Zahl der Privatpleiten fast verdoppelt
(dpa) - Die Zahl der Privatpleiten in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt und Experten erwarten keinen schnellen Rückgang. Im zweiten Corona-Jahr zählte die Wirtschaftsauskunftei Crif 109 031 Privatinsolvenzen. Das waren 93,6 Prozent mehr als 2020. In Baden-Württemberg wurden 11 016 Privatinsolvenzen angemeldet, 99,7 Prozent mehr als 2020.
Es war der erste Anstieg nach zehn Jahren sinkender Zahlen. Crif-Geschäftsführer Frank Schlein führte dies vor allem auf die Insolvenzrechtsreform zurück, wonach Verbraucher nach drei statt nach bisher weitgehend üblichen sechs Jahren von ihren Restschulden befreit werden können. Viele Betroffene hätten das abgewartet. Insolvenzverwalter sehen das ähnlich und erwarten, dass dadurch auch das Geschehen in diesem Jahr beeinflusst wird.
Nach Einschätzung Schleins bleibt die finanzielle Lage vieler Verbraucher in Deutschland in diesem Jahr angespannt. Viele Menschen, die in der Pandemie Einkommenseinbußen durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit erlitten hätten, hätten versucht, mit eigenen Rücklagen oder privat geliehenem Geld durchzuhalten. „Die finanziellen Reserven vieler Betroffener sind aufgebraucht. Dazu kommen die stetig steigenden Miet- und Energiepreise“, erläuterte Schlein. „Daher gehen wir auch 2022 von weiter hohen Privatinsolvenzzahlen aus.“Crif hält bis zu 110 000 Privatpleiten in diesem Jahr für möglich.
- Vier kleine Betonfundamente in der rötlich schimmernden Erde des Senegal. Hunderte von Kilometern östlich der Hauptstadt Dakar stützen sie einen handelsüblichen Überseecontainer. Als Transportbehälter hat die stählerne Kiste allerdings ausgedient: Im Inneren schützt sie Wechselrichter, Batterien und Leistungselektronik vor der sengenden Sonne Westafrikas, und außen trägt sie ein Gestell, an das schwarz-schimmernde Solarzellen geschraubt sind. Alles zusammen ist das eine netzunabhängige Stromquelle – Stationen wie diese sollen künftig mehr als 300 Dörfer in der senegalesischen Savanne mit Energie versorgen.
Gebaut werden die netzunabhängigen Stromquellen von einem Unternehmen im baden-württembergischen Pfullendorf, das das englische Wort für netzunabhängig im Namen führt: von Off-Grid Europe. Für die „Agence Sénégalaise d’Électrification Rurale“(Aser), die senegalesische Agentur zur Elektrifizierung ländlicher Gebiete, baut der Energiespezialist autarke Stromsysteme, deren Elemente alle in einen Überseecontainer passen. Der wird per Schiff und Lastwagen in die entlegensten Gegenden gebracht und dann zu einem unabhängigen Solarkraftwerk umgebaut, für das nichts anderes vorhanden sein muss als eine ebene, feste Fläche. „Hintergrund ist, dass ich nicht weiterkomme, wenn ich im absoluten Nirgendwo nicht das richtige Equipment habe oder ein Teil fehlt“, sagt Christiane Kragh, die das Unternehmen zusammen mit ihrem Mann gegründet hat und es als Geschäftsführerin führt.
Eine lang gezogene Halle im Pfullendorfer Gewerbegebiet Hesselbühl: Gerade sind zehn fertiggestellte Solarcontainer auf die Reise gegangen und per Schiff auf dem Weg nach Westafrika, drei neue, noch fast leere Stahlkisten stehen zum Ausbau bereit. Zuerst isolieren die Mitarbeiter die Wände, damit Batterien und Elektronik in der Hitze des Senegal keine höheren Temperaturen als 28 Grad Celsius aushalten müssen. Danach erfolgt der Einbau der Batterieladeregler, der Wechselrichter, die aus dem in den Solarzellen erzeugten Gleichstrom haushaltsüblichen Wechselstrom machen – und vor allem der Batterien. Auf Paletten lagern die Solarmodule, in der benachbarten Schweißerei entstehen die Gestelle, die die Module in Afrika dann den Sonnenstrahlen entgegen ausrichten sollen.
