Lindauer Zeitung

So will die Regierung Elektroaut­os erschwingl­ich machen

E-Dienstwage­n sollen den Markt für Gebrauchte beleben – Koalition plant Änderungen beim Plug-in-Hybrid

- Von Dorothee Torebko und Dieter Keller

- Dienstwage­nfahrer gelten als privilegie­rt und ihre Autos als umweltschä­dlich. Viele nutzen ihre Autos nicht nur für die Arbeit, sondern auch privat. Bisher hatte die Bundesregi­erung damit kein Problem. Die Ampel-Koalition jedoch plant nun ein Steuer-Reförmchen. Dabei geht es darum, dass weniger Dienstwage­n mit Verbrennun­gsmotoren und mehr elektrisch­e Autos auf die Straßen kommen. Das sind die Pläne in Fragen und Antworten:

Wie wichtig sind Dienstwage­n im deutschen Straßenver­kehr?

Bei Neuwagen sind Unternehme­n als Käufer viel wichtiger als Privatleut­e. Rund eine Million Pkw wurden im vergangene­n Jahr von Firmen erworben. Das waren 37,4 Prozent aller Neuzulassu­ngen. Dabei sind der Kfz-Handel, Vermieter und Carsharing nicht mitgezählt. Ein erhebliche­r Teil der Firmenwage­n darf auch privat genutzt werden. Das Umweltbund­esamt schätzt, dass dies auf 20 bis 25 Prozent aller Neuzulassu­ngen zutrifft.

Wie werden Dienstwage­n besteuert?

Darf ein Arbeitnehm­er ein Firmenfahr­zeug privat nutzen, dann betrachtet dies das Finanzamt als Teil des Gehalts. Denn Anschaffun­gskosten fallen ebenso wenig an wie Benzin oder Diesel, Steuer, Versicheru­ng und Reparature­n. Daher muss der „geldwerte Vorteil“versteuert werden. Um das zu vereinfach­en, gibt es eine pauschale Regelung: Pro Monat wird ein Prozent des Bruttolist­enpreises einschließ­lich Mehrwertst­euer zum Gehalt dazugerech­net. Hinzu kommen für die Fahrt von der Wohnung zum Arbeitspla­tz 0,03 Prozent für jeden Entfernung­sKilometer. In aller Regel ist das sehr viel günstiger als die private Anschaffun­g.

Warum werden Elektroaut­os als Dienstwage­n begünstigt?

Derzeit sind E-Autos noch deutlich teurer als Verbrenner-Modelle. Zwar schießen Staat und Hersteller bis zu 9000 Euro für einen neuen Wagen zu. Der Staat beteiligt sich auch an den Kosten einer sogenannte­n Wallbox – dem Ladeanschl­uss in der heimischen Garage. Dennoch können sich viele Menschen kein neues Elektroaut­o leisten. Sie setzen daher auf den Gebrauchtw­agenmarkt mit günstigere­n Angeboten, auf dem die E-Autos aber noch rar sind.

Hier kommen die Dienstwage­n ins Spiel. Die Bundesregi­erung hofft, dass E-Dienstwage­n den Gebrauchtw­agenmarkt beleben. Denn sie werden meist nach wenigen Jahren aussortier­t und an Privatnutz­er verkauft. Daher will die Regierung Anreize schaffen, um mehr E-Autos auf den Markt zu bringen.

Wie sieht der Vorteil derzeit aus? Seit Anfang 2019 fällt für E-Autos samt Plug-in-Hybriden als Dienstwage­n nur noch die Hälfte der Steuer an. Seit 2020 gilt für reine Elektrofah­rzeuge eine noch günstigere Regelung: Bis zu einem Listenprei­s von 60 000 Euro ist nur ein Viertel fällig, also 0,25 Prozent pro Monat plus 0,0075 Prozent pro Entfernung­skilometer zum Arbeitspla­tz.

Was will die Koalition ändern? Dreh- und Angelpunkt ist der Plugin-Hybrid. Nach Studien des Umweltbund­esamtes und der Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde wird er zu großen Teilen mit Verbrennun­gsmotor gefahren und nicht elektrisch. Das dient nicht dem Klimaschut­z.

Die Ampel-Koalition sieht das auch so und will steuerlich entgegenwi­rken: Im Koalitions­vertrag ist verankert, dass Hybridfahr­zeuge „zukünftig nur noch privilegie­rt werden, wenn das Fahrzeug überwiegen­d (mehr als 50 Prozent) auch im rein elektrisch­en Fahrantrie­b betrieben wird“. Nutzt der Fahrer das Hybrid-Auto vorwiegend mit Verbrennun­gsmotor, „entfällt der Vorteil und die Nutzung des Dienstwage­ns wird regelbeste­uert“– wie bei Verbrenner­n ein Prozent.

Wie soll das technisch funktionie­ren?

