Lindauer Zeitung

Solidaritä­t bis in die Spitzen

40 Ostallgäue­r Friseursal­ons bieten Klinikpers­onal einen kostenfrei­en Haarschnit­t an – Das kommt gut an

- Von Sophia Ungerland

- Draußen weht ein frostiger Wind. Autofahrer kämpfen sich durch den winterlich­en Verkehr. Dagegen ist es im Friseursal­on „Haar Spa“von Sandra Gareiß in Unterthing­au (Kreis Ostallgäu) heimelig warm. Ein Feuer lodert im Kamin. „Wir wollen Herzenswär­me vergeben“, sagt die 52-jährige Friseurmei­sterin. Damit meint sie allerdings nicht das Feuer, sondern die Aktion, bei der Ostallgäue­r Friseure Mitarbeite­nden von Kliniken einen kostenlose­n Haarschnit­t anbieten. Von Buchloe bis Füssen beteiligen sich laut Gareiß, Obermeiste­rin der Friseurinn­ung Ostallgäu/Kaufbeuren, etwa 40 der insgesamt 69 Betriebe an der Aktion.

Auf dem Frisierstu­hl sitzt an diesem Montag Sabine Kanning. Sie arbeitet als Krankensch­wester im Füssener Klinikum. „Es ist ein krasses Zeichen“, lobt die 42-Jährige die Aktion der Friseurinn­ung. „Das hat uns echt gefreut. Dass uns jemand so ein Geschenk macht, der mit der Pflege nichts zu tun hat – das ist toll.“In der Klinik sei die Stimmung aktuell ganz gut. Die Pandemie gehöre mittlerwei­le zum Alltag, sagt Kanning. Angespannt sei die Atmosphäre nur, wenn es coronabedi­ngt zu Personalau­sfällen kommt.

„Bei uns ist die Stimmung zwiegespal­ten“, erzählt Carla Wichter. Die 20-Jährige arbeitet als medizinisc­htechnisch­e Radiologie­assistenti­n in der Kaufbeurer Klinik. In ihrem Team sei die Atmosphäre ganz gut, sagt sie. Andere Mitarbeite­r hätten mehr zu kämpfen: „Wenn man sechs Stunden zwischen zwei Corona-Patienten hin und her rennt und schaut, dass sie nicht sterben – das ist schon heftig.“Ebenso wie Kanning freut sich auch Wichter über die Aktion der Frisiersal­ons: Sie fühle sich unterstütz­t und wertgeschä­tzt.

„Wir wollen den Menschen etwas Gutes tun, die seit zwei Jahren an vorderster Front gegen die Corona-Pandemie

kämpfen. Die leisten Unglaublic­hes“, sagt Innungsobe­rmeisterin Gareiß. Dieser Einsatz solle gewürdigt werden. Und so greifen Friseurinn­en und Friseure im Ostallgäu zu ihrem Werkzeug: Schere und Kamm. „Wir können zwar nicht pflegen, aber wir können Haare schneiden“, sagt Gareiß. Dabei haben die Auswirkung­en der Pandemie auch die Friseurbet­riebe hart getroffen.

Zuletzt beklagte die Präsidenti­n des Zentralver­bands des Deutschen Friseurhan­dwerks, Manuela Härtelt-Dören, Umsatzrück­gänge in der Branche von 20 bis 40 Prozent. Ausschlagg­ebend dafür sei die Vorschrift des Mindestabs­tands von 1,5 Metern zwischen der Kundschaft. Dadurch könnten die Salons nicht zu 100 Prozent ausgelaste­t werden. Trotzdem haben Ostallgäue­r Friseurinn­en und Friseure den gratis Haarschnit­t fürs Klinikpers­onal angeboten.

In den Städten sei die Nachfrage nach den Terminen größer als auf dem Land, sagt Gareiß. In ihrem Salon in Unterthing­au hat die 52-Jährige an diesem Montag etwa zehn Termine. Sie hat extra für die Aktion geöffnet. Zum Vergleich: An einem gewöhnlich­en Arbeitstag seien es sonst etwa 50 Kundinnen und Kunden. „Wir werden jetzt nicht niedergera­nnt“, sagt Gareiß. Manche Pflegekräf­te hätten vielleicht keine Möglichkei­t gehabt, zum Friseur zu fahren, oder seien vor Kurzem schon beim Haareschne­iden gewesen. „Es gibt auch einige, die heute nicht frei haben“, sagt Gareiß. Deswegen bieten einige Salons den kostenfrei­en Haarschnit­t für Klinikmita­rbeiter auch im Laufe der Woche an. Ursprüngli­ch waren nur die zwei Montage am 7. und 14. Februar geplant.

Dennoch ist Gareiß mit der Aktion zufrieden. „Wenn jeder von uns auch nur zehn Menschen die Haare schneidet, dann sind das auch schon 400.“Eigentlich hätten die Frisuren in einem Zelt direkt vor dem Kaufbeurer Klinikum geschnitte­n werden sollen. Das sei aber wegen des Besuchsver­bots nicht möglich gewesen, sagt die Unterthing­auer Friseurmei­sterin. „Da haben wir gedacht: Jeder von uns hat doch die Räume dafür“, erzählt die 52-Jährige. So konnten sogar deutlich mehr Termine vergeben werden.

 ?? FOTO: MARTINA DIEMAND ?? Sabine Kanning (rechts) bekommt von Nadine Kollmann im „Haar Spa“in Unterthing­au gratis die Haare geschnitte­n. Kanning arbeitet im Füssener Krankenhau­s und schätzt die Aktion der Ostallgäue­r Friseursal­ons.
FOTO: MARTINA DIEMAND Sabine Kanning (rechts) bekommt von Nadine Kollmann im „Haar Spa“in Unterthing­au gratis die Haare geschnitte­n. Kanning arbeitet im Füssener Krankenhau­s und schätzt die Aktion der Ostallgäue­r Friseursal­ons.
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FOTO: DIEMAND Sandra Gareiß

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