Vornamen. Sabine beispielsweise. Oder Hannah. Doch vermutlich weil nur wenige Eltern ihre Kinder in den vergangenen Jahrzehnten den Vornamen Doris mit auf den Lebensweg gegeben haben, klingelte bei der 86-Jährigen aus Tuttlingen an jenem unheilvollen Tag im März 2020 das Telefon.
Am Apparat bei diesem und weiteren Anrufen waren zwei Polizisten namens Kaiser und Schneider – zumindest sagten das die Männer am Telefon. Sie erzählten Doris B., dass sie einen Verbrecher festgenommen und bei ihm eine Liste mit Namen und Kontonummern gefunden hätten – darunter auch ihre Daten. Da der Betrüger einen Komplizen bei der örtlichen Kreissparkasse habe, so die Anrufer, solle die 86-Jährige dort umgehend 18 000 Euro abheben und den Polizisten übergeben – zur Aufbewahrung.
Die verängstigte Frau tat wie geheißen und legte das Geld in einen Umschlag vor ihre Haustür. Kurz darauf wurde es abgeholt – aber nicht etwa von einem Polizisten, sondern von einem jungen Mann aus Überlingen. Fast ein Jahr später sitzt dieser 22-Jährige im Saal B 166 des Münchner Landgerichts, Seite an Seite mit seinem Bruder (25) und dessen Freundin (24) aus Friedrichshafen. Die drei sind angeklagt wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs; zusammen mit weiteren Tätern sollen sie ältere Frauen in Baden-Württemberg und Bayern um mehr als 315 000 Euro erleichtert haben – stets mit der gleichen Betrugsmasche des falschen Polizisten.
Dieser Modus Operandi erfreut sich bei Kriminellen seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Allein in Baden-Württemberg wurden 2020 laut Landeskriminalamt mehr als 10 000 Fälle bekannt – mit einer Gesamtbeute von 10,5 Millionen Euro. Einer Recherche von Report München und rbb 24 zufolge gab es bundesweit von 2018 bis 2020 mehr als 154 000 Betrugsfälle mit falschen Polizisten. Dabei erbeuteten die Banden, deren Strippenzieher oft im Ausland sitzen, Geld, Schmuck und Gold im Wert von mehr als 120 Millionen Euro.
Auch das Trio vom Bodensee war laut Staatsanwaltschaft Teil einer international organisierten, arbeitsteiligen Kriminalitätsstruktur. Die Anrufer, die gezielt Opfer mit altmodischen Namen aussuchten, saßen in Callcentern im Ausland, vor allem in der Türkei. Ihre Rufnummern manipulierten sie derart, dass beim Angerufenen etwa die örtliche Vorwahl auf dem Display aufleuchtete.
Den Brüdern aus Überlingen kam die Rolle als Abholer zu. Sie fuhren zu den Adressen in Tuttlingen, Lindau und anderen Orten, nahmen das Geld in Empfang und übergaben es danach einem weiteren Bandenmitglied. Der jüngere der beiden, dem 13 Taten zur Last gelegt werden, erhielt 1500 bis 1800 Euro je Auftrag. Seinem Bruder, der in sechs Fällen angeklagt ist, gab er jeweils mindestens 500 Euro ab. Derweil soll die 24-Jährige aus Friedrichshafen laut Staatsanwaltschaft den Männern bei drei Taten ihr Auto zur Verfügung gestellt haben.
Am ersten Prozesstag erscheinen die Brüder in Turnschuhen und sportlicher Kleidung im Gericht – die langen Haare haben beide zum Dutt hochgebunden. Mit gesenktem Blick lauschen sie der Anklageschrift, die detailliert beschreibt, wie ihre Bande die 91-jährige Hildegard J. in Murnau, die 80-jährige Rita W. in Schwäbisch Gmünd, die 78-jährige Barbara H. in Lindau und weitere Seniorinnen um ihr Erspartes brachte – mal 23 000 Euro, mal 27 000 Euro, mal 59 000 Euro.
Später schildern die Brüder ihre Lebensläufe, die vor der Untersuchungshaft von Drogen und der Liebe zu schnellen Autos geprägt waren. Für ihren Prozess sind 14 Verhandlungstage angesetzt, jedoch könnte es auch schneller gehen. So habe es im Vorfeld zwei Rechtsgespräche gegeben, ein weiteres sei geplant, sagt die Richterin. Verhandelt wird dabei über einen sogenannten Deal, also die Zusicherung eines Strafrahmens im Gegenzug für ein Geständnis.