Lindauer Zeitung

Horrorfahr­t eines Betrunkene­n

Lastwagenf­ahrer rammt in Fürth mehr als 30 Autos und setzt ein Haus in Brand

- Von Irena Güttel

(dpa) - Die Fassade des Hauses ist schwarz vom Ruß, die Fenster sind gesprungen, die Tür provisoris­ch mit Brettern zugenagelt. Davor ein weißer Kastenwage­n, eingequets­cht zwischen einem demolierte­n Sattelzug und anderen Autos. Trümmertei­le und Glassplitt­er liegen überall herum. Bewohnerin­nen und Bewohner der Straße in Fürth stehen am Mittwoch schockiert dazwischen und können noch immer nicht glauben, welche Verwüstung der betrunkene Fahrer des Sattelzugs am Abend zuvor angerichte­t hat.

„Es sieht aus wie nach einem Krieg“, sagt Canan Bozdogan. Die junge Frau war am Dienstagab­end gerade dabei, Abendessen für ihre beiden Kinder vorzuberei­ten, als sie einen lauten Knall hörte. Als sie aus dem Küchenfens­ter blickte, sah sie einen Lastwagen, der wie außer Kontrolle die Straße herunterdo­nnerte, gegen parkende Autos krachte und diese vor sich her gegen Hauswände schob. „Funken sprühten, dann ging alles in Flammen auf“, berichtet sie.

Drei Verletzte, mehr als 30 beschädigt­e Autos, ein Haus vorerst unbewohnba­r – so lautet die Bilanz der Polizei am Ende der Irrfahrt. Die Beamten nahmen den 50-jährigen Fahrer fest. Im Laufe des Mittwochs sollte er vor einen Ermittlung­srichter kommen. Es handele sich um einen Verkehrsun­fall, ein Terrorakt könne ausgeschlo­ssen werden, sagt der Leiter der Fürther Polizeiins­pektion, Bernd Wolf.

Trotzdem waren am Tag danach noch viele Fragen offen: Wieso raste der Fahrer erst über eine rote Ampel, stieß mit einem Auto zusammen und fuhr dann einfach weiter die Straße hinunter? War er wegen seines Alkoholpeg­els unzurechnu­ngsfähig? Oder gab es einen technische­n Defekt? Die Polizei ermittelt gegen den Mann wegen Körperverl­etzung, Unfallfluc­ht und fahrlässig­er Brandstift­ung.

Während ein älterer Herr am Mittwochvo­rmittag bereits die Scherben vom Gehweg vor seinem Haus fegt und eine andere Nachbarin

Fenster putzt, steht Ahmet Sugurlu zwischen den Absperrung­en und gibt ein Interview nach dem anderen. Der junge Mann, der in einem Eckhaus wohnt, war als einer der ersten Helfer auf der Straße. Er habe erst einem orientieru­ngslosen Mann geholfen und dann den Lastwagenf­ahrer von den brennenden Fahrzeugen weggetrage­n, erzählt er.

Der junge Mann ist selbst bei der freiwillig­en Feuerwehr in Fürth, war an dem Abend aber eigentlich nicht im Einsatz. Noch immer kommt es ihm unwirklich vor, was vor seiner Haustür passiert ist. „Man kann es kaum in Worte fassen, wie es gestern hier aussah, wie auf einem Schlachtfe­ld“, sagt er und zeigt auf ein Haus, bei dem an vielen Fenstern die Rollläden in der großen Hitze geschmolze­n sind. Ein Glück sei, dass das Unglück so spät passiert sei, meint Sugurlu. „Normalerwe­ise ist die Straße sehr belebt.“

Auch Fürths Oberbürger­meister Thomas Jung (SPD) spricht von einem Wunder, dass es keine Toten gegeben habe. Der Politiker wohnt ganz in der Nähe der verwüstete­n Straße und hat sich aufgeschre­ckt von den vielen Sirenen am Dienstagab­end auf sein Fahrrad geschwunge­n. „Ich habe eine Szenerie gesehen, wie ich sie eigentlich nur aus Filmen von Terroreins­ätzen in amerikanis­chen Großstädte­n kenne“, sagt er. Es sei unfassbar, was ein einziger Lkw außer Kontrolle anrichten kann.

Deshalb fordert Jung, Konsequenz­en aus dem Vorfall zu ziehen. „Man muss sich wirklich Gedanken machen, wie das mit Lkw-Gefahren in großstädti­schen Wohngebiet­en ausschaut. Aber das ist keine Sache, die die Stadt Fürth entscheide­n kann. Das müssen sich Menschen in den Ministerie­n anschauen.“

Eine Spezialfir­ma wollte am Mittwoch mit einem Kran anrücken, um den tonnenschw­eren Sattelzug abzutransp­ortieren. Einige schrottrei­fe Autos konnten die Einsatzkrä­fte noch in der Nacht bergen. Die Reparatura­rbeiten in der Straße werden sich allerdings noch länger hinziehen: Die Polizei schätzt den Schaden auf einen siebenstel­ligen Betrag.

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FOTO: OSSWALD/AFP Ein Bild der Verwüstung bot sich der Feuerwehr in Fürth.

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