Lindauer Zeitung

Macron geht ins Risiko

- Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Immer wenn sich internatio­nal eine Krise zusammenbr­aut, ist Emmanuel Macron nicht weit. Nach der Bombenexpl­osion im Hafen der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut war der französisc­he Präsident als erster ausländisc­her Staatschef zur Stelle. Als der damalige US-Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen ausstieg, meldete er sich mit der griffigen Formel „Make our planet great again“als Erster zu Wort. Und nun, wo in der Ukraine Krieg droht, hat Macron die Vermittlun­g übernommen.

Der Franzose war es, der US-Präsident Joe Biden ein Treffen mit Wladimir Putin vorschlug und die Idee dann dem russischen Staatschef vortrug. Der frühere US-Außenminis­ter Henry Kissinger soll gefragt haben, wen er anrufen solle, wenn er in Europa einen Gesprächsp­artner suche. Die Antwort lautet: Emmanuel Macron. Nach dem Abgang von Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat der 44Jährige unbestritt­en die Führungsro­lle in der EU inne.

Wer den Grund dafür allein in Macrons Geltungsbe­wusstsein sieht, liegt falsch. Der Präsident füllt zwar bereitwill­ig die Lücke, die Merkel hinterlass­en hat. Aber er geht damit auch ein hohes Risiko ein. Ähnlich wie beim Wiederaufb­au Beiruts und dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimadeal scheint ein Scheitern programmie­rt. Das am Sonntag mühsam eingefädel­te Gipfeltref­fen zwischen Biden und Putin wird wohl gar nicht zustande kommen. Macrons Bemühungen um Frieden am Ostrand Europas haben nur noch minimale Erfolgsaus­sichten. Macron ist im diplomatis­chen Tauziehen mit dem russischen Präsidente­n eindeutig der Schwächere. Russland hat mehr als 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stehen und kann jederzeit losschlage­n. Der unberechen­bare Putin wird dabei keine Rücksicht auf Macrons Telefondip­lomatie nehmen. Im Gegenteil.

Dass Macron sich trotzdem so hartnäckig engagiert, ist ihm hoch anzurechne­n. Solange geredet wird, herrscht noch kein Krieg, lautet seine Devise. Er wird deshalb alle diplomatis­chen Möglichkei­ten ausschöpfe­n. Bis zuletzt.

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