„In vielen Gebieten Afrikas wird es niemals ein Stromnetz geben, es wäre viel zu teuer diese Gegenden mit Leitungen an die vorhandene Versorgung anzubinden“, erläutert Off-Grid-Chefin Kragh. „Für solche Fälle sind unsere autarken Systeme gemacht.“Im Schnitt kostet ein Stromcontainer von Off-Grid Europe rund 120 000 Euro. Mindestens 120
Container liefert das Unternehmen aus Pfullendorf an Aser, die übrigen Systeme kommen von dem Unternehmen Asantys mit Sitz in Hofstetten im Schwarzwald. Der Nürnberger Planungsspezialist Gauff koordiniert das Vorhaben, finanziert wird das Projekt mit einem Volumen von 120 Millionen Euro von der KfW-IPEXBank, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der KfW. Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben mit einer Lieferantenkredit- und einer Finanzkreditdeckung von Euler Hermes, durch die Off-Grid Europa und andere Lieferanten gegen Zahlungsausfälle abgesichert sind. Für die
Bundesrepublik ist der Senegal mit seiner politischen Stabilität ein wichtiger potenzieller Markt in Westafrika. Auch deswegen reist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von Sonntag an für drei Tage mit einer Wirtschaftsdelegation nach Dakar. Mit dabei: Off-GridEurope-Chefin Christiane Kragh (Foto: OH). Die 40-Jährige wird dort an mehreren Round-Tables Wirtschaftsvertreter treffen und Kontakte knüpfen. Das Ziel ist klar: „Der Aser-Auftrag ist für uns ein Leuchtturmprojekt. Wir wollen uns damit als Spezialist für autarke Energiesysteme in Westafrika etablieren“, sagt
Kragh. Perspektivisch denkt die Unternehmerin auch an Hochvoltcontainer, die Strom für Krankenhäuser oder kleine Unternehmen liefern können.
Die gebürtige Stuttgarterin sieht ihre Systeme auch als Hilfe zur Selbsthilfe. „Energie ist die wichtigste Voraussetzung, den Menschen, die in Dörfern mit oft kargen Hütten leben, den Alltag zu vereinfachen“, erläutert Kragh. Das Problem sei aber oft die
Finanzierung. Bankkredite sind in Afrika teuer, sodass in der Regel ein Investor das Projekt vorfinanzieren muss. „Die Kommunen zahlen das System dann mit der Rate, die sie durch den Sonnenstrom einsparen“, erklärt Kragh. „Schließlich sind auch die Kerosinlampen und der Diesel für die motorbetriebenen Stromaggregate teuer.“
Begonnen haben Christina Kragh und ihr aus Dänemark stammender Ehemann Mark als Händler – und zwar als Händler für zerbrochene Siliziumscheiben. „Wir haben uns schon immer mit erneubarer Energie beschäftigt, irgendwann haben wir die Ausschussware vom SolarmodulHersteller Sharp aufgekauft“, erzählt die Unternehmerin. Diese Module, an denen kleine Eckchen abgebrochen waren, haben die Kraghs neu zusammengebaut und auf Ebay verkauft. Das funktionierte sehr gut. Sie begannen auch von anderen Modulherstellern angeknackste Waren aufzukaufen und entwickelten sich innerhalb von eineinhalb Jahren zu einem großen Anbieter von Solarkomponenten für Hobbybastler. „Als China dann jedoch den europäischen Markt mit billigen Modulen überschwemmt hat, machte das keinen Sinn mehr“, erläutert die Off-GridEurope-Chefin.
In dieser Zeit sei dann die erste Anfrage nach einem autarken Energiesystem gekommen. Auf dem Gelände von Elstner-Holzbau in Frickingen haben die Kraghs ein Partyzelt aufgestellt, einen Container gekauft – und begonnen, ihn auszubauen. „Den Ausschlag für die Anfrage hat damals die Tatsache gegeben, dass wir schon ein Monitoring-System für die Solaranlage entwickelt haben“, sagt Kragh. Mit dieser Überwachung sei es möglich, aus der Ferne die Anlage zu betreuen und den Nutzern bei der Wartung und Instandhaltung zu helfen. Seitdem hat Off-Grid Europe Stromcontainer für Krankenhäuser und Farmen in Papua-Neuguinea, Paraguay, Nigeria, Guinea und Kamerun gebaut. Es gibt die Container in vier verschiedenen Größen – für Anlagen mit 15, 23, 30 und 45 Kilowatt.
Für die Container im Rahmen des Aser-Projekt hat Off-Grid Europe eine Tochter im Senegal mit 45 Mitarbeitern gegründet, die die von ihren 20 Pfullendorfer Kollegen gebauten Container in Dakar in Empfang nehmen, sie mit Lastwagen zu den Dörfern bringen und die Installation übernehmen. Christiane Kragh beschreibt die Kolonne, die sich von der Hauptstadt des Senegals in die Dörfer aufmacht, als „Wanderzirkus“. Mit Schlafcontainer, Werkzeugcontainer und mobilem Kran rückt das Off-GridEurope-Team an, um mitten in der Savanne das kleine Solarkraftwerk aufzubauen. Ein Kraftwerk, das Hunderte Kilometer jenseits der Hauptstadt Dakar den Menschen Strom geben und das Leben erleichtern soll.