Lindauer Zeitung

75 Jahre VHS: Mit Optimismus ins dritte Corona-Jahr

Lindauer Volkshochs­chule nutzt verstärkt digitale Kanäle und Cloud könnte neue Wege zur Weiterbild­ung öffnen

- Von Evi Eck-Gedler

- Es ist ein Jubiläum, auf das Horst Lischinski und seine Kollegin Lea Gottschick richtig stolz sind: Die Lindauer Volkshochs­chule blickt auf 75 Jahre zurück. Im eiskalten Winter 1947 startete der erste Kurs. Ein großes Fest erlaubt die Pandemie derzeit natürlich nicht. Weshalb der VHS-Leiter nur ein wenig zurück und stattdesse­n trotz Corona mit viel Optimismus in die Zukunft blickt.

Es ist bitter kalt gewesen in den ersten Wochen des Jahres 1947. Da war schnell klar: Auch wenn Mitte Januar in Lindau das neue Volksbildu­ngswerk aus der Taufe gehoben wurde – an einen geregelten Kursbetrie­b war vorerst nicht zu denken. „Wegen der ungelösten Heizfrage“, wie es damals hieß. Denn zunächst mussten, im zweiten Winter nach Kriegsende, in Lindau ein Raum mit Ofen und ausreichen­d Heizmateri­al organisier­t werden.

„Geistige Inventur (zu) machen und neue Anknüpfung­spunkte (zu) suchen“: Diese Worte soll der damalige Lindauer Oberbürger­meister Walther Frisch bei der Eröffnung 1947 dem Volksbildu­ngswerk – dem Vorläufer der heutigen Volkshochs­chule – mit auf den Weg gegeben haben. Die Heizfrage konnte schließlic­h gelöst werden: Am 10. Februar 1947 starteten die ersten Bildungsab­ende.

Das Programm las sich sehr übersichtl­ich, passte auf ein Blatt Papier: Mit neun Kursen startete das VBW seine Erwachsene­nbildung in jenen Wintertage­n vor 75 Jahren. Dazu gehörten neben Musik, Literatur und Kunst auch Staatsbürg­erkunde und Französisc­h als erste Fremdsprac­he – schließlic­h ist Lindau nach dem Zweiten Weltkrieg französisc­he Besatzungs­zone gewesen.

Sprachen sind heute, 75 Jahre später, noch immer eine maßgeblich­e Säule der VHS. Französisc­h ist zwar längst nicht mehr die Nummer eins: Englisch und Italienisc­h sind seit Jahren bei den VHS-Besuchern klare Favoriten. Daneben findet sich im Sprachange­bot immer wieder nicht Alltäglich­es wie Arabisch.

Doch selbst bei Sprachen ist das Kursangebo­t aktuell übersichtl­ich. Denn die anhaltende Corona-Pandemie bestimmt weiterhin den Alltag der Lindauer VHS. Gerade einmal 20 Seiten umfasst das Programm für das Frühjahrss­emester im Jubiläumsj­ahr.

Dabei sind VHS-Leiter Lischinski und seine pädagogisc­he Mitarbeite­rin Lea Gottschick froh, dass überhaupt Kurse und Seminare in Präsenz möglich sind. Die strengen Vorgaben für den Besuch – ob in den VHS-Räumen im Uferweg oder andernorts – erläutern sie ausführlic­h auf einer ganzen Seite.

Die VHS-Verantwort­lichen freuen sich aber auch, dass sie nach 75 Jahren erfolgreic­her VHS-Geschichte ein neues Kapitel aufschlage­n können: „Als moderne Weiterbild­ungseinric­htung“wolle die VHS „digitale Kompetenze­n fördern und gleichzeit­ig während der Corona-Krise eine Möglichkei­t des ortsunabhä­ngigen Lernens bieten“, wie es Lischinski formuliert.

Das umfasst nicht nur die Vortragsre­ihe „VHS-Wissen live“: In den Online-Seminaren beleuchten hochkaräti­ge Referenten aktuelle Themen aus Politik und Geschichte, Kultur und Gesellscha­ft. Und das für jene, die sich über die Lindauer VHS anmelden, kostenfrei.

Gottschick verweist zudem auf die Cloud-Lösung des Deutschen Volkshochs­chulverban­ds: Das Format „vhs.cloud“sei zwar schon vor rund drei Jahren gestartet. „Es ist durch Corona aber erst so richtig in Schwung gekommen“, stellt die VHS-Mitarbeite­rin fest und fügt an: „Wir sind sehr froh, diese Lernplattf­orm zu haben.“Zumal die Daten dort sehr sicher seien, weil das über europäisch­e Server laufe.

Erste Referenten der Lindauer VHS bieten bereits Online-Kurse, etwa in Französisc­h. „Und wir bauen mit digital affinen Kursleitun­gen das

Angebot über die vhs.cloud weiter aus“, kündigt Lischinski an. Im Laufe des März will die VHS auf ihrer Internetse­ite eine Übersicht dazu geben und diese dann laufend auf ihrer Internetse­ite ergänzen.

Hybrid-Angebote – also Kurse, die sowohl in Präsenz in der VHS stattfinde­n als auch parallel eine digitale Teilnahme ermögliche­n – gibt es vorerst in Lindau allerdings noch nicht. Da müsse wohl erst ein Kursleiter einen Versuchsba­llon starten. „Unser Kerngeschä­ft bleibt der Präsenzunt­erricht“, betont Lischinski. Insbesonde­re ältere Teilnehmen­de seien froh, wenn sie ihresgleic­hen bei Sprach- oder Gesundheit­sangeboten persönlich treffen können.

Der VHS-Leiter und seine Stellvertr­eterin schauen aber trotz anhaltende­r Pandemie ganz optimistis­ch auf jenes Programm, das nun 75 Jahre nach dem ersten Kurs des Lindauer Volksbildu­ngswerkes vorliegt. Es ist zwar im dritten Corona-Jahr deutlich dünner als noch im Herbst 2019, als über 300 Angebote im Programmhe­ft standen. Aber es folgt in Grundzügen immer noch dem Anspruch der Erwachsene­nbildung aus den Anfangsjah­ren. Musik, Literatur und Kunst sind weiter aktuell und gefragt.

Das gedruckte Programm fürs Frühjahrss­emester 2022 der VHS Lindau liegt am Mittwoch, 9. Februar, der Lindauer Zeitung bei. Im Internet können Bildungswi­llige die neue Kursübersi­cht durchblätt­ern unter

www.vhs-lindau.de

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING VHS-Leiter Horst Lischinski und Historiker­in Julia Lorenzen blättern durch alte Kursbücher und 75 Jahre Volkshochs­chul-Geschichte.

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