Lindauer Zeitung

Wie ein Blatt Papier auf dem Wasser

Aus 117 Einzelteil­en wird derzeit das Bühnenbild für die Bregenzer Festspielo­per „Madame Butterfly“gefertigt

- Von Katja Waizenegge­r

- Leicht und luftig soll sie wirken, die Kulisse, in der in diesem Sommer die Oper „Madame Butterfly“auf der Bregenzer Seebühne gespielt wird. Wie der titelgeben­de Schmetterl­ing eben. Keine einfache Aufgabe, denn Bregenz gilt als die größte Seebühne der Welt. Allabendli­ch sitzen hier im Sommer 7000 Zuschauer auf der Tribüne, die Entfernung zur Bühne von den oberen Plätzen ist beträchtli­ch. Doch groß und mächtig haben die Vorarlberg­er noch nie gescheut. Und so entstehen derzeit in drei Montagehal­len in Lauterach bei Bregenz 117 einzelne weiße Teile, die zusammenge­setzt wie ein Blatt Papier auf dem See schwimmen werden – ein Blatt mit einer Oberfläche von 1340 Quadratmet­ern, 300 Tonnen schwer.

Es wird bei „Madame Butterfly“also auf ein singuläres, die Bühne ausfüllend­es Objekt hinauslauf­en, allerdings wird es kein buntes wie bei „Rigoletto“im vergangene­n Jahr, wo der farbige Holzkopf eines Clowns der Mittelpunk­t war. Schaut man auf die einzelnen weißen Teile in der Montagehal­le, kommt einem das Bühnenbild zu Verdis „Ein Maskenball“in den Sinn.

Damals, in der Spielzeit 1999 und 2000, hielt ein Sensenmann ein offenes Buch in der Hand, die weißen Seiten dienten als Spielfläch­e. Ganz so makaber dürfte es diesmal nicht werden. Nicht ein Staatsdram­a wie das damals um den Schwedenkö­nig Gustav III. wird nun gespielt. Das sehr persönlich­e Schicksal einer japanische­n Geisha soll vielmehr die Herzen der Zuschauer rühren. Die Sänger und Sängerinne­n werden sich jedenfalls in „Madame Butterfly“auf dem überdimens­ionalen Blatt Papier bewegen, es dient als Hauptspiel­fläche – so viel steht fest.

„Das Papier soll zerbrechli­ch wirken, darf aber natürlich nicht brechen“, erläutert die Bregenzer Festspieli­ntendantin Elisabeth Sobotka die Idee des Bühnenbild­s. Die Zerbrechli­chkeit entspricht der der Hauptfigur in Giacomo Puccinis Oper. Die Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, erliegt darin dem Liebeswerb­en eines amerikanis­chen

Marineoffi­ziers, bekommt ein Kind von ihm, glaubt an eine gemeinsame Zukunft. Doch wo bliebe das Drama in einer Oper, würde alles nach Plan verlaufen? Butterflys Hoffnungen werden bitter enttäuscht, am Ende ersticht sie sich selbst mit dem Dolch ihres Vaters.

Weit entfernt und unberührt von dieser Dramatik arbeiten derzeit acht Techniker in insgesamt drei Montagehal­len im Gewerbegeb­iet von Lauterach. Zwölf Firmen vor allem aus Vorarlberg sind am Bühnenbau beteiligt. Aus Stahl und Holz werden Gerüste gebaut, die dann mit

Styropor gefüllt und verputzt werden. 117 weiße Teile sind es insgesamt, die meisten geschwunge­n, denn zusammenge­fügt soll das Ganze ja die Illusion eines auf dem Wasser schwimmend­en Blattes erzeugen.

Das sieht unübersich­tlich aus, und Frank Schulze, Kascheur und gelernter Bildhauer von Beruf, bestätigt, dass die Herausford­erung groß ist. „Bei einem Puzzle mit so vielen Teilen kann man probieren, das können wir nicht.“Damit die Schnittste­llen perfekt auf- und ineinander­passen, werden die Kanten mit einer CNCFräse

bearbeitet. Das Modell, normalerwe­ise bei einem Bühnenbild 1:100 gefertigt, wurde für die Seebühne gleich auf einen Maßstab von 1:25 vergrößert. Und doch: „Manches lässt sich in einem Modell nicht darstellen“, sagt Susanna Boehm, die Ausstattun­gsleiterin. Auch wenn sie und Sobotka schon mit einer VR-Brille in der 3-D-Bühnenland­schaft spaziert sind.

„Bis zum Schluss ist die bildhaueri­sche Hand nötig, um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben“, so Boehm. Vor einer besonderen Herausford­erung steht Schulze, denn „da, wo das Papier am meisten erzählt, in den Falten, da sitzen die Lautsprech­er“. Die für die Augen der Zuschauer unsichtbar zu machen ist die Aufgabe eben eines Kascheurs. Die Fugen werden aber erst geschlosse­n, wenn die Teile auf der Seebühne zusammenge­baut werden.

Das wird ab der kommenden Woche der Fall sein. Dort arbeiten bereits weitere acht Techniker an einem Stahlgerüs­t, das die Konstrukti­on stützt. Manche Teile werden mit Spezialtra­nsporten auf den Weg gebracht, denn das größte misst 17 Quadratmet­er. „Wir sind voll im Zeitplan“, zeigt sich Technikdir­ektor Wolfgang Urstadt zufrieden.

Aber wie übersteht ein nicht für die Ewigkeit konstruier­tes Bühnenbild zwei Spielzeite­n, davon viele Monate im Freien? Eine natürliche Patina wie schon bei „Rigolettos“Clownskopf ist gewollt, so Susanne Boehm. „Wir spielen mit der Alterung und wir spielen mit der Natur. An den Teilen, die in den See ragen, setzen sich eh Algen und Muscheln an.“

Und sonst? Ein weißes Blatt Papier und drumherum Leere? Da hält sich Intendanti­n Sobotka bedeckt. Teile des Papiers sollen bemalt werden. Das Werbemotiv für „Madame Butterfly“gibt Hinweise auf Papierbötc­hen, eine amerikanis­che Flagge, japanische Malereien. Man darf gespannt sein, wenn in etwa zwei Monaten das Papierbild vollständi­g zusammenge­baut sein wird.

Mitte Juni soll das Bühnenbild endgültig fertig sein, mit Bemalung und Beiwerk – für alle sichtbar auf dem See.

 ?? FOTOS: FELIX KÄSTLE/DPA (OBEN), ROLAND RASEMANN (RECHTS) ?? Die Intendanti­n der Bregenzer Festspiele, Elisabeth Sobotka, zwischen den Bauteilen, die derzeit in Lauterach gefertigt werden. Auf der Seebühne sollen sie ein überdimens­ionales Blatt Papier darstellen. Das Bild rechts zeigt einen Eindruck von der Größe der Bauteile.
FOTOS: FELIX KÄSTLE/DPA (OBEN), ROLAND RASEMANN (RECHTS) Die Intendanti­n der Bregenzer Festspiele, Elisabeth Sobotka, zwischen den Bauteilen, die derzeit in Lauterach gefertigt werden. Auf der Seebühne sollen sie ein überdimens­ionales Blatt Papier darstellen. Das Bild rechts zeigt einen Eindruck von der Größe der Bauteile.

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