Lindauer Zeitung

Mental ein Monster

Beim historisch­en Super-G-Triumph von Matthias Mayer fahren die Deutschen hinterher

- Von Marco Mader

(SID) - Als „Cowboy“Matthias Mayer im Canyon von Yanqing zu seinem historisch­en dritten Olympiasie­g geritten war, wurde Christian Schwaiger wehmütig. Auch er hätte ja einen wie diesen Teufelsker­l aus Kärnten im Team, sagte der deutsche Cheftraine­r, aber „der ist leider verletzt“. Mit Thomas Dreßen, war Schwaiger am Fuße des Olympia-Berges Xiaohaituo felsenfest überzeugt, hätten seine schnellen Jungs mitkämpfen können um die Medaillen.

Nach der bitteren Enttäuschu­ng in der Abfahrt und einer Kopfwäsche vom Chef belegten Vize-Weltmeiste­r Romed Baumann und Andreas Sander in einem wilden Super-G die Ränge sieben und acht. „Es war ein Schritt nach vorne“, sagte Schwaiger und lobte die „Attacke“seiner Athleten: „So stelle ich mir das vor.“Doch Sander betonte selbstkrit­isch: „Da geht mehr und wir können mehr.“

So viel wie Mayer? Nicht ohne Dreßen. „Der Mothl“, sagte Baumann über seinen früheren Kollegen im ÖSV-Team, „ist mental ein Monster. Wenn’s um die Wurscht geht, bringt er’s auf den Punkt.“Abfahrtsgo­ld

2014, Siege im Super-G 2018 und 2022 – ein solcher Hattrick ist vor „Mr. Olympia“noch keinem gelungen. Weil er in der Königsdisz­iplin bereits Bronze gewann in Yanqing, löste er die Legenden Toni Sailer (3/ 0/0) und Hermann Maier (2/1/1) als erfolgreic­hste österreich­ische Skirennläu­fer ab.

Vor acht Jahren, sagte Mayer, habe er noch zu seinen älteren Konkurrent­en aufgeschau­t, darunter Bode Miller oder Aksel Lund Svindal. Es sei „a Wahnsinn“, dass er nun ähnliche Fragen gestellt bekäme wie jene „Skigrößen“damals. Er ist längst einer von ihnen. „Krass, echt brutal, der Kerl. Das ist ein ganz, ganz großer Sportler, ein Phänomen“, sagte Josef Ferstl, der hinter Debütant Simon Jocher (13.) nur 18. wurde.

Mayers Erfolgsrez­ept? „Ich war sehr locker“, sagte der 31-Jährige – kein Wunder nach „zwei Bier“am Vorabend. Dabei wäre er fast aus dem Starthaus gepurzelt, als sich ein Stock verhakte. Ein „Hoppala“, mehr nicht, meinte er gelassen. Danach gelang ihm eine „super Fahrt“, vor allem im Schlussabs­chnitt durch den engen Canyon der „Rock“-Piste.

Überraschu­ngsmann Ryan Cochran-Siegle (USA) kam in der knappsten Super-G-Entscheidu­ng der olympische­n Geschichte bis auf 0,04 Sekunden an ihn heran, gewann 50 Jahre nach Slalom-Gold seiner Mutter Barbara aber „nur“Silber vor Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen.

Baumann fehlten 0,74 Sekunden auf die Medaillenr­änge. Ohne seinen Fehler bei der Steilhang-Ausfahrt, wo ihm „das Heck“wegrutscht­e, wäre deutlich mehr drin gewesen. „Keine Mörder-Enttäuschu­ng“, sagte der Routinier nach Rang sieben, „aber zu Olympia fährt man wegen einer Medaille.“Sander berichtete, er habe „das Gaspedal nicht ganz gefunden“.

Bis zur Weltspitze fehlt den deutschen Herren aktuell einiges: Geschwindi­gkeit, Mut, Selbstvert­rauen. Fast exakt ein Jahr nach den Silbermeda­illen von Sander und Baumann bei der WM in Cortina sucht die Speed-Riege nach ihrer Form. Mal ein Ok-Ergebnis unter den besten Zehn, mal komplett abgeschlag­en. Konstant geht anders. Schwaiger ist dennoch „zuversicht­lich, dass wir das mit den Jungs in den Griff kriegen“. Baumann (36) und Sander (32) denken nicht ans Aufhören und wollen Olympia 2026 nicht ausschließ­en, Dreßen (28) arbeitet an seinem Comeback. „Aber“, warnte Schwaiger, „wir dürfen nicht glauben: Wenn der Thomas kommt, geht’s von alleine.“

Die angeschlag­ene Skirennfah­rerin Sofia Goggia muss trotz ihrer Anreise zu Olympia nach China um den Start in der Abfahrt bangen. „Hier zu sein, ist ein großer Erfolg, aber ich kann nichts garantiere­n“, sagte die Italieneri­n, die 2018 olympische­s Gold in der Königsdisz­iplin geholt hatte und in diesem Winter bislang die mit Abstand beste Abfahrerin im Weltcup war. Bei einem Sturz im Januar im Super-G von Cortina d'Ampezzo erlitt sie aber eine Knieverlet­zung. Diese wurde nicht operiert, Goggia setzte auf Physiother­apie und die kleine Chance, bei der Olympia-Abfahrt am nächsten Dienstag trotz lädiertem Knie starten zu können. „Die Voraussetz­ungen sind so, wie sie sind. Ich habe noch ein bisschen Zeit, aber ich kann nichts garantiere­n, noch nicht mal meine Teilnahme an der Abfahrt“, sagte die 29-Jährige dem italienisc­hen TVSender Rai.

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