Attentäter Abdeslam bricht sein Schweigen vor Gericht
Überlebender Terrorist der Pariser Anschläge spricht über IS-Propaganda statt über Hintermänner
- Der schmale Mann mit weißem Hemd und weißer Maske begann seine Aussage mit einem Statement in eigener Sache. „Ich habe niemanden getötet und niemanden verletzt“, sagte Salah Abdeslam, der einzige überlebende Attentäter der Pariser Anschläge des 13. November 2015 mit mehr als 130 Toten. „Man kann nicht sagen, dass ich den Lebensweg eines Terrorkämpfers habe.“Mehr als fünf Jahre lang hatte der 32-Jährige geschwiegen. Doch der Franko-Marokkaner nutzte seinen Auftritt von allem für Propaganda für die Terrororganisation „Islamischer Staat“(IS), die sich zu den Angriffen bekannt hatte. Gleichzeitig achtete Abdeslam sorgsam darauf, weder Komplizen noch Hintermänner der Angriffe zu belasten.
Abdeslam gehörte zu einer Gruppe von Männern, die 2015 im Brüsseler Stadtteil Molenbeek eine islamistische Zelle bildeten. Zentrum ihrer Aktivitäten war das Café Béguine von Brahim Abdeslam, der dort laut Zeugenaussagen Videos des IS zeigte. „Mein großer Bruder ist fünf Jahre älter und ich habe viel Respekt für ihn“, bekannte der Angeklagte. Dass Brahim sich 2015 in Syrien aufhielt, habe er erst Monate später erfahren. „Sie haben ihm dort gesagt, dass er nach Belgien zurückkehren und dort auf eine Mission warten soll.“
Dabei handelte es sich offensichtlich um die schwerste Anschlagserie, die Frankreich je erschütterte. Brahim
Abdeslam gehörte zu dem Terrorkommando, das sich am Abend des 13. November 2015 vor dem Stade de France, mehreren Cafés und im Konzertsaal Bataclan in die Luft sprengte. Der ältere Bruder starb vor dem Restaurant Comptoir Voltaire. Salah Abdeslam warf dagegen seinen Sprengstoffgürtel weg und kehrte noch in der Terrornacht mit zwei Fluchthelfern im Auto nach Belgien zurück, wo er im März 2016 festgenommen wurde.
Das Verfahren gegen ihn und 19 weitere Angeklagte, darunter sechs Abwesende, begann unter großem Aufwand im September im alten Pariser Justizpalast. Damals hatte Abdeslam Aufsehen erregt, als er auf die Frage nach seinen Personalien sagte: „Ich habe jedem Beruf entsagt, um Kämpfer des „Islamischen Staates“zu werden.“Abdelhamid Abaaoud, den getöteten Drahtzieher der Pariser Anschläge, kannte er seit mehr als zehn Jahren.
„Abdelhamid Abaaoud ist mein Bruder. Das ist jemand, den ich sehr liebte“, bekannte Abdeslam, der alle Fragen der Richter höflich beantwortete. Abaaoud hatte sich in Syrien in einem Video inszeniert, auf dem er lachend zu sehen ist, wie er Leichen im Auto hinter sich herzieht. Auf die Frage des Richters JeanLouis Périès, ob er IS-Praktiken wie Enthauptungen gutheiße, antwortete Abdeslam: „Ich kann dazu weder Ja noch Nein sagen. In Frankreich gab es auch Enthauptungen, bevor die Todesstrafe abgeschafft wurde.“Périès wies ihn umgehend darauf hin, dass in Frankreich ein Todesurteil nicht ohne Gerichtsverfahren vollstreckt werde.
Überlebende der Attentate zeigten sich erleichtert, dass Abdeslam so bereitwillig Auskunft gab. „Er wurde offensichtlich gut von seinen Anwälten vorbereitet“, sagte der Lehrer Christophe Naudin, der am Abend des 13. November stundenlang im Konzertsaal Bataclan ausgeharrt hatte. Angst mache ihm der Angeklagte nicht. „Er erinnert mich eher an die kleinen Gauner, die bei meiner Mutter im Haus unten wohnen.“