Salatöl, Pflegemittel und Feuerteufel
Ein Fall aus Lindenberg zeigt, wie gefährlich das beliebte Leinöl sein kann – Was Experten raten
WESTALLGÄU/OBERALLGÄU - Leinöl hat sich bewährt: Schon im Mittelalter nutzten es Schreiner für die Holzpflege und in der Malerei ist es „eines der wichtigsten Bindemittel überhaupt“, sagt die Lindenberger Restauratorin Julika Ullmann. Auch sie nutzt es für ihre Arbeit – mit Vorsicht. Ullmann bewahrt es fest verschlossen in einer Blechdose auf. Denn Leinöl kann großen Schaden verursachen. Wirft man etwa nach dem Einölen von Holz die benutzten Lappen auf einen Haufen, können sie sich selbst entzünden. So geschehen bei einem Brand in Lindenberg: Brandursache war laut Feuerwehr mit Leinöl getränktes Material, das Feuer fing. Ein Müllsack erwies sich dort als Quelle des Rauchs. Leinöl spielte wohl auch vergangenes Jahr im Oberallgäuer Wertach beim Brand der Alten Mühle eine Rolle. Dort waren benutzte Leinöllappen liegengelassen worden. Das Feuer sorgte für einen Schaden von mehr als einer halben Million Euro.
Doch was ist Leinöl überhaupt? Nicht nur im Handwerkerregal findet es Platz. Es eignet sich auch als Salatöl, gilt als sehr gesund und ist reich an ungesättigten Fettsäuren. Leinöl entsteht beim Pressen von Flachssamen. Als Holzschutz wird es seit Jahrhunderten etwa für Möbel, Fenster und Türen eingesetzt. Zum Einreiben von Holzböden kommt Leinölfirnis zum Einsatz. Dabei sind dem Öl Trocknungsmittel und weitere Stoffe beigefügt. Leinölfirnis dringt tief in die Holzoberfläche ein, sättigt die Holzporen und verbindet sich so zu einer Schutzschicht. Ob Leinöl oder Leinölfirnis – beides ist brandgefährlich.
Die Flüssigkeit als Feuerauslöser ist im Vergleich zu anderen Ursachen wie verbranntes Essen zwar „ganz, ganz selten“, sagt Kreisbrandrat Wolfgang Endres. Er warnt aber vor allem Hobbyhandwerker, die Gefahr zu unterschätzen. Brände, die auf Leinöl zurückzuführen sind, entstünden „immer wieder“; zum Großteil in Privathäusern und nicht in Handwerksbetrieben.
Ein möglicher Grund laut Endres: Wohnungen ohne Garten können zum Leichtsinn verführen. Das Feuer in Lindenberg etwa entstand im Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. „Man muss die Tücher rausbringen zum Trocknen“, sagt der
Kreisbrandrat. Wenn aber kein Garten mit Wäscheleine vorhanden ist, landen die Öltücher eben kurzerhand im Müll oder provisorisch in der Dose. Handwerker kennen die Brandgefahr von Leinöl in der Regel. Zu Vorfällen kommt es aber trotzdem ab und an – aufgrund von Nachlässigkeit. „Es gibt immer wieder Schreinereien, die wegen Öl abbrennen“, sagt Roland Breyer. Er ist Obermeister der Schreinerinnung Lindau und betreibt in Heimenkirch selbst eine Schreinerei.
In seiner Branche ist die Brandgefahr, die von Öl ausgeht, schon in der Lehre großes Thema. Breyers Auszubildende etwa besuchen das Memminger Berufsschulzentrum über eine Woche hinweg ausschließlich für einen Kurs zur Oberflächenpflege. „Sie lernen, wie sie mit Gefahrenstoffen umgehen“, sagt Breyer. Denn nicht nur Leinöl birgt ein Risiko: „Das gilt für Öle generell.“
In Schreinereien sollte es daher einen Raum geben, in dem mit Stoffen wie Leinöl zur Holzpflege gearbeitet wird. Verbaut sind dort beispielsweise Brandschutztüren und -lampen, erklärt Breyer. Breyer und seine Kollegen hängen in Öl getränkte Tücher zudem nach der Verarbeitung draußen an eine Wäscheleine ausgefaltet zum Trocknen auf. Denn vor allem dann, wenn die Feuchtigkeit schwindet, kann es auch ohne fremde Hitze richtig gefährlich werden, sagt die Lindenberger Restauratorin Julika Ullmann. Sie verwendet die Flüssigkeit in erster Linie zum Binden ihrer Farben. So erhalten die Gemälde, die sie restauriert, einen natürlichen Schutz.
Eine chemische Reaktion, die bei Leinöl in Verbindung mit Sauerstoff entsteht, entzieht dem Öl Feuchtigkeit und setzt Wärme frei. Staut sich diese Wärme etwa in einem zusammengeknüllten Tuch, kann es zu einem Schwelbrand kommen. Knüllt man das benutzte Material nicht, besteht keine Gefahr. „Meine Bilder fangen ja auch nicht an zu brennen“, sagt Ullmann.