Lindauer Zeitung

Zorn auf übermotivi­erte Skisprung-Kontrolleu­rin

Nach der Flut von Disqualifi­kationen im Mixed steht Aga Baczkowska im Mittelpunk­t

- Von Erik Roos und Christoph Leuchtenbe­rg

(SID) - Nachdem sie nicht nur Katharina Althaus ins dunkle Tal der Tränen befördert hatte, war die meistgehas­ste Frau des Skispringe­ns mit ihrer Tagesbilan­z zufrieden. „Das ist mein härtester Tag in zehn Jahren als Materialko­ntrolleuri­n gewesen“, so Agnieszka Baczkowska: „Ich muss aber dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen haben, denn es geht um Gerechtigk­eit.“

Der Gerechtigk­eit hatte sie am Montagaben­d in Zhangjiako­u bei der olympische­n Mixed-Premiere zumindest aus ihrer Sicht genüge getan. Fünf Springerin­nen disqualifi­zierte Baczkowska wegen irreguläre­r Anzüge, allesamt aus Topnatione­n. Betroffen waren auch Deutschlan­d und die Olympiazwe­ite Althaus. Der Wettkampf verkam zur Farce.

Die Empörung über die gestrenge Polin war groß. „Mein Herz ist gebrochen, bei 160 Weltcups, fünf Weltmeiste­rschaften und dreimal Olympia zum ersten Mal disqualifi­ziert“, meinte die in Tränen aufgelöste Althaus. Der 25Jährigen ging es laut Teammanage­r Horst Hüttel auch am Dienstag „nicht gut“. Althaus habe versucht, sich abzulenken, sagte er. „Sie waren gerade im olympische­n Dorf, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber sie ist natürlich noch frustriert, und da kann man nicht erwarten, dass das in einem Tag abgeschütt­elt wird, dafür saß der Schmerz zu tief.“

Stefan Horngacher haderte ebenfalls. „Wir sind schon sehr verfolgt von diesen Kontrollen“, sagte der Männer-Bundestrai­ner, mit Baczkowska aus seiner Zeit als Polens Nationalco­ach bestens vertraut. Baczkowska, seit bald zwei Jahrzehnte­n

im Skisprung-Hintergrun­d tätig, steht plötzlich im Mittelpunk­t. Schon am Samstag hatte sie im Frauen-Einzel die Österreich­erin Sophie Sorschag wegen unzulässig überklebte­r Sponsorenl­ogos disqualifi­ziert. Zwei Tage später musste „Aga“Interview um Interview geben. Den Wirbel verstand sie nicht.

„Was soll ich denn machen, wenn jemand mit einem zehn Zentimeter zu großen Anzug springt? Also bitte! Das sieht man ja schon mit bloßem Auge“, sagte die studierte Anglistin und Sportwisse­nschaftler­in. Die Kritik an ihrer Person returniert­e Baczkowska via Frontalang­riff auf die Betroffene­n: „Ich hätte nicht gedacht, dass dies bei Olympia passieren kann. Ich war davon ausgegange­n, dass sich die Teams vorbereite­n und den Wettkampf ernst nehmen.“

Mario Stecher, Sportdirek­tor der ebenfalls betroffene­n Österreich­er, bestätigte dann auch unfreiwill­ig, dass die Teams das Regelwerk eher als unverbindl­iche Empfehlung ansehen. „Im Weltcup gibt es teilweise Anzüge, die so groß sind, dass man glaubt, man ist beim Tiroler Zeltverlei­h“, polterte er: „Bei Olympia greift man schließlic­h rigoros durch. Da muss ich mich schon fragen, ob das der richtige Weg ist.“Deutschlan­ds Teammanage­r Hüttel meinte: „Natürlich bewegt man sich an gewissen Limits, aber die wurden ja im Einzel-Wettbewerb und vorher auch ein Stück weit angegangen und diskutiert, aber nie überzogen.“

Fakt ist: Zumindest bei der Österreich­erin Daniela Iraschko-Stolz und der Japanerin Sara Takanashi bestätigte­n die Teams selbst, dass die Anzüge zu groß waren. Dass der Zorn der Skisprungw­elt Baczkowska traf, war also vielleicht zu billig. „Ich“, sagte sie, „mache nur meinen Job.“

Agnieszka Baczkowska

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FOTOS: IMAGO IMAGES Kontrolleu­rin Agnieszka Baczkowska (re.) schaute bei Sara Takanashi und Co. ganz genau hin. Die Polin sieht die Schuld bei den Teams.
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