Für ein bisschen olympische Atmosphäre
Regio-TV-Moderator Jens Zimmermann ist als Stadionsprecher bei den Winterspielen im Einsatz – So hat er die erste Woche in China erlebt
- Jens Zimmermann hat im Sport schon viel erlebt. Er war Presse- und Stadionsprecher der Stuttgarter Kickers, kommentierte bei Handball-, Turn- und Skiweltmeisterschaften, ist seit Jahren die Stimme der Vierschanzentournee in Oberstdorf und betreut mit seiner Agentur Sportler wie Frank Stäbler, Marcel Nguyen und Niko Kappel. Doch solche Situationen wie am Mittwoch bringen auch den 49-Jährigen noch immer in Bedrängnis. Er oben auf der Tribüne als Kommentator des olympischen Einzels in der Nordischen Kombination, sein Klient Johannes Rydzek unten auf dem Weg zum dritten Olympiasieg – und am Ende als Fünfter völlig niedergeschlagen im Ziel. „In meiner Doppelrolle ist das besonders aufregend“, berichtet Zimmermann von den dramatischen letzten Minuten des Rennens in Zhangjiakou. „Aber ich muss das trennen und zumindest nach außen die Neutralität wahren. Innerlich fiebere ich aber natürlich mit meinen Athleten mit. Das ist schon ein bisschen schizophren.“
Und so ließ es sich der gebürtige Freudenstädter auch nicht nehmen,
Rydzek nach der verpassten Medaille in den Arm zu schließen: „Ich habe ihm im Ziel gesagt: Wenn dir jemand vor einem Jahr den fünften Platz bei den Olympischen Spielen angeboten hätte, hättest du sofort unterschrieben.“
Auch Zimmermann, der auf RegioTV den Academy Talk moderiert, hätte vor einem Jahr noch nicht daran geglaubt, nach 2010 und 2014 erneut als Kommentator bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Um ehrlich zu sein, war das noch vor einem Monat undenkbar – bis Mitte Januar sein Telefon klingelte. Der eigentlich für die Spiele in Peking eingeplante Kommentator aus Kanada hatte kurzfristig aus persönlichen Gründen abgesagt, die FIS bat Zimmermann um Hilfe – und der sagt, ohne zu zögern, zu: „Bei den Olympischen Spielen dabei zu sein, ist auch für einen Kommentator eine ganz besondere Ehre – und ich sage bewusst: egal wo diese stattfinden.“
Natürlich habe auch er sich mit den problematischen Themen rund um die Spiele beschäftigt und sei auch für seine Arbeit für das Organisationskomitee
kritisiert worden. Wie kann er angesichts der Menschenrechtsverletzungen, der Datenspionage, der Umweltsünden nur für die chinesischen Organisatoren arbeiten? „Die Kritik an den Spielen war für mich kein Argument“, sagt Zimmermann. „Ich finde, man muss sich selbst ein Bild von einem Land machen, bevor man darüber urteilt. Ich will keineswegs etwas verteidigen, aber ich denke, dass wir Europäer manchmal auf einem sehr hohen Ross sitzen und meinen, den Wintersport alleine gepachtet zu haben. Warum sollten die Millionen Menschen hier nicht auch in den Genuss dieser Sportarten kommen?“
Und so ist er als einziger deutscher Kommentator bei den Winterspielen in China vor Ort. „Die Arbeit macht wirklich Spaß. Das ganze Team ist mit so viel Feuereifer dabei und es ist hervorragend organisiert“, sagt er nach knapp einer Wettkampfwoche. Zimmermann macht aber keinen Hehl daraus, dass von olympischem Flair, wie er es vor allem in Vancouver erlebte, kaum etwas zu spüren ist. „2010 waren Bilderbuchspiele. Die Stimmung in Whistler, die Leute, die Gegend – das war einfach außerordentlich schön“, schwärmt er noch zwölf Jahre später.
„Dass das hier nicht so wird, war von vornherein klar.“
Das liege aber nicht nur daran, dass China im Gegensatz zu Kanada kein Wintersportland sei, sondern vor allem an Corona. „Alle Organisatoren, die eine Großveranstaltung in dieser Pandemie ausrichten müssen, sind geplagt. Das war bei der Nordischen Ski WM in Oberstdorf im letzten Jahr auch nicht anders. Im Vergleich zur WM 2005 war das einfach ein trauriges Schauspiel.“Wie streng die chinesischen Organisationen bei den Schutzmaßnahmen gegen das Virus sind, musste Zimmermann nach seiner Ankunft selbst erfahren. Nachdem ein Ergebnis aus dem Pooltest, in dem auch sein Abstrich war, positiv ausfiel, musste er wie alle anderen Getesteten vorsichtshalber für 24 Stunden in Isolation. Erst als klar war, dass sein Ergebnis negativ war, durfte er aus dem Hotelzimmer ins Langlaufstadion.
Dort hat er eine wichtige Aufgabe: „Ich möchte den Athleten ein bestmögliches Umfeld bieten, dass zumindest ein wenig olympische Atmosphäre aufkommt.“Auch wenn das für ihn persönlich bedeutet, wie am Mittwoch einen inneren Kampf gegen sich selbst zu führen.