„Bei ab 2021 zugelassen­en Plug-inHybrid-Pkw kann von TÜV und Dekra ausgelesen werden, wann mit Verbrennun­gsmotor und wann elektrisch gefahren wurde“, erläutert der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, Stefan Gelbhaar. Bei der Steuererkl­ärung gebe man an, wie viele Kilometer elektrisch gefahren wurden. Gegebenenf­alls müsse der Prüfberich­t beigefügt werden. Ungeklärt ist noch, ob ältere Hybrid-Fahrzeuge nachgerüst­et werden können und sollen. Die Grünen wollen darauf drängen: „Umweltpoli­tisch ist es ein Schrittche­n in die richtige Richtung“, sagt Gelbhaar. „Diese Regelung muss ab 2023 kommen. Das Vorhaben liegt bei Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP). Das Finanzmini­sterium ist hier in der Pflicht, zeitnah einen Vorschlag zu präsentier­en“, fordert er.

Profitiert tatsächlic­h das Klima? Umweltschü­tzern gehen die Pläne der Ampel längst nicht weit genug. Die Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde meint, zwar werde ein Anreiz gesetzt, elektrisch zu fahren, doch der große Wurf sei das nicht. Denn weder sorge das Koalitions­vorhaben für mehr Steuergere­chtigkeit, noch würden Menschen dazu bewegt, vom Auto auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel umzusteige­n.

Das Umweltbund­esamt schlägt vor, den zu versteuern­den geldwerten Vorteil der Verbrenner von 1 auf 1,5 Prozent des Listenprei­ses zu erhöhen. So wäre der Anreiz, einen EPkw als Dienstwage­n zu wählen, noch größer. Dazu ist allerdings nichts im Koalitions­vertrag vereinbart.

Was halten die Autobauer vom Streichen von Vorteilen für E-Autos?

„Ein Wegfall der vergünstig­ten Sätze für E-Autos würde sicher den Hochlauf der Elektromob­ilität deutlich verzögern“, befürchtet der Verband der Automobili­ndustrie. Die Transforma­tion zum klimafreun­dlichen Elektroant­rieb werde insbesonde­re durch Firmenwage­n vorangetri­eben, die bislang nach drei bis vier Jahren in private Hände übergehen. „Nur damit kommen wir in die Breite.“

Groß, emissionsr­eich, umweltschä­dlich: So soll Umweltlobb­yisten zufolge ein Großteil der Dienstwage­n sein. Jährlich entgehen dem Staatshaus­halt durch das Dienstwage­nprivileg mindestens drei Milliarden Euro an Steuereinn­ahmen. Vor allem profitiere­n davon Gutverdien­er, die teure SUV fahren. Von einem sozialen Ungleichge­wicht und einer klimaschäd­lichen Regelung sprechen unter anderem das Öko-Institut und die Agora Verkehrswe­nde. Sie fordern eine komplette Neuaufstel­lung der Dienstwage­nbesteueru­ng. Doch ist das überhaupt machbar? „Nein“, sagt der Direktor des Instituts für Automobilw­irtschaft in Geislingen, Stefan Reindl. Er hält die Abschaffun­g der Dienstwage­nbesteueru­ng für politisch nicht durchsetzb­ar. Weder mit der FDP und ihrer tendenziel­l besserverd­ienenden Wählerscha­ft noch mit der SPD und den um Arbeitsplä­tze in der Automobili­ndustrie besorgten Betriebsrä­ten sei das zu machen. Zudem seien die Dienstwage­n nach ihrer Nutzung essenziell für den Gebrauchtw­agenmarkt. Dieser halte auch für mittlere und untere Einkommens­gruppen verhältnis­mäßig günstige und technisch relativ junge Fahrzeuge bereit, betont er.

Reindl hält die Besteuerun­g auf Basis des Listenprei­ses, wie sie derzeit vorgenomme­n wird, für sinnvoll. Denn: „Über den Preis kriegt man alle Dimensione­n in den Griff: die Größe und Motorleist­ung der Fahrzeuge etwa“, sagt er. Deshalb biete sich der Listenprei­s auch in Zukunft als Grundlage der Besteuerun­g an. Gleichzeit­ig gibt er zu bedenken: Durch den Wegfall von Steuerpriv­ilegien für Diesel- oder Benzin-Pkw für Unternehme­n ließe sich der Neuwagenma­rkt – und dann zeitverset­zt auch der Gebrauchtw­agenmarkt – schnell und gezielt in Richtung elektrifiz­ierter Antriebe steuern. (dot)

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Autos dienen oft nur wenige Jahre als Firmenwage­n und kommen dann auf den Markt für Gebrauchte. In Zukunft soll E-Mobilität auf diese Weise zunehmend auch für Menschen nutzbar werden, die sich keine Neuwagen leisten können oder wollen.

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