Macron geht ins Risiko
Immer wenn sich international eine Krise zusammenbraut, ist Emmanuel Macron nicht weit. Nach der Bombenexplosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut war der französische Präsident als erster ausländischer Staatschef zur Stelle. Als der damalige US-Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausstieg, meldete er sich mit der griffigen Formel „Make our planet great again“als Erster zu Wort. Und nun, wo in der Ukraine Krieg droht, hat Macron die Vermittlung übernommen.
Der Franzose war es, der US-Präsident Joe Biden ein Treffen mit Wladimir Putin vorschlug und die Idee dann dem russischen Staatschef vortrug. Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger soll gefragt haben, wen er anrufen solle, wenn er in Europa einen Gesprächspartner suche. Die Antwort lautet: Emmanuel Macron. Nach dem Abgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der 44Jährige unbestritten die Führungsrolle in der EU inne.
Wer den Grund dafür allein in Macrons Geltungsbewusstsein sieht, liegt falsch. Der Präsident füllt zwar bereitwillig die Lücke, die Merkel hinterlassen hat. Aber er geht damit auch ein hohes Risiko ein. Ähnlich wie beim Wiederaufbau Beiruts und dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimadeal scheint ein Scheitern programmiert. Das am Sonntag mühsam eingefädelte Gipfeltreffen zwischen Biden und Putin wird wohl gar nicht zustande kommen. Macrons Bemühungen um Frieden am Ostrand Europas haben nur noch minimale Erfolgsaussichten. Macron ist im diplomatischen Tauziehen mit dem russischen Präsidenten eindeutig der Schwächere. Russland hat mehr als 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stehen und kann jederzeit losschlagen. Der unberechenbare Putin wird dabei keine Rücksicht auf Macrons Telefondiplomatie nehmen. Im Gegenteil.
Dass Macron sich trotzdem so hartnäckig engagiert, ist ihm hoch anzurechnen. Solange geredet wird, herrscht noch kein Krieg, lautet seine Devise. Er wird deshalb alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen. Bis zuletzt.