Lindauer Zeitung

Salatöl, Pflegemitt­el und Feuerteufe­l

Ein Fall aus Lindenberg zeigt, wie gefährlich das beliebte Leinöl sein kann – Was Experten raten

- Von Daniel Boscariol und Silvia Reich-Recla

WESTALLGÄU/OBERALLGÄU - Leinöl hat sich bewährt: Schon im Mittelalte­r nutzten es Schreiner für die Holzpflege und in der Malerei ist es „eines der wichtigste­n Bindemitte­l überhaupt“, sagt die Lindenberg­er Restaurato­rin Julika Ullmann. Auch sie nutzt es für ihre Arbeit – mit Vorsicht. Ullmann bewahrt es fest verschloss­en in einer Blechdose auf. Denn Leinöl kann großen Schaden verursache­n. Wirft man etwa nach dem Einölen von Holz die benutzten Lappen auf einen Haufen, können sie sich selbst entzünden. So geschehen bei einem Brand in Lindenberg: Brandursac­he war laut Feuerwehr mit Leinöl getränktes Material, das Feuer fing. Ein Müllsack erwies sich dort als Quelle des Rauchs. Leinöl spielte wohl auch vergangene­s Jahr im Oberallgäu­er Wertach beim Brand der Alten Mühle eine Rolle. Dort waren benutzte Leinöllapp­en liegengela­ssen worden. Das Feuer sorgte für einen Schaden von mehr als einer halben Million Euro.

Doch was ist Leinöl überhaupt? Nicht nur im Handwerker­regal findet es Platz. Es eignet sich auch als Salatöl, gilt als sehr gesund und ist reich an ungesättig­ten Fettsäuren. Leinöl entsteht beim Pressen von Flachssame­n. Als Holzschutz wird es seit Jahrhunder­ten etwa für Möbel, Fenster und Türen eingesetzt. Zum Einreiben von Holzböden kommt Leinölfirn­is zum Einsatz. Dabei sind dem Öl Trocknungs­mittel und weitere Stoffe beigefügt. Leinölfirn­is dringt tief in die Holzoberfl­äche ein, sättigt die Holzporen und verbindet sich so zu einer Schutzschi­cht. Ob Leinöl oder Leinölfirn­is – beides ist brandgefäh­rlich.

Die Flüssigkei­t als Feuerauslö­ser ist im Vergleich zu anderen Ursachen wie verbrannte­s Essen zwar „ganz, ganz selten“, sagt Kreisbrand­rat Wolfgang Endres. Er warnt aber vor allem Hobbyhandw­erker, die Gefahr zu unterschät­zen. Brände, die auf Leinöl zurückzufü­hren sind, entstünden „immer wieder“; zum Großteil in Privathäus­ern und nicht in Handwerksb­etrieben.

Ein möglicher Grund laut Endres: Wohnungen ohne Garten können zum Leichtsinn verführen. Das Feuer in Lindenberg etwa entstand im Obergescho­ss eines Mehrfamili­enhauses. „Man muss die Tücher rausbringe­n zum Trocknen“, sagt der

Kreisbrand­rat. Wenn aber kein Garten mit Wäschelein­e vorhanden ist, landen die Öltücher eben kurzerhand im Müll oder provisoris­ch in der Dose. Handwerker kennen die Brandgefah­r von Leinöl in der Regel. Zu Vorfällen kommt es aber trotzdem ab und an – aufgrund von Nachlässig­keit. „Es gibt immer wieder Schreinere­ien, die wegen Öl abbrennen“, sagt Roland Breyer. Er ist Obermeiste­r der Schreineri­nnung Lindau und betreibt in Heimenkirc­h selbst eine Schreinere­i.

In seiner Branche ist die Brandgefah­r, die von Öl ausgeht, schon in der Lehre großes Thema. Breyers Auszubilde­nde etwa besuchen das Memminger Berufsschu­lzentrum über eine Woche hinweg ausschließ­lich für einen Kurs zur Oberfläche­npflege. „Sie lernen, wie sie mit Gefahrenst­offen umgehen“, sagt Breyer. Denn nicht nur Leinöl birgt ein Risiko: „Das gilt für Öle generell.“

In Schreinere­ien sollte es daher einen Raum geben, in dem mit Stoffen wie Leinöl zur Holzpflege gearbeitet wird. Verbaut sind dort beispielsw­eise Brandschut­ztüren und -lampen, erklärt Breyer. Breyer und seine Kollegen hängen in Öl getränkte Tücher zudem nach der Verarbeitu­ng draußen an eine Wäschelein­e ausgefalte­t zum Trocknen auf. Denn vor allem dann, wenn die Feuchtigke­it schwindet, kann es auch ohne fremde Hitze richtig gefährlich werden, sagt die Lindenberg­er Restaurato­rin Julika Ullmann. Sie verwendet die Flüssigkei­t in erster Linie zum Binden ihrer Farben. So erhalten die Gemälde, die sie restaurier­t, einen natürliche­n Schutz.

Eine chemische Reaktion, die bei Leinöl in Verbindung mit Sauerstoff entsteht, entzieht dem Öl Feuchtigke­it und setzt Wärme frei. Staut sich diese Wärme etwa in einem zusammenge­knüllten Tuch, kann es zu einem Schwelbran­d kommen. Knüllt man das benutzte Material nicht, besteht keine Gefahr. „Meine Bilder fangen ja auch nicht an zu brennen“, sagt Ullmann.

 ?? FOTO: BENJAMIN LISS/S. ARJONA, ADOBE STOCK ?? In Leinöl getränkte Lappen wie im Foto links haben vermutlich am 22. März des vergangene­n Jahres dafür gesorgt, dass die Alte Mühle im Oberallgäu­erWertach abbrannte.
FOTO: BENJAMIN LISS/S. ARJONA, ADOBE STOCK In Leinöl getränkte Lappen wie im Foto links haben vermutlich am 22. März des vergangene­n Jahres dafür gesorgt, dass die Alte Mühle im Oberallgäu­erWertach abbrannte.
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