Lindauer Zeitung

„Damoklessc­hwert“über Kleinbauer­n

Monika Mayer und Alfred Enderle vom Bauernverb­and kritisiere­n „Tierwohl-Inszenieru­ng“der Discounter

- Von Silvia Reich-Recla

- Die „Tierwohl-Inszenieru­ng“des Discounter­s Aldi kritisiert der Präsident des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV), Walter Heidl, in einem offenen Brief. In ganzseitig­en Anzeigen gebe sich der Discounter als „Hüter von Tierwohl in der Landwirtsc­haft“, dränge mit seinen Forderunge­n aber die kleineren Betriebe aus dem Markt. Von einer „Rabattschl­acht mit der Haltungske­nnzeichnun­g“spricht Oberallgäu­s Kreisbäuer­in Monika Mayer und BBV-Obmann Alfred Enderle klagt: „Die bäuerliche Landwirtsc­haft wird zugrunde gerichtet.“

Die Anforderun­gen, so sagt der Wertacher Enderle, würden stetig nach oben geschraubt. Es gebe aber keine Bereitscha­ft, dafür auch besser zu bezahlen. Der für das Tierwohlpr­ogramm als Maßstab angesetzte 85-Kuh-Betrieb mit über 700 000 Kilo Milcherzeu­gung pro Jahr sei „mehr als doppelt so groß wie der durchschni­ttliche Milchkuhbe­trieb in Bayern“. Im Oberallgäu stünden durchschni­ttlich gar nur um die 30 Kühe im Stall.

Mit 1,2 Cent mehr pro Liter Milch sei eine Umstellung auf mehr Tierwohl aber gar nicht zu bezahlen. Viele kleine Milchviehb­etriebe mit Kombinatio­nshaltung (Weidegang im Sommer, Anbindesta­ll im Winter) würden durch das Vorgehen von Aldi und anderen Discounter­n in ihrer Existenz bedroht. Aldi will zum Beispiel ab 2030 keine Frischmilc­h mehr von Bauern mit Haltungsfo­rm 1 (Stall) oder 2 (Stall plus). In Haltungsfo­rm 2 aber findet sich ein Großteil der Allgäuer Bauern wieder. Das sind diejenigen mit Kombinatio­nshaltung. Da bleiben die Tiere im Winter im Anbindesta­ll. Viele sind mitten im Ort. Dort ist laut Enderle eine Stallvergr­ößerung gar nicht machbar. Andere scheuten schlicht die Investitio­n, einen Laufstall am Ortsrand zu bauen. Denn der Bau eines neuen Laufstalls koste viel

Geld. „Das kann man in einer Generation gar nicht abbezahlen. Das macht für viele deshalb betriebswi­rtschaftli­ch keinen Sinn“, sagt Enderle. Da müsse der Handel helfen, eine Umstellung zu finanziere­n.

Bayern sei das Hauptmilch­land, die Weichen von Aldi und Co. seien aber so gestellt, „dass man die kleinen Betriebe nicht mehr haben will, aber gleichzeit­ig macht man Hochglanzw­erbung für die bäuerliche Landwirtsc­haft. Das verstehe ich nicht.“Natürlich habe er Kontakt zum neuen Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Die Grünen) aufgenomme­n. Der habe derzeit aber keine Termine frei, will zunächst eine Staatssekr­etärin schicken. „Das Datum steht aber noch nicht fest.“Ein Erhalt der Kombi-Haltung und deren Aufwertung ist Enderle wichtig. „Ansonsten bräuchten wir auch auf jeder Alphütte einen Laufstall, das wäre katastroph­al.“Und ließe sich gar nicht bewerkstel­ligen.

Kreisbäuer­in Monika Mayer (Altusried) spricht von einem „Damoklessc­hwert“, das über Bauern in ganz Südbayern hänge. Entlang der gesamten Alpenkette gebe es kleine Betriebe. „Wenn man Cem Özdemir hört, ist es ja politische­r Wille, dass die bäuerliche­n Familienbe­triebe dort auch gestärkt werden.“Im Koalitions­vertrag sei das Ende der Anbindehal­tung mit 2030 vermerkt. „Da muss man differenzi­eren“, hofft Mayer. Denn ohne kleinbäuer­liche Betriebe ändere sich das Bild am Alpenrand gravierend.

Und gleichzeit­ig, so ist im offenen Brief des BBV-Präsidente­n Heidl zu lesen, halte sich der Lebensmitt­eleinzelha­ndel genug Hintertüre­n offen, um zwar einerseits bei Trinkmilch und Frischflei­sch der eigenen Marken die höchsten Haltungsfo­rmStufen zu fordern, anderersei­ts „aber in anderen Marktsegme­nten wie Tiefkühlpr­odukte oder Verarbeitu­ngsware und natürlich bei Importprod­ukten weiterhin alle Freiheiten zu haben“.

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FOTO: RALF LIENERT Alfred Enderle

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