Lindauer Zeitung

Mit „Tapestry“in den Pop-Olymp

Die Sängerin und Songwriter­in Carole King wird 80 – Eigentlich schrieb sie ihre Songs für andere

- Von Werner Herpell

Es sind zwölf Songs, ein Dutzend perfekte Pop-Perlen, die Carole King 1971 in die höchsten Höhen der Musikwelt katapultie­ren. Von „I Feel The Earth Move“und „It’s Too Late“über „You’ve Got A Friend“bis zum Abschlusss­tück „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“: Mit einer enormen Dichte an qualitativ hochwertig­en Softrockun­d Soulhits ist „Tapestry“bis heute ein phänomenal­es Ohrwurm-Album, für viele Kritiker eines der besten aller Zeiten.

Der damals knapp 30-jährigen USMusikeri­n sichert es 313 Wochen hintereina­nder einen Platz in den Charts, davon 15 auf Rang eins. Mindestens 25 Millionen Mal soll die Platte mit dem liebenswer­t-biederen Covermotiv – King barfuß und mit Strickzeug am Fenster, vor ihr eine Miezekatze – verkauft worden sein. Millionen Fans dürften „Tapestry“wohl auch am Mittwoch zu Ehren dieser herausrage­nden Sängerin, Songwriter­in und Pianistin wieder gern hören, denn dann wird sie 80 Jahre alt.

Geboren als Carole Klein in New York, lernt sie bereits als kleines Mädchen Klavier spielen, sammelt erste Erfahrunge­n in lokalen Bands und trifft mit 17 einen ebenfalls noch sehr jungen Mann, der ihren künstleris­chen Weg eine wichtige Zeit lang begleitet. Aus Gerry Goffin und ihr wird ein Ehe- und bald auch ein Elternpaar. Und aus Goffin/King ein herausrage­ndes Songschrei­ber-Gespann.

Die Ballade „Will You Still Love Me Tomorrow“– später von King selbst für „Tapestry“eingespiel­t – wird 1960 ein Hit der Shirelles. Mit „Cryin’ In The Rain“haben die Everly Brothers Erfolg, mit „The LocoMotion“die Sängerin Little Eva. „Take Good Care Of My Baby“wird von Bobby Vee veredelt. Kings HighSchool-Freund Neil Sedaka trauert der Ex 1961 mit „Oh! Carol“hinterher, die Beatles-Genies John Lennon und Paul McCartney geben später zu: „Unser Ziel war es, Kompositio­nen im Stil von Carole King und Gerry Goffin zu schreiben.“

Die Songschrei­ber-Partnersch­aft mit Goffin (1939-2014) funktionie­rt, die Ehe nicht. Mit zwei Töchtern zieht Carole King 1967 von der Ostküste nach Los Angeles – und hat als Komponisti­n nichts verlernt: „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“, das sie mit ihrem neuen Partner Charles Larkey schreibt, wird in der Interpreta­tion der „Queen of Soul“Aretha Franklin ein Erfolg.

Im Verlauf der 1970er-Jahre knüpft die so bodenständ­ig und natürlich wirkende Sängerin mit der Lockenmähn­e auf Nummer-1-Alben wie „Music“und „Wrap Around Joy“zeitweise an ihre Hitphase an, aber die Mutter dreier Kinder sucht auch nicht unbedingt das Rampenlich­t. In den 80ern und 90ern ergeht es ihr wie vielen Künstlern der NachWoodst­ock-Ära: Sie gerät hinter Post-Punk, „New Romantics“-Sound, Synthiepop und Grunge-Rock mit ihrer bewährten Songwriter-Musik ins Abseits. Das Comeback „Love Makes The World“(2001), eine Autobiogra­fie und Nostalgie-Konzerte mit dem alten Weggefährt­en James Taylor werden gesäumt von Ehrungen für Kings Lebenswerk. Zu den bisher letzten wichtigen Veröffentl­ichungen zählt der Mitschnitt eines legendären Auftritts 2016 im Londoner Hyde Park vor 60 000 Fans, bei dem sie „Tapestry“in Gänze präsentier­t. Mit dem alles überragend­en, vieles auch überschatt­enden Großwerk hat sich die Musikerin längst arrangiert.

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FOTO: PETER FOLEY/DPA Carole King im Jahr 2016.

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