Zorn auf übermotivierte Skisprung-Kontrolleurin
Nach der Flut von Disqualifikationen im Mixed steht Aga Baczkowska im Mittelpunkt
(SID) - Nachdem sie nicht nur Katharina Althaus ins dunkle Tal der Tränen befördert hatte, war die meistgehasste Frau des Skispringens mit ihrer Tagesbilanz zufrieden. „Das ist mein härtester Tag in zehn Jahren als Materialkontrolleurin gewesen“, so Agnieszka Baczkowska: „Ich muss aber dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen haben, denn es geht um Gerechtigkeit.“
Der Gerechtigkeit hatte sie am Montagabend in Zhangjiakou bei der olympischen Mixed-Premiere zumindest aus ihrer Sicht genüge getan. Fünf Springerinnen disqualifizierte Baczkowska wegen irregulärer Anzüge, allesamt aus Topnationen. Betroffen waren auch Deutschland und die Olympiazweite Althaus. Der Wettkampf verkam zur Farce.
Die Empörung über die gestrenge Polin war groß. „Mein Herz ist gebrochen, bei 160 Weltcups, fünf Weltmeisterschaften und dreimal Olympia zum ersten Mal disqualifiziert“, meinte die in Tränen aufgelöste Althaus. Der 25Jährigen ging es laut Teammanager Horst Hüttel auch am Dienstag „nicht gut“. Althaus habe versucht, sich abzulenken, sagte er. „Sie waren gerade im olympischen Dorf, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber sie ist natürlich noch frustriert, und da kann man nicht erwarten, dass das in einem Tag abgeschüttelt wird, dafür saß der Schmerz zu tief.“
Stefan Horngacher haderte ebenfalls. „Wir sind schon sehr verfolgt von diesen Kontrollen“, sagte der Männer-Bundestrainer, mit Baczkowska aus seiner Zeit als Polens Nationalcoach bestens vertraut. Baczkowska, seit bald zwei Jahrzehnten
im Skisprung-Hintergrund tätig, steht plötzlich im Mittelpunkt. Schon am Samstag hatte sie im Frauen-Einzel die Österreicherin Sophie Sorschag wegen unzulässig überklebter Sponsorenlogos disqualifiziert. Zwei Tage später musste „Aga“Interview um Interview geben. Den Wirbel verstand sie nicht.
„Was soll ich denn machen, wenn jemand mit einem zehn Zentimeter zu großen Anzug springt? Also bitte! Das sieht man ja schon mit bloßem Auge“, sagte die studierte Anglistin und Sportwissenschaftlerin. Die Kritik an ihrer Person returnierte Baczkowska via Frontalangriff auf die Betroffenen: „Ich hätte nicht gedacht, dass dies bei Olympia passieren kann. Ich war davon ausgegangen, dass sich die Teams vorbereiten und den Wettkampf ernst nehmen.“
Mario Stecher, Sportdirektor der ebenfalls betroffenen Österreicher, bestätigte dann auch unfreiwillig, dass die Teams das Regelwerk eher als unverbindliche Empfehlung ansehen. „Im Weltcup gibt es teilweise Anzüge, die so groß sind, dass man glaubt, man ist beim Tiroler Zeltverleih“, polterte er: „Bei Olympia greift man schließlich rigoros durch. Da muss ich mich schon fragen, ob das der richtige Weg ist.“Deutschlands Teammanager Hüttel meinte: „Natürlich bewegt man sich an gewissen Limits, aber die wurden ja im Einzel-Wettbewerb und vorher auch ein Stück weit angegangen und diskutiert, aber nie überzogen.“
Fakt ist: Zumindest bei der Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz und der Japanerin Sara Takanashi bestätigten die Teams selbst, dass die Anzüge zu groß waren. Dass der Zorn der Skisprungwelt Baczkowska traf, war also vielleicht zu billig. „Ich“, sagte sie, „mache nur meinen Job.“
Agnieszka Baczkowska